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Berufswunsch flammte auf: Lehrperson

Ob für die Spitzensportlerin oder den Feuerwehrmann – der Lehrberuf ist eine attraktive Laufbahnoption.

9.10.2019 | Pädagogische Hochschule

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Gelungener Berufswechsel: Früher war Damien Frei Feuerwehrmann, heute ist er Primarlehrer. Foto: Dominique Zahnd.

Damien Frei hat schon Vieles im Leben gemacht. Er lernte Bauzeichner und fuhr Lastwagen, er war eine Weile als Kaufmann tätig und dann 18 Jahre bei der baselstädtischen Berufsfeuerwehr. Seit diesem Frühling ist Damien Frei frisch gebackener Primarlehrer. Über den «Quereinstieg» an der Pädagogischen Hochschule FHNW ist ihm dieser Schritt gelungen. Jetzt steht der 46-Jährige vor seinen Sechstklässlern, Kurzarmhemd, Sneakers an den Füssen, ein fröhliches Lachen im Gesicht. «Wir beginnen mal sportlich mit Kopfrechnen», sagt der Lehrer und projiziert eine Reihe von Aufgaben an die Leinwand. Malrechnen, Plus und Minus – das fällt den Kindern leicht. Aber wie teilt man eine ganze Zahl durch einen Bruch? Und wie ging das nochmals mit Teiler und Nenner? Wache Augen schauen nach vorne, Bleistifte fliegen über die Hefte und notieren Lösungswege, dazwischen hört man von den Kindern immer wieder: «Ich hab’s!»

Von der Berufsfeuerwehr vor die Klasse

Nach der Stunde erzählt Damien Frei von seinem Werdegang. «Während meiner Zeit in der Berufsfeuerwehr machte ich den eidgenössischen Fachausweis zum Ausbildner – das war mein erster Ausflug in die Bildungswelt», erzählt er. Dann startete er ein eigenes Projekt, die «Feuerschule». Er wollte Kindern das Vertrauen und den sicheren Umgang mit Feuer beibringen, über 800 «Feuerhüterinnen und Feuerhüter» hat er ausgebildet. «Dort hat es mich gepackt», sagt Damien Frei, «ich merkte, wie sehr ich die Arbeit mit Kindern liebe. Ich begann davon zu träumen, Lehrer zu werden.»

Schliesslich wagte er es. Seine eigenen Kinder waren aus dem Gröbsten raus, er selbst in der Mitte des Arbeitslebens – der Zeitpunkt war günstig. An der Pädagogischen Hochschule FHNW bewarb sich Frei für den Zugang zum Studium. Mit seiner Lehre und der langjährigen Berufserfahrung im Rucksack erfüllte er die Kriterien für den «Quereinstieg», das Zulassungsverfahren bestand er ebenfalls. Frei studierte berufsbegleitend im Teilzeitstudium. Daneben arbeitete der Familienvater weiterhin bei der Feuerwehr. «Das war schon anstrengend», erzählt er lachend, «aber ich wollte das unbedingt durchziehen.» Damien Frei hat es geschafft. «Ja, ich bin angekommen», sagt er fröhlich.

Bogenschiessen trainieren und studieren

Neben dem «Quereinstieg bietet» die Pädagogische Hochschule weitere Optionen für Personen mit einer speziellen Biografie – etwa für Spitzensportlerinnen und -sportler, die gleichzeitig ein Studium absolvieren möchten. «Uns liegt viel daran, für diese Laufbahn Hand zu bieten», sagt PH-Studienberaterin Franziska Mutter. Konkret: Die Hochschule ermöglicht die «duale Karriere von Spitzensport und Studium». Studierende, denen dieser Status attestiert wird, profitieren beispielsweise von einer reduzierten Präsenzpflicht. Ausserdem wird ihnen ein «PH-Coach» zur Seite gestellt. «Wir haben die Erfahrung gemacht, dass unsere Spitzensportlerinnen und -sportler top organisiert sind und das Studium sehr sorgfältig angehen», sagt Franziska Mutter. Es sei ein «echt tolles» Angebot, das sehr geschätzt werde.

