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22.11.2021 | Pädagogische Hochschule

«Es ist ein unglaublich schöner Beruf»

Männer sind als Lehrpersonen auf der Primarstufe in der Unterzahl. Drei (angehende) Primarlehrer sagen, warum sie den Beruf gewählt haben und was ihnen daran gefällt.

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Fabian Hug unterrichtet als Primarlehrer und sagt: «Ein etwas höherer Männeranteil in Primarschulen wäre wünschenswert.» Foto: Marc Fischer

«Als ich mich für das Studium zum Primarlehrer entschieden habe, löste das in meinem Umfeld doch einige Verwunderung aus», sagt Fabian Hug. Wer nun denkt, die Verwunderung sei dadurch ausgelöst worden, dass er als Mann den Beruf als Primarlehrer ergreift, irrt. Sie hängt vielmehr mit dem Umbruch in Fabian Hugs Leben zusammen. «Ich war zuvor als Informatiker tätig, da ist ein solcher Wechsel tatsächlich nicht alltäglich, glaube ich», erklärt Hug.

Alltäglich ist es auch nicht, dass Männer an Primarschulen unterrichten. Im Schuljahr 2019/20 waren rund 83 Prozent der Lehrpersonen, die in der Schweiz in den 1. bis 6. Klassen unterrichteten, Frauen, wie das Bundesamt für Statistik erhoben hat. Ein weiterer Blick in die Statistik zeigt, dass der Männeranteil seit dem Schuljahr 1993/94 stetig sinkt. Betrug er vor 28 Jahren noch rund einen Drittel, ist es heute noch gut ein Sechstel. Im Kindergarten, der mit der Einführung des Lehrplan 21 zum Zyklus 1 der Primarstufe gehört, pendelte sich der Frauenanteil in der gesamten Zeitspanne zwischen 94 und 99 Prozent ein.

Gute Erfahrungen in eigener Schulzeit

Doch was hat Fabian Hug zu seinem Berufswechsel bewogen? «Der Entscheid ist mit der Zeit gereift», sagt er. Zum einen lerne er gerne Neues und arbeite gerne mit Menschen. «Hinzu kamen Erlebnisse mit Kindern am Zukunftstag. Ich habe gemerkt, dass Kinder spontan und interessiert viele und gute Fragen stellen und es ist gar nicht so einfach, die Zusammenhänge dann auch kindgerecht zu erklären.» Als es in seiner Firma zum Umbruch kam, orientierte sich dann auch Hug neu – und begann sein Primarlehrerstudium an der PH FHNW. Mittlerweile hat er dieses mit Bravour abgeschlossen, arbeitet in einem kleinen Pensum an einer Primarschule und studiert parallel dazu Erziehungswissenschaften im Master an der Uni Zürich.

Vielfältige Arbeit, sichtbare Fortschritte

«Aktuell hat es nur wenige Männer in unserem Lehrer*innenzimmer», sagt Hug. «Ich bin aber der Meinung, dass es für die Kinder wertvoll ist, wenn sie sowohl von Frauen, als auch von Männern unterrichtet werden.» Auch für Raginth Thiruchelvam ist klar: «Der Primarlehrberuf ist ein Beruf für alle Geschlechter.» Der angehende Primalehrer studiert an der PH FHNW. Aktuell ist er im fünften Semester und hat gerade das erste fixe Teilpensum übernommen. «Für mich war schon im Gymnasium klar, dass ich einen pädagogischen Beruf ergreifen möchte. Ich habe selbst sehr gute Erinnerungen an meine Schulzeit und auch danach immer gerne mit Kindern gearbeitet und viele Nachhilfestunden gegeben.» Argumente für seinen künftigen Beruf gebe es viele, betont der angehende Primarlehrer: «Die Arbeit ist vielfältig und abwechslungsreich. Kein Tag ist wie der andere. Als Primarlehrer darf und muss ich viele Fächer abdecken, bin dank der Unterstützung aus dem Schulteam nicht auf mich allein gestellt und habe im Zeitmanagement dennoch viele Freiheiten.»

