1976 – Schulprogramm Schule für Sozialarbeit Solothurn

«Die menschlichen Bedürfnisse», «Bedrängte Familien in einer bedrängten Gesellschaft» oder «Integrationsprobleme von Immigranten» – das Spektrum an Kursen an der Schule für Sozialarbeit Solothurn war sehr divers. Ein kleiner Einblick ins Kursprogramm von 1976.

1933 als Sozial-Pädagogische Fürsorgerinnen-Seminar gegründet, wurde die Schule 1969 in Schule für Sozialarbeit Solothurn (SSAS) umbenannt. Der Namenswechsel zog weitere Veränderungen mit sich. Erstmals waren auch Männer zu der Ausbildung zugelassen, bald schon folgte der Auszug aus dem angestammten Schulgebäude und auch ein neues Schulprogramm kam zum Zug. Dieses wurde stets weiterentwickelt und den neuesten Entwicklungen in der Sozialen Arbeit angepasst. Im Folgenden ein paar Beispiele von Kursen, die an der SSAS 1976 angeboten wurden.

«Die menschlichen Bedürfnisse

Das Seminar befasst sich mit den Bedürfnissen des Menschen als sozio-psycho-somatische Einheit und legt Schwerpunkte auf das Studium der Bedürfnisse in den einzelnen Lebensphasen. In diesem Kurs sind Gastlektionen geplant von Vertretern aus anderen Disziplinen. Uns interessiert, wie der Moraltheologe, der Soziologe, der Anthropologe, der Jurist und eventuell auch der thomistische Philosoph Bedürfnis definiert. Der Anteil des Sozialarbeiters in diesem Seminar geht dahin, dass er anhand von praktischen Beispielen aufzeigt, wie endogene, exogene viszerale, geistige, soziale und wirtschaftlich-materielle Bedürfnisse in der Praxis diagnostiziert und gehandhabt werden. Die Studenten werden angehalten, anhand einer praktischen Sozialarbeitsbegebenheit Bedürfnisse zu analysieren und für die Praxis daraus nützliche Schlüsse zu ziehen.»

«Der seelisch kranke, erwachsene Mensch

In diesem Fach finden wir eine doppelte Zielsetzung. Der Student soll eingeführt werden in die hauptsächlichsten seelischen Erkrankungen wie Neurosen, psychotische manisch-depressive Störungen, Schizophrenie, paranoide Störungen, Soziopathie oder Psychopathie, organische Hirnstörungen usw. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Behandlung dieser Krankheiten unter besonderer Berücksichtigung der Beiträge aus der Sozialarbeit. Wir befassen und mit der Bedeutung von Einzel- und Gruppentherapien sowie auch mit interdisziplinären Gruppentherapien in der Psychiatrie. Wir beschäftigen uns auch mit Fragen der Separation, Diskriminierung und Reintegration bei diesen Kranken.»

«Integrationsprobleme von Immigranten

Dieses Seminar möchte dem Sozialarbeiter wichtige Grundkenntnisse und –erfahrungen vermitteln für die Arbeit mit Gastarbeitern.

Wir studieren die wirtschaftlichen und sozialpolitischen Faktoren, die zur Migration geführt haben. Die Konfrontation der ansässigen Bevölkerung mit fremden Kulturen und die daraus resultierenden Spannungen werden uns das soziale Klima zeigen, in dem die Immigranten in der Schweiz leben. Wir setzen uns auseinander mit der Ausländerfamilie, mit den Problemen in einer neuen Gesellschaftsstruktur, mit Schulbildungsfragen. Der Problemkreis ‘Immigranten am Arbeitsplatz’ soll uns helfen, die latenten und manifesten Konflikte zu verstehen.

In diesem Seminar möchten wir einerseits verschiedene Informationen diskutieren, andererseits aber auch die konkreten Probleme in einer Gastarbeitersiedlung kennenlernen. Dieser Kurs ist nicht als trockene Vorlesung gedacht. Verschiedene Kontakte mit Gastarbeitern stellen den Praxisbezug her.»

«Bedrängte Familien in einer bedrängten Gesellschaft

Durch dieses Seminar versuchen wir, die praktische Sozialarbeit mit Eltern von Kindern, die die Merkmale ‘verarmt’, ‘schwer erreichbar’, ‘sozial verhungert’ oder ‘multiproblematisch’ tragen, zu vergegenwärtigen. Wir gehen auch auf jene Praxissituationen mit einzelnen und Familien ein, die akute Notstände verkörpern und demzufolge vom Sozialarbeiter her sog. Kriseninterventionen verlangen. Unter akuten Notständen können wir beispielsweise folgenschwere Kurzschlusshandlungen verstehen.»

«Geistige Behinderung

Dieses Seminar soll dazu dienen, das Verständnis des Studierenden über die geistige Behinderung auf breiter Basis zu wecken. Wir beziehen deshalb die Themata und die Fachpersonen direkt aus der Praxis, also von dort, wo man Geistigbehinderten im Sinne eines helfenden Prozesses direkt begegnet. Wir befassen uns mit den Ursachen und dem Wesen der geistigen Behinderung; mit Fragen der Messung und Klassifikation; mit der Sozialisierung, Schulung und Eingliederung; mit der sexuellen Entwicklung und mit Fragen des rechtlichen Schutzes dieser Menschen.»

«Sozialarbeit mit ledigen Müttern

Zu diesem Thema nehmen verschiedene Fachleute Stellung: Der Psychologe, der Jurist, der Praktiker und der Methodiker. Dem Studenten sollen durch Einblick in spezifisches Fachwissen und in entsprechenden Behandlungsansätzen Möglichkeiten zur Chancenverbesserung des ausserehelich geborenen Kindes und seiner Umwelt aufgezeigt werden.»

«Einführung in das Studium des alten Menschen

In diesem Kurs untersuchen wir die grundlegenden Bedürfnisse und allg. Eigenarten des alten Menschen und die vorhandenen, für diese Gruppe bestimmten Dienstleistungen. Die alte Person in der engeren und weiteren Gesellschaft wird durch zwei Linsen gesehen, d.h. in ihren intrapersonalen und interpersonalen Beziehungen. Im Beziehungsgefüge wird auch die sog. Einstiegsphase ins Älterwerden, die Pensionierung diskutiert. Fragen der Trennung vom angestammten Milieu wegen Gemeinwesenanliegen (Hausabbruch), Gebrechlichkeit, Unstimmigkeiten in der Familie usw. werden intensiv und zusammen mit Praktikern behandelt.»

«Die Massenmedien in unserer Gesellschaft

Dieser Kurs beginnt mit dem Studium der Massenmedien in unserer Gesellschaft: Radio, Fernsehen, Film und Presse.

Welchen Effekt, wieviel Einfluss jede dieser Einrichtungen auf die Gesellschaft hat, soll geprüft werden. Den Studenten wird die Gelegenheit gegeben, Zeitungsverlage, Fernsehstudios etc. zu besuchen. Es soll untersucht werden, was eine fachgemässe, konstruktive Kritik ist und welches die Kriterien eines unparteiischen Urteils sind. Der Kurs wird damit schliessen, dass die Studenten, individuell oder in Gruppen, praktische Vorschläge oder Ideen vorbringen, auf welche Weise die Massenmedien auszunützen wären, um soziale Bedürfnisse in unserer Gesellschaft zu befriedigen.»

Aus:

  • Schulprogramm der Schule für Sozialarbeit Solothurn aus dem Jahr 1976
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