Problemfokus

Die problemorientierte Aufgabenstellung mit ihren gestalterisch-konstruktiven Anforderungen sollte bewirken, dass sich die Schülerinnen und Schüler in engagierter und konzentrierter Weise auf die Herausforderungen einlassen. Bei der Auswertung der Videos wurde der Blick u.a. darauf gerichtet, inwiefern die Lernenden tatsächlich mit Problemstellungen konfrontiert wurden. 

Problemlösende Aufgabe

Problemlösemomente zeigten sich nicht in der Bewältigung der Aufgabe als Ganzes, sondern in einzelnen Teilaspekten. Obwohl das Bauen der Kartonvilla als übergeordnetes Ziel verfolgt wurde, waren es jeweils einzelne Begebenheiten, die sich als Hindernisse erwiesen. Die geforderten Gebäudeteile (Treppe, Turm und Balkon) waren nicht für alle Lernenden in gleicher Weise herausfordernd. Letztlich war es auch nicht ausschlaggebend, welche Bauteile zu wirklichen Herausforderungen führten, sondern warum und in welcher Art sie dies taten. So erwies sich beispielsweise das räumliche Konstruieren als besonders wesentliche und fachlich relevante Problemkomponente.

Räumliches Konstruieren

Eine Problemkomponente, die sich in den untersuchten Gestaltungsprozessen als zentral erwies, war das Konstruieren dreidimensionaler Formen. Dabei wurde nicht die Statik oder die Befestigungstechnik zum Problem, sondern die Formentwicklung. Das Bilden räumlicher Konstruktionen erwies sich bei den meisten Kindern als grosse Herausforderung. 

Die Realisierung dreidimensionaler Objekte bedingte einerseits räumliches Vorstellungsvermögen und andererseits das Kennen und Abwickeln einer logischen Konstruktionsprozedur. Die Herausforderung bestand darin, sich die räumliche Form als Ganzes wie auch in ihren Einzelteilen vorzustellen. Die Vorstellungsbildung gelang den Lernenden nicht ohne Weiteres. Und da sie keine methodischen Mittel wie Zeichnen und Entwerfen anwandten, musste ihnen die Vorstellung mental gelingen.

Bezogen auf das Konstruieren und Bauen zeigten sich unterschiedliche methodische Vorgehensweisen der Raumbildung. Die meisten Kinder stellten dreidimensionale Gebilde durch ein additives Vorgehen her, indem sie durch das Zusammenfügen von Einzelteilen Räumlichkeit erzeugten. Die zweite Methode, die fast nur, aber nicht ausschließlich, von den achtjährigen Kindern angewandt wurde, bestand darin, zwei oder mehr Seiten eines Objektes durch Falten und Knicken aus einem Stück zu formen. Dieses Verfahren kann durch die biegende und faltende Verformung des Materials als flexive Formenbildung bezeichnet werden. Sie ist gegenüber dem additiven Verfahren effizienter und reduziert den verbindungstechnischen Aufwand. Die dreidimensionalen Objekte werden dadurch stabiler. 

Additive Bauweise (links) Flexive Bauweise (mitte und rechts)

Kein Problem?

Neben der additiven und flexiven Methode zeigten einige Schülerinnen und Schüler eine Art des Bauens, die nur bedingt als dreidimensional bezeichnet werden kann und dennoch einen Umgang mit Räumlichkeit zeigt. Einige Kinder hatten die Realisation architektonischer Teilobjekte durch die Verwendung einer einzigen Fläche vorgenommen. Sie hatten insbesondere die Türme der Villa durch das Positionieren aufrechtstehender, dreieckiger Kartonstücke auf der Schachtel vorgenommen. Diese Art der Lösung konnte lediglich bei den Sechsjährigen beobachtet werden und bezog sich allein auf die Realisierung der Türme. Sie kann als bildhaft-symbolische Art der Repräsentation bezeichnet werden. Dennoch geht ihre Realisierung über das rein Bildhafte hinaus. Denn eine Art Räumlichkeit ist insofern vorhanden und wurde von den Kindern auch so begründet, als dass der Turm von den ‚Bewohnern’ (Holzfiguren) begangen werden kann, indem sich die Figuren auf die andere Seite des Dreiecks begeben. 

Anhand dieser Dreiecktürme lässt sich aufzeigen, inwiefern die in der Aufgabenstellung intendierten Herausforderungen für die Kinder tatsächlich zum Problem wurden oder eben nicht. Ob sich eine Aufgabe als Problem erweist, hängt, wie es in der Problemtheorie betont wird, von den Fähigkeiten der problemlösenden Person ab. Wie in den analysierten Videosequenzen ersichtlich wurde, kann die Beziehung, die zwischen den Anforderungen einer Aufgabe einerseits und den Fähigkeiten eines Kindes andererseits besteht, die Entstehung eines Problems beeinflussen – und dies in zweifacher Weise. Eine Situation kann sich für ein Kind als unproblematisch erweisen, weil seine Fähigkeiten weit entwickelt sind oder aber, weil sie es gerade nicht sind. 

Für die jüngeren Kinder stellte das Realisieren der Türme keine Herausforderung dar. Sie verfolgten gar nicht die Absicht, diese dreidimensional zu bauen.
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