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Das gute Gefühl, etwas zu erarbeiten, das anderen nützt

13.2.2020 | Pädagogische Hochschule

Wer das Grosse verstehen will, muss es zuerst im Kleinen begreifen. Studierende der PH FHNW in Solothurn zeigen, dass der Garten in diesem Kontext ein vielversprechender Lernort ist. Am Beispiel der Kartoffel haben sie Unterrichtsmaterial zum Thema Artenvielfalt  erarbeitet.

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Das Kapuzinerkloster und die Pädagogische Hochschule laden zum «Kartoffelnpflanzen» ein. Eine Schulklasse aus Solothurn besuchte den «BildungsSortenGarten».

Klimawandel, Welternährung, Migration oder soziale Ungleichheiten sind Themen, die uns bewegen. Und sie zeigen, wie eng wirtschaftliche, gesellschaftliche und ökologische Prozesse zusammenhängen. Wer diese Dynamik besser verstehen will, muss sich mit ihren Puzzlestücken auseinandersetzen – auch in der Schule. Entsprechend formuliert der Lehrplan 21 Bildung für eine nachhaltige Entwicklung (BNE) als zentrales Anliegen.

Das erklärte Ziel einer nachhaltigen Entwicklung ist demzufolge, «allen Menschen innerhalb der ökologischen Belastbarkeitsgrenzen unseres Planeten ein gutes Leben heute wie morgen zu ermöglichen». BNE rückt die Beziehung zwischen globalem und lokalem Kontext ins Zentrum, Fragen, die unseren Alltag betreffen, aber in ihrer Bedeutung weitreichender sind: Was landet auf unserem Teller? Wie gehen wir mit unterschiedlichen Menschen um? So sollen Kinder ihren Blick für die Zusammenhänge globaler Herausforderungen schärfen und später in der Lage sein, eine zukunftsfähige Entwicklung mitzugestalten.

Das Grosse im Kleinen verstehen

Das grosse Ganze wurzelt bekanntlich im Kleinen – im Garten, zum Beispiel. In der Erde wächst, was uns ernährt: etwa die Kartoffel, eine der beliebtesten Schweizer Nutzpflanzen. An ihrem Beispiel haben Studierende der PH FHNW in Solothurn eine BNE-Unterrichtseinheit zum Thema Artenvielfalt erarbeitet. Im Rahmen einer Service-Learning-Veranstaltung am Institut Kindergarten-/Unterstufe setzten sie sich zunächst theoretisch mit BNE und Schulgartenarbeit auseinander und entwickelten auf dieser Grundlage Unterrichtsmaterial für sieben Lektionen und eine Exkursion zum «BildungsSortenGarten» im ehemaligen Kapuzinerkloster Solothurn. Dort sollten die Kinder Kartoffeln ernten und in der Klosterküche gemeinsam kochen. «Die Kartoffel ist ein passender Lerngegenstand, weil sie einen direkten Bezug zur Lebenswelt der Kinder hat», sagen Marlene von Arx und Carole Schreiber, zwei von fünf Studierenden, die die Unterrichtseinheit entwickelt haben.

Unterschiedliche Perspektiven kennenlernen

In den ersten Lektionen nähern sich die Kinder der heimischen Knolle mit Bilderbüchern und Liedern, die Herkunftsgeschichte und Wachstumsprozess der Pflanze thematisieren. Mit den verschiedenen Bezeichnungen, die die Kartoffel im Schweizer Dialekt und in anderen Sprachen hat, kommt auch die Artenvielfalt ins Spiel. «Die Kinder erkennen, dass die Kartoffel nicht nur viele Namen, sondern auch unterschiedliche Sorten hat», sagt Schreiber. Die Leitfrage, welches die «beste» Kartoffel sei, führt als roter Faden durch alle Lektionen.

«Eine BNE-Unterrichtseinheit», halten die Studierenden fest, «geht von einer Fragestellung aus, die nicht einfach mit Ja oder Nein beantwortet werden kann.» Ab der vierten Lektion treten denn auch Figuren auf den Plan, die ganz unterschiedliche Antworten haben. Da ist etwa Frau Kraut, die Biologin. Für sie ist die beste Kartoffel diejenige, die nicht überzüchtet und so angebaut wurde, dass sie nicht den Lebensraum anderer Arten gefährdet. Oder Herr Löffel, der Koch, der die Kartoffel bevorzugt, die beim Schälen wenig Abfall produziert. Für Herrn Knolle, den Bauern, gibt die beste Kartoffel möglichst grosse Erträge. Mit jedem der drei Protagonisten lernen die Kinder eine unterschiedliche Perspektive zur Leitfrage kennen. «Sie erkennen, dass Produktion und Konsum von Nahrungsmitteln von unterschiedlichen Interessen verschiedener Akteure beeinflusst werden», sagt von Arx.

Das Projekt motivierte alle

Eine neue Erfahrung bot sich mit diesem projektartigen Modul nicht nur für die Studierenden, sondern auch für Hanspeter Müller, Dozent an der Professur für Bildungstheorien und interdisziplinären Unterricht, der die einsemestrige Veranstaltung begleitete. «Ich war skeptisch», sagt er. «Normalerweise bin ich es, der die Lerninhalte strukturiert, diesmal aber war ich nur im theoretischen Teil als Vermittler gefragt. In der praktischen Umsetzung hatte ich lediglich eine beratende Funktion. Die Studierenden bestimmten Inhalte und Form in Eigenregie, der Prozess war völlig ergebnisoffen.» Gerade dieses eigenverantwortliche Handeln, sagt Studentin von Arx, habe sie begeistert: «Für einmal konnten wir selber entscheiden, mit welchen Inhalten wir die Sitzung füllen. Über allem stand das gute Gefühl, etwas zu erarbeiten, das anderen nützen wird.»

Die Arbeitshaltung der Studierenden habe ihn beeindruckt, sagt Müller, «der Projektcharakter dieser Veranstaltung motivierte uns alle». Von einem «Seminar auf Augenhöhe» spricht Schreiber: «Wir wurden vom Dozenten eher gecoacht als unterrichtet. Wir erarbeiteten Wissen gemeinsam und mussten uns aufeinander einlassen. Und am Ende hatten wir etwas Handfestes erarbeitet, das man gebrauchen und weitergeben kann.» In diesem Fall freuen sich die Praxispartner vom Kapuzinerkloster, dass sie mit dem entstandenen Unterrichtsmaterial den «BildungsSortenGarten» Schul- und Kindergartenklassen als vielfältigen Lernort präsentieren dürfen.

- Virginia Nolan ist freie Journalistin -


Lernen durch Engagement

Service-Learning ist eine Lehr- und Lernform, die gesellschaftliches Engagement von Studierenden («Service») mit fachlichem Lernen («Learning») verbindet. Dabei engagieren sich Studierende im sozialen, kulturellen, politischen oder ökologischen Bereich für das Gemeinwohl. Das geschieht in Verbindung mit Praxispartnern und gestützt auf projektorientierte und kooperativ gestaltete Lehrveranstaltungen.

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Lernen im Klostergarten

Im ehemaligen Kapuzinerkloster in Solothurn entsteht auf über 1000 Quadratmetern der «BildungsSortenGarten», ein Projekt der Firma Artha Samen, des Kapuzinerklosters Solothurn und der PH FHNW. Der Garten ist als transdisziplinärer Lernort angedacht – sowohl für Studierende, die hier Lerninhalte für Schulgartenarbeit entwickeln, als auch für Schülerinnen und Schüler, an die solche Unterrichtsinhalte gerichtet sind.

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