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17.6.2019 | Pädagogische Hochschule

Spielfreude weckt Lust aufs Programmieren

Studierende der PH programmieren mit Schulklassen im Stadtmuseum Aarau.

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Spielerisch Spiele programmieren: Luzia Soliva, Studentin der PH, zeigt den Schülerinnen und Schülern aus Trimbach wie’s geht. Foto: André Albrecht.

Die Heldin heisst Kim, erinnert an ein Lego-Männchen und hat einen Auftrag: Sie soll geheime Dokumente beschaffen und dafür feindliches Territorium überqueren. Immer wieder rücken kugelförmige Übeltäter an, die Kim verschlucken wollen. Kims Erschafferin heisst Nadja und besucht die dritte Sekundarschule in Trimbach. Heute Morgen drückt sie nicht die Schulbank, sondern nimmt zusammen mit der Klasse und ihrer Lehrerin Nadja Frey am Game-Maker-Workshop teil, den das Stadtmuseum Aarau im Rahmen der Ausstellung „Play“ anbietet. Dabei lernen Kinder und Jugendliche, in Eigenregie ein einfaches Spiel zu programmieren. Den Workshop leiten Studierende der Pädagogischen Hochschule FHNW.

Mit Grundlagen vertraut machen

Was steckt hinter einer Spielfigur? Wie kommt es, dass sie Befehle ausführt? „Wir wollen einen Blick hinter die Kulissen werfen“, sagen Nadja und Gabriele, „darum sind wir hier.“ Wie alle ihre Mitschülerinnen und Mitschüler gamen die beiden gerne. „Diese Spielfreude“, sagt Workshop-Leiterin Luzia Soliva, „ist ein guter Anknüpfungspunkt, um die Jugendlichen mit Grundlagen des Programmierens vertraut zu machen.“ Soliva studiert im 8. Semester an der Pädagogischen Hochschule. Sie gehört zu den ersten angehenden Primarlehrpersonen, deren studentisches Curriculum auch informatische Bildung umfasst.
Nadja und ihre Kollegen und Kolleginnen haben sich auf der Website der Plattform AgentCubes eingeloggt. Mithilfe einer Werkzeugleiste zeichnen die Jugendlichen ihre persönliche 3D-Spielfigur, den sogenannten Avatar. Dann erschaffen sie die Umgebung: Bäume, Böden, eine Strasse. Dank Bausteinprinzip klappt das einfach. Kniffliger ist es, die Heldin zum Leben zu erwecken. Kim soll sich bewegen, und es braucht Feinde, die sich an ihre Fersen heften. Spielfiguren, erklärt Studentin Soliva, funktionieren mit Befehlen, die auf Wenn-dann-Regeln basieren: Wird beispielsweise die rechte Pfeiltaste gedrückt, macht der Avatar einen Schritt nach rechts. Sämtliche Regeln gilt es in einer Maske zu hinterlegen. Nach dem gleichen Prinzip programmieren die Schülerinnen einen Erschaffer, der im Halbsekundentakt Feinde erzeugt, sowie einen Verschlucker, der die Übeltäter verschwinden lässt. Prallen Feind und Heldin zusammen, ist das Spiel zu Ende.

Informatik im Lehrplan 21

Das Spiel, welches die Schüler programmiert haben, ist vergleichsweise simpel. Das Vergnügen der Jugendlichen ist dennoch gross – ebenso ihr Staunen darüber, wie viel Aufwand hinter dieser einfachen Oberfläche steckt. „Wenn wir dafür zwei Stunden brauchen“, fragt Gabriele ungläubig, „wie lange arbeiten Programmierer dann an Games wie Fifa oder Fortnite?“ Gut sechs Jahre, weiss Workshopleiterin Soliva: „Und dann sind etliche Programmierer am Werk.“ Der Lehrplan 21 räumt Medien und Informatik an den Schweizer Schulen in Zukunft mehr Gewicht ein. Einerseits geht es darum, den Umgang mit Medien allgemein zu reflektieren, andererseits sollen Schülerinnen und Schüler mit grundlegenden Informatikkenntnissen auf die Berufswelt vorbereitet werden. Auf Lehrpersonen kommt damit eine neue Herausforderung zu, und diese berücksichtigt mittlerweile auch die pädagogische Ausbildung. An der Pädagogischen Hochschule FHNW gibt es im Studiengang Primarstufe die Fachrichtung informatische Bildung seit zwei Jahren. Während zwei Semestern eignen sich Studierende informatische Grundkenntnisse an und lernen, wie sie diese erfolgreich vermitteln. „Der spielerische Ansatz ist zentral, weil er an die Lebenswelt der Kinder anknüpft und ihnen einen einfachen Einstieg ermöglicht“, sagt Patrick Wigger, wissenschaftlicher Mitarbeiter für Informatische Bildung an der PH. Früher seien Programmierkenntnisse vorwiegend in mathematischem Kontext vermittelt worden: „Das kann abschrecken.“