Marian Kretzer, der aktuell im dritten Semester an der PH FHNW studiert, fügt Thiruchelvams Argumenten noch weitere hinzu: «Man kann den Kindern viel weitervermitteln. Schulstoff ebenso wie Werte. Und man sieht wohl auf keiner Stufe so unmittelbare Fortschritte bei den Kindern. Zudem geben sie einem stets ein ehrliches Feedback.» Kretzer hat wie Hug vorher bereits einen anderen Beruf erlernt. «Ich habe den ‘Umweg’ übers KV genommen», sagt er. «Dabei war Primarlehrer eigentlich stets mein Traumberuf, nicht zuletzt, weil ich in der Primarschule einen Lehrer hatte, der mir sehr geholfen hat und so auch prägend für mich war.»

Tatsächlich könnten solche Vorbilder ein Ansatz sein, um die Anzahl der Männer im Primarlehrberuf zu erhöhen, sagt Fabian Hug. «Wir müssen sichtbarer werden, damit Jugendliche die Berufsoption Primarlehrer erkennen. Ich persönlich dachte als Jugendlicher in der Wirtschaftsmittelschule (WMS) und der Kanti gar nicht daran, dass dies eine Möglichkeit sein könnte.» Weiter könnte man beispielsweise bei Sportvereinen oder Jugendorganisationen wie der Pfadi, der CEVI oder der Jubla den Beruf bewerben, so Hug. Dort gebe es schliesslich viele männliche Jugendliche in Leitungs- oder Trainerfunktionen. Grundsätzlich würde er es begrüssen, wenn Interessierte – Männer wie Frauen – vor der Studienwahl in Primarschulen «schnuppern» könnten. Für ihn ist zweierlei klar: «Ein etwas höherer Männeranteil in Primarschulen wäre wünschenswert.» Und: «Es ist ein unglaublich schöner Beruf.»

Buben freuen sich über männliche Lehrpersonen

Gerade die Buben freuten sich, wenn sie von Männern unterrichtet würden, sagt Marian Kretzer. Das habe jedenfalls die Klassenlehrerin in seinem ersten Praktikum – in dem er gemeinsam mit einem Tandempartner unterrichtete – als Feedback von ihrer Klasse erhalten. Eine ähnliche Rückmeldung gab es auch bei Raginth Thiruchelvam. «Während des Unterrichts selbst habe ich aber nicht festgestellt, dass die Schüler oder Schülerinnen auf mich anders reagiert hätten als auf meine Tandempartnerin im Praktikum.» Und Fabian Hug betont: «Ich hatte nie ein Akzeptanzproblem, weder in den Klassen noch in den Kollegien.» Gerade im Lehrpersonenzimmer gebe es öfters einen interessanten Austausch. «Wenn dort unterschiedliche Meinungen diskutiert werden, ist es aber schwierig festzustellen, ob diese geschlechterspezifisch sind oder einfach auf persönlichen Ansichten fussen.»

Warum der Lehrerinnenanteil auf Primarstufe stetig ansteigt, dafür führen die drei (angehenden) Lehrpersonen unterschiedliche Gründe an. Eine Möglichkeit sei, dass Männer den finanziellen Aspekt und die begrenzten Aufstiegschancen stärker gewichten als Frauen, sagt etwa Raginth Thiruchelvam. Auch Marian Kretzer führt die ökonomischen Aspekte an. Er sagt aber auch: «Für mich ist der grosse Unterschied in der Geschlechterverteilung ein Stück weit unverständlich. Ich habe den Primarlehrberuf nie als Frauenberuf erlebt.» Fabian Hug sieht die finanziellen Gründe und die Entwicklungsperspektiven ebenfalls als bedeutende Motive – und hat hier gleich einen Verbesserungsvorschlag: «Vielleicht wäre es ja möglich, mehr Masterstudiengänge für Primarlehrpersonen zu öffnen und dementsprechend besser ausgebildete Personen auch besser zu bezahlen. Das wäre vermutlich nicht nur für Männer attraktiv.»

- Marc Fischer -

Primarlehrperson heute

Claudia Crotti, Leiterin Institut Primarstufe, PH FHNW

Jedes Jahr im September starten in der Nordwestschweiz an den Standorten Brugg-Windisch, Muttenz und Solothurn zahlreiche Studierende ihre Ausbildung zur Primarlehrperson. Das Studium erfreut sich hoher Nachfrage. «Lehrerin oder Lehrer werden» ist attraktiv. Was sind die Gründe dafür? Was zeichnet diesen Beruf aus? Was macht ihn einmalig?