Das bestätigt Olga Fusek, PH-Studentin im dritten Semester und Spitzensportlerin im Bogenschiessen. Fusek ist achtfache Schweizer Meisterin, seit vier Jahren in der Nationalmannschaft, sie trainiert pro Woche 25 bis 30 Stunden und bestreitet internationale Wettkämpfe. Vor allem Letztere kamen ihr im ersten Studienjahr öfters mal in die Quere – die Wettkampfwochen fielen zum Teil mitten in die Vorlesungszeit. «Also fragte ich letzten Winter bei der Institutsleitung an, ob ich ausnahmsweise mal fehlen dürfe«, erzählt die 20-Jährige. Dank dem Angebot «Studium und Spitzensport» der PH FHNW erhielt Olga Fusek den Status «Spitzensportlerin» zugesprochen.

Seither ist sie ihre Sorge los, wie sie Bogenschiessen und Studium unter einen Hut bringen soll. Die Studiendauer wird sie voraussichtlich auf vier Jahre ausdehnen. Lehrveranstaltungen besucht Fusek so oft wie möglich, doch zwischendurch fehlt sie, weil Trainingslager oder Wettkämpfe auf dem Programm stehen. Also lernt sie in Eigenregie, und: «Mein PH-Coach hilft mir, den Lernstoff eines Semesters samt Prüfungen zu organisieren.» Zurzeit absolviert die Studentin das sogenannte Partnerschulpraktikum, das heisst an zwei Halbtagen pro Woche ist sie Praktikantin an einer Schule. «Ich habe genau den Praktikumsplatz bekommen, den ich mir gewünscht habe.» Alles in allem sei das PH-Angebot «extrem» entgegenkommend - «mehr kann man sich gar nicht wünschen.»

Teilzeit arbeiten und studieren

Dass sich ein PH-Studium auch mit Teilzeitarbeit kombinieren lässt, zeigt das Beispiel von Dominique Huber. Die 24-Jährige hatte ursprünglich eine Banklehre gemacht und zwei Jahre lang in diesem Beruf gearbeitet. Sie hatte mit Kunden zu tun, bewegte sich in einem kompetitiven Umfeld und lernte, auch in schwierigen Situationen professionell zu reagieren. «Es gefiel mir», erzählt Huber. «Doch dann flammte ganz plötzlich mein erster Berufswunsch wieder auf: Lehrerin.»

Dominique Huber studiert zurzeit im 5. Semester. Während der ersten beiden Studienjahre hat sie jeweils einen Tag auf der Bank gearbeitet, «um ein Einkommen zu generieren». Und jetzt ist sie bereits mit einem 40-Prozent-Pensum als Lehrerin an einer Primarschule im Einsatz. In einer gemeinsamen Erklärung hat die Pädagogische Hochschule mit dem Berufsfeld und den Kantonen festgehalten, dass Studierende bereits während des Studiums den Einstieg in einem Teilpensum machen können. So sammeln angehende Lehrpersonen erste Erfahrungen, die sie im Studium reflektieren und anreichern können. Von diesem Austausch profitieren sowohl Studium als auch Berufsfeld.
«Die Arbeit mit den Kindern macht mir sehr grosse Freude», erzählt Dominique Huber, «und nach zwei Jahren Studium fühle ich mich mega bereit, eine Klasse zu führen.» Dazu habe bestimmt auch beigetragen, dass sie vor der Schule bereits einen Beruf gelernt habe. Sie würde es wieder so machen.

