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21.2.2022 | Pädagogische Hochschule

Ausserschulisches Lernen bereichert den Unterricht

In der Nordwestschweiz gibt es ein vielfältiges Angebot an Lernorten ausserhalb des Schulzimmers – eine Online-Plattform bietet einen Überblick

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Ein ausserschulischer Lernort in unmittelbarer Nähe des PH-Studienstandorts Brugg-Windisch: das «Wasserschloss», der Zusammenfluss von Aare, Reuss und Limmat. Foto: Kanton Aargau/BVU

Unterricht muss nicht an der Tür des Klassenzimmers oder am Eingang zum Schulareal enden. Lernorte ausserhalb der vier Wände des Klassenzimmers vermögen einen besonderen Reiz zu entwickeln – für Schülerinnen und Schüler ebenso wie für Lehrpersonen. «Die Schülerinnen und Schüler sind meist motivierter, wenn wir ausserschulische Lernorte nutzen»; sagt Katharina von Arx. Sie ist seit über 40 Jahren als Primarlehrerin tätig – und nützt gerne und regelmässig ausserschulische Lernorte. Aktuell unterrichtet sie in Solothurn Dritt- und Viertklässlerinnen. Auch Barbara Gabathuler, die in Brugg an der Primarschule tätig ist und unter anderem ein Gartenprojekt leitet, ist mit ihren Klassen häufig ausserhalb des Schulzimmers anzutreffen. «Die Organisation und Durchführung von Unterrichtseinheiten an ausserschulischen Lernorten braucht Engagement und bedeutet einen gewissen Mehraufwand, aber dieser lohnt sich allemal», sagt sie.  

Das vielfältige Angebot zum Lernen ausserhalb der Schule stelle eine bereichernde Ergänzung zum Unterricht im Schulhaus dar und ermögliche es, Unterricht mit neuen Inputs zu gestalten. «Jeder Sinn, der angesprochen wird, hinterlässt mehr Spuren bei den Schülerinnen und Schülern», sagt Barbara Gabathuler. Und Katharina von Arx ergänzt: «Der Stoff bleibt den Schülerinnen und Schülern eindeutig besser im Gedächtnis, wenn sie etwas selbst erlebt haben und es nicht nur aus Büchern kennen.» Und nicht nur der Stoff bleibt haften, sondern auch das Erlebnis als solches: «Wenn ich mit ehemaligen Schülerinnen und Schülern über Erinnerungen an die Primarschulzeit spreche, erwähnen sie fast immer Ausflüge zu ausserschulischen Lernorten», so Gabathuler.

Im Lehrplan 21 werden ausserschulische Lernorte bei den Grundlagen zum Fach «Natur, Mensch, Gesellschaft» denn auch explizit erwähnt: «Die Verbindung von Lernen innerhalb und ausserhalb der Schule ist von zentraler Bedeutung. Da Manches nur ausserhalb der Schule sicht- und erlebbar ist, ist es wichtig, ausserschulische Lerngelegenheiten im Unterricht zugänglich zu machen und mannigfache Erfahrungen der Schülerinnen und Schüler mit ihrer Umwelt in den Unterricht zu integrieren.»

Online-Portal mit ausserschulischen Lernorten

Ausserschulische Lernorte können unterschieden werden: Zum einen sind damit ausgewählte Orte gemeint, an denen bereits Lernumgebungen professionell aufgearbeitet und bereitgestellt werden, wie etwa in Museen, Zoos ober bei historischen Stätten. Zum anderen sind es aber auch Orte oder Umgebungen, die durch die Lehrpersonen ausgesucht werden, und an denen entweder die Lehrpersonen selber oder andere Fachleute das schulische Lernangebot erweitern und vertiefen können. «Das bedingt, dass man die nähere Umgebung selber gut kennt», so Gabathuler.

Als Unterstützung für die Lehrpersonen hat das Institut Weiterbildung und Beratung (IWB) der Pädagogischen Hochschule FHNW im Auftrag der «Arbeitsgruppe Lehrplan» des Bildungsraums Nordwestschweiz bereits vor rund drei Jahren ein Online-Portal entwickelt. Unter www.lernorte-nordwestschweiz.ch können Lehrpersonen in der Vorbereitung von Unterrichtssequenzen ausserschulische Lernorte im Bildungsraum Nordwestschweiz auf einer Karte suchen oder nach Fach- und Stufenbezug filtern. Sie erhalten mit einem Klick die relevanten Informationen von der Anreise bis zum Hinweis auf didaktische Materialien vor Ort und können so unkompliziert einen Ausflug oder eine Klassenreise planen, die fachliche und überfachliche Lernziele verbinden.