Ein zentraler Grund für die Attraktivität des Lehrberufs liegt in seiner sinnstiftenden Ausrichtung. Gleichzeitig ist es eine sehr intensive, anspruchsvolle und befriedigende Tätigkeit, Schüler*innen in ihrem Lernen zu fördern. Lehrpersonen bilden Schüler*innen aus, die nachfolgende Generation und damit die Bürger*innen von morgen. Der Lehrberuf ist so eng mit einem gesellschaftlichen Engagement verbunden. Hinzu kommt, dass die Lehrtätigkeit in ihrer konkreten Ausgestaltung überaus vielgestaltig und herausfordernd ist. Kein Tag gleicht in seinem Ablauf einem anderen, auch wenn sich die Unterrichtsgegenstände und -themen im Längsschnitt wiederholen.

Es braucht Fachkompetenz und Kreativität

Unterrichten, Erziehen, Beraten, Einführen neuer Themen, etwas in Bewegung bringen, Kreativität, Flexibilität sind einige zentrale Tätigkeitsfelder und -aspekte des Lehrberufs. Primarlehrpersonen begleiten, fördern und unterstützen Schüler*innen von der 1. bis zur 6. Klasse auf ihrem Lern- und Lebensweg. Die Qualität des Unterrichts beeinflusst die Entwicklung der Kinder, deren Fertigkeiten, Kompetenzen und Haltungen. Die Verschiedenheit der Schüler*innen sowie die soziale, sprachliche und kulturelle Heterogenität der Schulklassen sind Bereicherung und Herausforderung zugleich. Primarlehrer*innen sind einerseits fachlich, andererseits kreativ sehr gefordert. Lernprozesse auf sehr unterschiedliche Weise zu initiieren, um den verschiedenen Dispositionen der Schüler*innen zu entsprechen, setzt Fachkompetenz und Kreativität voraus. Ziel ist die bestmögliche Unterstützung der Schüler*innen in ihrem Lernen, ausgehend von ihren individuellen Entwicklungsmöglichkeiten. Lehrpersonen sind so primär an der Entwicklung und den Fortschritten ihrer Schüler*innen interessiert.

In dieser Aufgabe sind Primarlehrpersonen eingebunden in multiprofessionelle Teams. Der Unterricht wird von verschiedenen Lehrpersonen mit unterschiedlichen fachlichen Qualifikationen geplant, durchgeführt und ausgewertet. Primarlehrpersonen sind keine Einzelkämpfer*innen mehr, vielmehr entwickeln und reflektieren sie heute im Team den Unterricht und die Entwicklung und Förderung der Schüler*innen. Lehrpersonen unterstützen sich so in ihrer Tätigkeit gegenseitig, zugleich lernen sie voneinander. Die Schüler*innen ihrerseits werden von unterschiedlichen Lehrpersonen wahrgenommen und gefördert.  

«Am Puls der Zeit»: Attraktiv für Männer und Frauen

Die Lehrtätigkeit folgt klaren Strukturen, lässt aber Lehrpersonen zugleich viel Spielraum, Autonomie und Eigenständigkeit, die es zu gestalten gilt. Gute Entschädigungen, sichere Anstellungen und verschiedene Arbeitszeitmodelle tragen zusätzlich zur Attraktivität des Berufs bei, sowohl für Männer wie für Frauen. Primarlehrpersonen bewegen sich in unterschiedlichsten Themenfelder, sei dies in einer Fremdsprache, in Bewegung und Sport, im kreativen, musischen oder digitalen Bereich. Diese thematische Vielfalt setzt Neugier voraus, Freude am Lernen und Freude am Wissen. Ein breit gefächertes Weiterbildungsangebot unterstützt Primarlehrpersonen in ihrer Fortbildung. So betrachtet arbeiten Primarlehrpersonen thematisch am «Puls der Zeit» und blieben stets «à jour». Weiterführende Qualifikationsmöglichkeiten im Bereiche Schule und Bildung eröffnen neue Tätigkeitsbereiche und Laufbahnoptionen, etwa als Praxislehrperson oder in einer Schulleitung. Allenfalls lockt auch ein Masterstudium für eine vertiefende Qualifikation und ehemalige Primarlehrpersonen bilden ihrerseits zukünftige Primarlehrer*innen aus. Die weiterführenden Wege sind vielseitig und für Männer und Frauen attraktiv.

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