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Raupenfahrzeuge und Fussballtore aus dem 3-D-Drucker

Im Geometrischen Zeichnen lernen Jugendliche CAD-Technologien kennen.

14.06.2018 | Pädagogische Hochschule

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«Von Spinnen auf Raupen gekommen»: Die Jugendlichen konstruieren im Geometrischen Zeichen ein Raupenfahrzeug. Foto: André Albrecht.

Die Schulstunde hat noch nicht begonnen, doch die Jugendlichen sind bereits am Installieren: Kabel werden entflochten, Konsolen ausgepackt, Computer hochgefahren. Auf dem Stundenplan der Sek Boswil AG steht Geometrisches Zeichnen, was heute nur noch am Rande etwas mit Reissbrett und Tusche zu tun hat, wie sich gleich zeigen wird.
Markus Eichhorn, der die Klasse unterrichtet, sagt in die Runde: „Heute arbeitet ihr an eurem Projekt weiter. Falls ihr soweit seid, könnt ihr mir einen Druckauftrag schicken.“ Vorgesehen ist, dass die Jugendlichen für ihr Objekt, das sie in kleinen Gruppen entwickeln, ein Element mit einem 3-D-Drucker produzieren. Tim zeichnet dazu auf einer kostenlosen Software am Computer einen CAD-Plan für das Gehäuse seiner Light-Box, die er mit seinem Teamkollegen erstellen will. Auf seinem Bildschirm dreht er das Objekt und begutachtet es aus verschiedenen Perspektiven. Das Verständnis von Auf- und Seitenrissen ist auch bei einem digitalen Programm unerlässlich. Und darüber hinaus: „Ich werde eine Metallbau-Lehre machen, da werden solche Fertigkeiten gebraucht“, sagt er, zufrieden mit dem Ergebnis. Sein Kollege programmiert derweil die Lichtfolge und den Rhythmus, nach denen die LED-Lämpchen in der Light-Box leuchten sollen, auf eine kleine Microcontroller-Plattform.

Attraktive Unterrichtsgestaltung

Als Markus Eichhorn das Fach übernommen hatte, war es unter den Schülern nicht gerade beliebt. „Die Anmeldezahlen des Freifachs waren stark rückläufig“, erinnert sich Eichhorn. Auch Eichhorn hatte die Klasse bereits ein Jahr „klassisch“ im Geometrischen Zeichnen unterrichtet, ganz analog, worauf im darauffolgenden Jahr wiederum einige ausstiegen. Bei einer Weiterbildung an der Pädagogischen Hochschule FHNW ist er mit dem „Making“-Konzept in Berührung gekommen – eines von mehreren Angeboten, das Lehrpersonen Unterstützung bietet, die informatische Bildung fächerübergreifend in den Unterricht zu integrieren (siehe Fachbeitrag). «Da habe ich zu ahnen begonnen, wie ich meinen Unterricht attraktiver gestalten könnte», erzählt Eichhorn. Er integrierte einen 3D-Drucker in seine Unterrichtsplanung sowie das dazugehörige 3-D-Zeichenen auf einem CAD-Programm. Als weiteren Schritt kam das Programmieren dazu. «Für mich hat sich damit ein logischer Kreis geschlossen. Vom zweidimensionalen analogen Zeichnen, über das Visualisieren und Errechnen eines digitalen Modells und dessen Produktion im 3-D-Druck bis zum Programmieren, damit das Objekt sich bewegen und gesteuert werden kann.» Nachdem er sein Fach mit diesen Inhalten ausgeschrieben hatte, war es im Nu ausgebucht.