Angebote in der Umgebung der Studienorte

Das Portal wird laufend vom IWB ergänzt und unterhalten – und zeigt die mengen- und themenmässige Vielfalt der Angebote. Von Biberist bis Kaiserstuhl und von Riehen bis Auw sind ausserschulische Lernorte aufgeführt. Auch in der Aus- und Weiterbildung an der PH FHNW werden ausserschulische Lernorte thematisiert. Dabei zeigen sich auch Vorteile der Studienort Brugg-Windisch, Muttenz und Solothurn. In unmittelbarer Nähe des Campus Brugg-Windisch bieten das Vindonissa-Museum und der Legionärspfad Einblicke in die römische Geschichte. Weiter können das Schloss Habsburg oder das Wasserschloss – der Zusammenfluss von Aare, Reuss und Limmat – samt Auenschutzpark besucht werden und auch das iLab am Paul Scherrer Institut in Villigen ist nahe gelegen. In Muttenz bietet das Jugend Elektronik + Technikzentrum Kurse für Schulklassen an, die Stadt Basel mit ihren zahlreichen Museen und Kulturangeboten ist in unmittelbarer Nähe und die Römer und ihre Geschichte können in Augusta Raurica thematisiert und erlebt werden. Auch Solothurn lockt mit einem umfangreichen Kulturangebot und Sehenswürdigkeiten und in Bellach bietet das Sauriermuseum die Möglichkeit den Blick in die Urgeschichte der Erde zu richten.

Wie gelingt ausserschulischer Unterricht?

Neben den ausserschulischen Lernorten bei Institutionen kann jedoch durchaus auch ein Spaziergang durch den Wohnort das Lernen anregen und den Schülerinnen und Schülern eine andere Perspektive vermitteln. «Mir ist es sehr wichtig, dass die Schülerinnen und Schüler ihr Quartier, ihren Wohnort oder ihre Stadt im Unterricht kennenlernen. Das sorgt für eine Verwurzelung», sagt Katharina von Arx.

Und wie gelingt ausserschulischer Unterricht? «Wichtig ist aus meiner Sicht, dass man die Klasse gut kennt», sagt Katharina von Arx. «Und es hilft bereits im Vorfeld im Schulzimmer zu klären, welche Regeln gelten. Wichtig ist, dass die Lehrperson auch draussen leitet.» Weiter sei auch wichtig, genügend Zeit für den Besuch eines ausserschulischen Lernortes einzuplanen, so von Arx. «Ich achte darauf, dass ich mit der ganzen Klasse einen Vormittag Zeit habe. So bleibt genügend Zeit, um auf alle Fragen zu antworten und auch mal noch einen Umweg zu gehen.».» Neben diesen Punkten führt Barbara Gabathuler noch weitere an. «Wichtig ist, dass der Besuch von ausserschulischen Lernorten stets im Unterricht eingebettet ist. Es braucht eine gute Vor- und Nachbereitung. Das hilft auch, um Spannungsbögen aufzubauen und die Neugier der Kinder bereits im Vorfeld zu wecken.»

- Marc Fischer - 

Weiterbildungen an der PH FHNW

Das Institut Weiterbildung und Beratung der PH FHNW hält nicht nur die Plattform www.lernorte-nordwestschweiz.ch aktuell, sondern bietet auch Kurse zu ausserschulischen Lernorten an. «Wald tut gut», «Gärtnern mit Kindern», oder «Einstieg bilingualer Unterricht: on arrive!» (mit Unterrichtshospitation in Neuenburg) sind nur ein paar Beispiele. Zudem ist mit Start im März 2022 erstmals der CAS Ausserschulische Lernorte geplant.