Berührungsängste abbauen

Niederschwellig muss Informatik auch für Lehrpersonen daherkommen, die wenig mit dem Thema am Hut haben. Im Game-Maker-Workshop sollen sie dank Schützenhilfe künftiger Berufskolleginnen und -kollegen praxistaugliche Ideen für die Umsetzung im Unterricht an die Hand bekommen. „AgentCubes bietet sich hierzu an“, sagt Sekundarlehrerin Nadja Frey. „Das Programm ist verständlich, und mit dem Login behält man seinen Zugang und kann die Plattform im Klassenzimmer weiter nutzen.“ Ein Schüler der Klasse, mit dem Frey vormals einen Workshop besucht hatte, tat das erfolgreich: „Er entwickelte seine virtuelle Welt weiter und hat uns so einiges beigebracht.“ Studentin Soliva macht die Erfahrung, dass Schülerinnen und Schüler der Informatik offen gegenüberstehen: „Berührungsängste betreffen eher Lehrpersonen. Umso erfreulicher ist es, wenn sie im Rahmen einer solchen Veranstaltung etwas verfliegen.“
„Der Weiterbildungsbedarf ist gross“, sagt Experte Wigger. Abhilfe schafften einerseits Online-Kurse sowie die Beratungsstelle imedias der Pädagogischen Hochschule, die für Lehrpersonen Weiterbildungen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien anbietet. Andererseits wird in der pädagogischen Ausbildung versucht, den Austausch zwischen Studierenden und Lehrpersonen zu fördern. Zum Beispiel mit dem neu angedachten Projekt „Adopt a Teacher“. Die Idee dahinter ist, dass Studierende in Schulklassen hospitieren und gemeinsam mit Lehrpersonen Inhalte für Lektionen entwickeln. „Eine Win-win-Situation“, findet Wigger. „Die Studierenden gewinnen mehr Unterrichtspraxis, demgegenüber erfahren Lehrpersonen von ihnen mehr über Ideen, Methoden und Tools der informatischen Bildung.“

- Virginia Nolan  -

Angehende Lehrpersonen lernen «Computational Thinking»

Prof. Dr. Alexander Repenning, Leiter Professur Informatische Bildung an der Pädagogischen Hochschule FHWN

Mit der Unterstützung der Hasler Stiftung konnte die Pädagogische Hochschule FHNW die Professur für Informatische Bildung aufbauen – die erste dieser Art in der Schweiz. Ihr wichtigstes Ziel ist es, den akuten Mangel an Lehrpersonen mit den für den Lehrplan 21 vorgeschriebenen Informatik- und Medienbildungskenntnissen zu beheben. Seit 2017 sind schon über 1000 zukünftige Primarschullehrpersonen für informatische Bildung ausgebildet worden.

Informatik spannend unterrichten

Wie sieht diese Ausbildung konkret aus: In zwei obligatorischen Kursen mit je 14 Doppellektionen lernen die angehenden Lehrpersonen einerseits die «7 Grossen Ideen der Informatik» kennen (Kreativität, Abstraktion, Daten, Algorithmen, Programmieren, Internet und globale Auswirkungen). Die Studierenden werden beim Aufbau der notwendigen Basiskompetenz des «Computational Thinking» unterstützt und lernen, wie man den Lehrplan 21 mit Game Design (wie oben beschrieben) und Simulationen (s. weiter unten) abdecken kann.
Andererseits zeigt ihnen der Kurs «Fachdidaktik der Informatischen Bildung» auf, wie man Informatik spannend unterrichten kann. Studierende entwickeln Tutorials für Simulationen und Spiele, die Sie benutzen, um Konzepte der Informatik, aber auch Konzepte aus den Fachbereichen Natur Mensch Gesellschaft, Mathematik, Deutsch, Englisch, Gestalten und Musik differenziert zu unterrichten. Die Studierenden haben die Gelegenheit, eine Vielzahl von Tutorials kennenzulernen, andere Studierende bei ihrem pädagogischen Handeln zu beobachten und gleichzeitig Feedback für die eigene Entwicklung zu erhalten.

Anforderungen der Gesellschaft von Morgen

Informatische Bildung, die das sogenannte «Computational Thinking», also das Denken mit dem Computer fördert, beinhaltet entscheidende interdisziplinäre Kompetenzen für das 21. Jahrhundert: Wie schnell vermehren sich Bakterien? Wie geht man mit Wahrscheinlichkeiten um? Wozu braucht man Verben und Hauptwörter? – das sind Fragen, die sich durch «Computational Thinking» bearbeiten lassen. Die Schülerinnen und Schüler lernen, wie man Simulationen baut, abstrahiert, einfache Programme schreibt und Resultate analysiert. Wie verwendet man Mathematik in einer Verkehrssimulation? Wie verbindet man Mathematik mit Musik? «Computational Thinking» wird so auch zum Bindeglied zwischen vielen Fachbereichen. Für die Gesellschaft von Morgen wird die Fähigkeit, gut auswendig lernen zu können, kein zentrales Erfordernis mehr sein, da künstliche Intelligenz den Menschen in dieser Fähigkeit bei weitem übertrifft. Gefragt werden Menschen sein, die ein Grundverständnis von Informatik besitzen und kreative Brücken zwischen den Fachbereichen und Disziplinen bauen können.

Interessante Weiterbildungsangebote

Zusätzlich zur Ausbildung vor Ort offeriert die Pädagogische Hochschule FHNW niederschwellige Online-Weiterbildungen und Programme zum Kennenlernen der oben beschriebenen Konzepte. Aktuell läuft das Programm «Adopt a Teacher». Interessierte Lehrpersonen können sich eine Doppellektion in Informatik für ihre Schülerinnen bestellen, die von Studierenden der Pädagogischen Hochschule ausgetragen wird: Zusammen mit der Klasse und ihrer Lehrperson unterrichten sie, wie man ein einfaches Spiel oder eine Simulation programmiert. Schülerinnen wie Lehrpersonen brauchen keine Informatik-Kenntnisse mitzubringen. Die Werkzeuge der Professur und Tutorials, wie beispielsweise das Computational Thinking Tool «AgentCubes» mit dem man 2D/3D Spiele und Simulationen bauen kann, stehen der Öffentlichkeit gratis zur Verfügung (agentcubesonline.com). Zudem bietet die Beratungsstelle imedias verschiedene Weiterbildungs- und Beratungsangebote für Lehrpersonen an (www.imedias.ch).

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