Technisches Verständnis, kreatives Problemlösen

Lorenz Möschler betreut das Projekt «making@school» an der Pädagogischen Hochschule. «Das Verständnis für Funktionsprinzipien technischer Alltagsgeräte und informatischer Systeme sind Forderungen des Lehrplans 21. Uns geht es bei ‘making@school’ darum, Lehrpersonen aufzuzeigen, wie dieses Verständnis an Jugendliche weitergegeben werden kann», sagt der wissenschaftliche Mitarbeiter. «Making» bedeutet im Unterricht unter anderem planen, designen, konstruieren und basteln. Dabei kommen 3-D-Drucker, Mikrocomputer und andere digitale Geräte ebenso wie Feile und Säge zum Einsatz. Beim «Making» steht der Weg zum Produkt im Vordergrund. «Nur wenn Zwischenprodukte immer wieder überprüft und eigene Arbeitsschritte überdacht werden, entsteht ein funktionierendes Produkt und erschliessen sich Zusammenhänge, die zum Verständnis wichtig sind.» So werden kreatives Problemlösen ebenso gefördert wie Kooperationsfähigkeit und Selbstverantwortung. «Auf Probleme richtig zu reagieren, alleine oder gemeinsam eine Lösung zu finden, über das eigene Tun nachzudenken und seine Erkenntnisse weiter zu geben, sind wichtige Bestandteile jedes ‘Making’-Prozesses.» Dabei ist ein Making-Vorhaben nicht an ein Fach gebunden, sondern kann und soll fächerübergreifend bearbeitet werden.

Gemeinsam einen Weg finden

In Boswil interessieren sich die Jugendlichen beinahe ausnahmslos für einen technischen Beruf. Manche haben ihre Lehrstelle bereits gar schon in dem Bereich. Das Entwickeln und Umsetzen geht ihnen leicht von der Hand. „Zu Beginn machte ich der Klasse konkrete Vorschläge, doch alle wollten etwas Eigenes kreieren“, erzählt Eichhorn. „Wir prüften dann gemeinsam, ob das Vorhaben machbar ist in Bezug auf Budget und Zeitressourcen.“ Selbst bei der Wahl des CAD-Programmes hatten Jugendlichen freie Wahl und mussten sich selbst in die Funktionsweise mit Online-Tutorials einarbeiten. Eichhorn versucht nur wo nötig in die Projekte einzugreifen und hauptsächlich beratend zur Seite zu stehen.
Eine Gruppe wird ein kleines Fussballtor drucken, das mit Sensoren ausgestattet, jeden Treffer zählen und auf einem Display anzeigen kann. «Wir haben uns von einer ähnlichen Idee auf Pinterest inspirieren lassen», erzählen die beiden Jungs. «Im Moment müssen wir noch einen Weg finden, wie die Vorrichtung zuverlässig zählen kann.» Auf einem anderen Tisch baut jemand ein Raupenfahrzeug als Prototyp aus Lego zusammen. Das soll später auch aus dem Drucker kommen und mit einem Elektromotor und einer Steuerung automatisiert werden. «Wir sind von den Spinnen auf die Raupen gekommen», sagt eine Schülerin. «Acht Beine zu programmieren schien uns dann doch etwas zu komplex.»
Eine andere Gruppe konstruiert gerade ein Grundgerüst für einen Futterspender, der mit einer elektrischen Hebe- und Senkfunktion ausgestattet werden sollte. «Auf die Idee sind wir durch eine Internetrecherche gekommen – und ich habe eine Katze zu Hause», erzählt ein Schüler. «Es wird sich zeigen, ob wir das verwirklichen können. Wir sind erst in der Entwicklungsphase».
Das ist ebenfalls ein zentraler Aspekt bei «Making»: Das Projektmanagement. Die Jugendlichen haben einen detaillierten Prozessplan mit definierten Meilensteinen, der von der Ideenfindung bis zur Schlusspräsentation reicht und die Zuständigkeiten regelt. «Sie haben die Aufgaben untereinander aufgeteilt. Manche sind für die Programmierung zuständig, andere eher fürs Design», erzählt Markus Eichhorn. «Mir ist es ein Anliegen, dass die Jugendlichen lernen, im Team gemeinsam einen Weg zu finden und daran festzuhalten. Dass dann am Schluss alles minutiös funktioniert, ist weniger wichtig. Der Weg ist das Ziel.»