Zu den Weiterbildungen

Ausserschulische Lernorte bieten Primärerfahrungen für alle

Peter Keller, Dozent Professur Didaktik des Sachunterrichts, Institut Primarstufe, PH FHNW

Draussen auf einem schnurgeraden Landwirtschaftsweg macht sich eine Primarschulklasse daran, mit ausrollbaren Meterbändern einen Kilometer abzumessen. Zuvor bat der Lehrer die Schülerinnen und Schüler die Länge zu schätzen. Die geschilderte Situation stammt aus meiner eigenen Schulzeit und hat sich mir eingeprägt. Noch heute schätze ich gerne und treffsicher Distanzen im Realraum. Unterricht, der an sogenannten ausserschulischen Lernorten stattfindet, hat einen hohen Erinnerungswert und gilt als nachhaltig. Wenn Studierende an der PH FHNW oder andere befragte Erwachsene von Primarschulerfahrungen im Fachbereich NMG (Natur, Mensch, Gesellschaft; vormals Realien bzw. Sachunterricht) erzählen, dann werden häufig Erlebnisse an ausserschulischen Lernorten erwähnt.

Meine eigenen Kinder durften kürzlich in der 3. Klasse ein Streckenmessrad von der Schule ausleihen, um damit ihren Schulweg zu messen. Anschliessend haben sie mittels Tablet auf einer Karte von swisstopo nachgemessen: 860 Meter. Vermutlich werden sie die Zahl nicht so schnell vergessen. Ob die Distanz mit Messband, Laufrad oder digitalem Trackingsystem gemessen wurde, spielt natürlich keine Rolle. Entscheidend für das Vorstellungsvermögen ist das Agieren im Realraum.

Vielfältiges Angebot, Beitrag zur Chancengleichheit

Das Ziel von «Natur, Mensch, Gesellschaft» ist die Erschliessung der eigenen Umwelt, wobei es ein Widerspruch wäre, wenn dies unter Ausschluss des eigentlichen Gegenstandes nur im Schulzimmer geschehen würde. Das eingangs geschilderte Beispiel findet an einem verhältnismässig einfach nutzbaren Lernort, der Schulhausumgebung, statt, und dies bringt keinerlei Kosten mit sich. Die Fülle möglicher ausserschulischer Lernorte ist allerdings unerschöpflich und schliesst etwa Museen, Naturräume, Betriebe oder zoologische Gärten mit ein. Für den Bildungsraum der Nordwestschweiz sind unter www.lernorte-nordwestschweiz.ch solche zusammengetragen worden (vgl. auch Artikel oben).

Unterricht an vielfältigen ausserschulischen Lernorten ermöglicht unter dem Gesichtspunkt der Chancengleichheit allen Schulkindern Primärerfahrungen, verbunden mit emotionalen, affektiven und kognitiven Effekten. Von der Unterrichtsforschung ist die Wichtigkeit authentischer Aufgabenstellungen für den Lernerfolg nachgewiesen worden, was in der realen Umwelt gut eingelöst werden kann. Eine Direktbegegnung, welche die nötige Zeit und Musse für Beobachtungen lässt, fordert dabei Fragen heraus, was hoher kognitiver Aktivierung entspricht. Wer sich etwa mit Kindern darauf einlässt, einmal auf einem Bauernhof Kühe zu erkunden, wird mit einer Fülle von Fragen und Vermutungen konfrontiert, die im Schulzimmer kaum zu gewinnen wären. Diesen Fragen und Hypothesen kann oft nur direkt vor Ort nachgegangen werden. Dabei werden sogenannte instrumentelle Unterrichtsziele verfolgt, wenn es darum geht, bestimmte Methoden und Handlungsweisen zu erlernen - etwa Verhaltensbeobachtungen (z.B. von Kühen in einem Gehege) oder das naturwissenschaftlich zentrale Messen verbunden mit Fragen der Messgenauigkeit.

Soziales Lernen wird gefördert

Der Einsatz von ausserschulischen Lernorten hat ein grosses Potenzial für die Entwicklung von überfachlichen Kompetenzen, weil Exkursionen und Lehrgänge in hohem Masse soziales Lernen fördern. Entscheidend für die schulische Nutzung von Orten ausserhalb des Klassenzimmers ist die Zielorientierung von Unterricht sowie die Integration in einen Unterrichtsablauf. Genau dies beabsichtigt die Primarschulausbildung der PH FHNW, wenn Studierende aktiv in Lehrveranstaltungen auf die Potenziale ausserschulischer Lernorte hin ausgebildet werden.

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