- Irène Dietschi -

Mit berufsbiografischer Kompetenz die eigene Zukunft aktiv gestalten

Katrin Kraus, Leiterin des Instituts Weiterbildung und Beratung der Pädagogischen Hochschule FHNW

Die Portraits der drei Personen haben bei aller Unterschiedlichkeit der Lebens- und Berufswege eine Gemeinsamkeit: Sie zeigen etwas, das man mit dem Fachbegriff «berufsbiographische Gestaltungskompetenz» bezeichnet. Was ist hierunter zu verstehen?
Es geht um die Berufsbiographie der Personen, das heisst, es geht um Fragen von Berufswahl und dem Verlauf der eigenen Entwicklung im Beruf, um beruflichen Aufstieg und Berufswechsel oder Spezialisierungen. Diese Berufswege sind auch verbunden mit ‘dem ganzen Menschen’ – wir sind nie nur Berufsperson, sondern auch Menschen mit unterschiedlichen Interessen, sozialen Beziehungen, Erfahrungen, Werten und Möglichkeiten.

Lebensweg und Berufsentwicklung

Daher verschränken sich im Begriff der Berufsbiographie zwei Dimensionen: der je individuelle Lebensweg und die berufliche Entwicklung sind in diesem Begriff miteinander verflochten. Der Begriff der Gestaltungskompetenz weist darauf hin, dass die Personen hier selbst gestaltend tätig sind und nicht einfach vorgegebenen Wegen folgen. Gestalten bedeutet, dass man etwas hervorbringt, dass man dazu Voraussetzungen schafft, Möglichkeiten evaluiert, Ressourcen mobilisiert, Chancen nutzt und Entscheidungen trifft, deren Umsetzung man planvoll und zielorientiert angeht. Die Entscheidung für den Lehrberuf, den die drei Personen getroffen haben, ist ein solcher Entscheid, der sorgfältig umzusetzen ist.

Synergien finden

Ein Engagement im Spitzensport – wie auch im politischen Bereich oder der Zivilgesellschaft – stellt aussergewöhnliche Anforderungen an die Berufswahl und die Qualifizierung für den Beruf. Es gilt dabei über eine gute Organisation und in der Regel hohe Selbstdisziplin zwei unterschiedliche Entwicklungswege biographisch miteinander zu verbinden: Das jeweilige Engagement, das zeitweise einen grossen Teil der Kapazitäten bindet, und die berufliche Qualifizierung respektive Berufstätigkeit, die vor allem in einer längerfristigen Perspektive von grosser Bedeutung ist. Diese Herausforderung aktiv anzugehen und Synergien zwischen beiden Bereichen zu finden, ist eine Aufgabe, für die es eine ausgeprägte Gestaltungskompetenz braucht.

Mutiger Wechsel

Der Wechsel eines Berufes stellt einen anderen Aspekt der «berufsbiographischen Gestaltungskompetenz» ins Zentrum. Ein erster wichtiger Schritt bei einem Berufswechsel ist die Auseinandersetzung mit dem bisher ausgeübten Beruf und die folgenreiche Entscheidung, diesen Beruf zugunsten eines anderen zu verlassen. Dieser Schritt erfordert in einer Gesellschaft, in der die berufliche Ausbildung in der Regel im jungen Erwachsenenalter erfolgt, Mut und Entschlossenheit. Denn mit einem reichen Schatz an Erfahrungen sowie in der Regel aus einer etablierten beruflichen Position heraus begibt man sich dabei wieder in die Position der Anfängerin respektive des Anfängers. Diese gilt es zunächst anzunehmen, damit man sich im neuen Beruf baldmöglichst die entsprechenden Kompetenzen für eine erfolgreiche Berufstätigkeit aneignen und diese dann auch ausüben kann.
Die eingangs erwähnte «berufsbiographische Gestaltungskompetenz» ist also etwas, das keineswegs selbstverständlich oder nur zu Beginn der beruflichen Entwicklung notwendig ist. Es braucht vielfältige Kompetenzen, um den eigenen Lebens- und Berufsweg aktiv zu gestalten, sich zu entscheiden respektive neue Entscheide zu treffen und diese auch umzusetzen. Diese Kompetenzen sind auch in der Ausübung des Lehrberufs gefragt und Grundlage für die weitere Gestaltung dieses beruflichen Weges, etwa in der Übernahme von Funktionen im Schulhaus oder der Spezialisierung über Weiterbildung.

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