Weiterbildung für Medien und Informatik im Kontext Lehrplan 21

Claudia Fischer, Leiterin „imedias“ an der Pädagogischen Hochschule FHNW

Nur wenige Schülerinnen und Schüler haben heute am Ende ihrer Volksschulzeit bereits Erfahrungen im Programmieren sammeln können, sich mit Fragen des Urheberrechts auseinandergesetzt oder ihr Medienverhalten kritisch untersucht. Zwar haben wohl alle Texte mit einem Computer geschrieben, aber nur wenige haben Formen des kollaborativen Schreibens und Überarbeitens im Netz kennengelernt. Dass man Bildern nicht einfach trauen kann, wissen die Kinder zwar, wirklich verstehen tun sie dies erst, wenn sie eigene Fotos digital bearbeiten.
Der Themenbereich «Medien und Informatik» im Lehrplan 21 greift diese in Zukunft geforderten Kompetenzen auf und geht weit über Nutzung von Textverarbeitungs- und Präsentationsprogrammen oder das Googeln von Informationen hinaus. Schülerinnen und Schüler sollen von Anfang ihrer Schulzeit an das Verständnis von Informatik herangeführt werden, das heisst, dass sie informationsverarbeitende Systeme verstehen und mit Hilfe von Algorithmen Problemlösestrategien entwickeln können. Ebenso muss die Schule ihren Lernenden helfen, sich in der von digitalen Medien geprägten Umwelt mit ihren spezifischen Spielregeln zurechtzufinden.

Bedürfnisgerechtes Angebot

Lehrpersonen sind entsprechend gefordert, sich fachliche und fachdidaktische Kenntnisse zu erwerben, um mit Schülerinnen und Schülern an einer aktuellen Medienkompetenz zu arbeiten.
Hier tritt «imedias» auf den Plan: Die Beratungsstelle für Digitale Medien in Schule und Unterricht unterstützt die individuelle professionelle Entwicklung von Lehrpersonen sowie die Qualitätsentwicklung im System Schule in Bezug auf Medien und Informatik in den Kantonen Aargau und Solothurn. Die Angebote und Dienstleistungen orientieren sich an bildungspolitischen Entwicklungen, am Bedarf der Schulen und an den Bedürfnissen von Lehrpersonen sowie an Forschung und Wissenschaft.

So vielfältig die Themen rund um Medien und Informatik und so unterschiedlich die Bedürfnisse der Lehrerschaft sind, so breit sind die aktuellen Weiterbildungs- und Beratungsangebote. Die Palette reicht von zeitnah wählbaren und kurzen Angeboten, über schulinterne und kursorische Angebote hin zu einem in Planung stehenden CAS «Medien und Informatik unterrichten» oder dem CAS «Pädagogischer ICT-Support PICTS». Als Vorbereitung auf die neue Lektion Medien und Informatik bietet sich der «Grundlagenkurs Medien und Informatik» für Lehrpersonen der Mittelstufe (2. Zyklus) und der Sekundarstufe I (3. Zyklus) an. Hier liegt der Schwerpunkt auf der Informatik als Fachwissenschaft und deren Umsetzung für den Unterricht.

Pädagogischer ICT-Support

Die verschiedenen Angebote geben Lehrpersonen Gelegenheit, sich in einzelne Bereiche zu vertiefen oder mit neuen Technologien zu experimentieren. Ein modulares Kursprogramm unter dem Namen «MIA21» hilft Lehrpersonen, in kleinen Schritten über mehrere Jahre verteilt mit der inhaltlichen Breite der vom Lehrplan 21 gesetzten Inhalten zu Medien und Informatik vertraut zu werden. Ein wichtiger Mosaikstein auf diesem Weg ist für Schulen der pädagogische ICT-Support: Dazu qualifizieren sich Lehrpersonen mit einer vertieften fachlichen Weiterbildung. Sie können ihre Kolleginnen und Kollegen in der Nutzung der digitalen Infrastruktur beraten, kennen aktuelle Problemstellungen rund um digitale Medien und geben Ideen für die Unterrichtsgestaltung weiter.
www.imedias.ch

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