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Corporate Influencer: Thron oder Schleudersitz?

12. Mai 2020

Erfolg im Onlinehandel: Einen Webshop konzipieren und digitale Kunden gewinnen. Darum geht es in 15 intensiven Tagen unseres Lehrgangs. Neben Analysen von Shops und Kampagnen zur Conversion-Optimierung, schreiben unsere Absolventinnen und Absolventen einen Blogbeitrag. Dieser ist von Nadia Dörflinger.

Influencer sind gemeinhin bekannt, teilweise sogar namentlich – je nach Branche, Produkt und genutzten Kanälen. Bekannt ist auch die Aufgabe von Influencern, nämlich die gezielte Meinungsmache in einer möglichst reichweitenstarken Community. „Erhältlich“ sind Influencer auf einschlägigen und klangvollen Plattformen wie z.B. „kingfluencer“ oder „reachhero“.

Spätestens seit der wavemaker-Studie wissen wir aber auch, dass sowohl Begeisterung als auch KPIs für diesen Werbeträger zunehmend bröckeln; insgesamt aber ist dieser Marketingkanal insbesondere in der Konsumgüterbranche noch „alive and kicking“.

Jetzt wurde zusätzlich der Corporate Influencer erfunden, die Mitarbeitenden als digitale Botschafter für den Arbeitgeber. Diese Gattung der Influencer ist daran, sich mit offizieller Ausbildung und eigenem Event im Online-Marketing-Mix zu etablieren.

Mir fallen beim Spaziergang durch das Netz zwei Kategorien von Corporate Influencern auf, die ich sehr freihändig wie folgt benenne und beschreibe:

  1. Die „die Geister, die ich rief-Corporate Influencer“: die zwar explizit von der Führung ermutigten, aber selbstmotivierten und selbsternannten Corporate Influencer, die, von der Unternehmensseite eher ungesteuert, ihre Kanäle mit gut gemeinten Äusserungen zu ihrem Arbeitgeber und oder seinem Wirken beglücken. Die Führungsetage applaudiert oder lässt gewähren, in der Hoffnung, alles trage zur Attraktivität und zu einem positiven Image des Unternehmens bei. Wie eine Untersuchung bei den Mitgliedern des Harbour Clubs (rund neunzig Kommunikationschefs der grössten Schweizer Unternehmen) jedoch zeigte, sehen die Kommunikationschefs vor allem Risiken und bewerten den Kontrollverlust über Content in Bezug auf Qualität, Stil und Aussagekraft als ihre grösste Herausforderung.
  • Die „kuratierten Corporate Influencer“: die von der Führung strategisch und gezielt eingesetzten Corporate Influencer. Sie haben ihren Auftritt – derzeit – vor allem „im Aussen“, wie z.B. im Talent Recruiting, im Employer Branding und im Rahmen der strategischen Unternehmenskommunikation. Ziel ist die Vermittlung von erwünschtem Corporate Content gegenüber spezifischen Adressaten. Otto gilt als Vorreiter, viele andere Firmen wie Daimler, Microsoft, die Deutsche Telekom, Bayer, TUI , Siemens und die Münchner Lebensversicherung LV 1871 haben nachgezogen und setzen solche Corporate Influencer prominent ein. Es gibt für sie hausinterne Schulungs- und Unterstützungskonzepte (sogar im „Master-Class“-Format) in Storytelling, in der Produktion von Plots und Videos, beim Aufbau der digitalen Kanäle, in „Profile Polishing“, in Kommunikation, Styling und Auftrittskompetenz. In regelmässigen Redaktions- und Coaching-Sitzungen werden sie in die jeweils gewünschte Umlaufbahn gebracht. Offiziell erfolgen vom Arbeitgeber keine Gegenleistungen in Form von incentives, dafür dürfen die Corporate Influencer während der Arbeitszeit influencen.

…. und es sind genau die „Corporate-Influencer-Programme“ der Kategorie 2 (also kuratierte Corporate Influencer), die von der Führungsetage noch sorgfältiger und praxistauglicher zu Ende gedacht werden sollten. Einige wild herausgepickte Fragen von vielen, die beantwortet werden sein wollen:

  • Der Corporate Influencer: Wer kümmert sich um seine Selbststeuerungs- und Kommunikationskompetenzen im Umgang mit der eigenen Macht, mit Neid, mit der bevorzugten Stellung im Unternehmen? Wer macht ihn Shitstorm-resilient? Welche Entscheidungsfreiheiten hat er gegen das Einflüstern – und mit welchen Konsequenzen? Welchen arbeitsrechtlichen/vertraglichen Schutz geniesst er im Falle eines Ausstiegs? Wie sind seine Aufstiegsmöglichkeiten nach einem Ausstieg?
  • Das Heimat-Team des Influencers: Was hat man sich zum Umgang mit dysfunktionalen Dynamiken und Konfliktpotenzialen überlegt?
  • Die Unternehmenskultur: Inwiefern müssen Themen wie Diversity, Inklusion und Exklusion berücksichtigt werden (können)? Wer bestimmt im Zeitalter von hierarchielosen Unternehmen, wer Corporate Influencer sein kann-muss-darf?

Ich befürchte, dass der Einsatz von kuratierten Corporate Influencer brandgefährlich sein kann – für die Corporate Influencer. Um diese Personen nicht zu verheizen oder schwierige Situationen in der Gesamtorganisation zu riskieren, sollten die möglichen Auswirkungen eines solchen „Instruments“ unbedingt vorgängig mitgedacht und gestaltet werden. Insbesondere auch, damit diese Mitarbeitenden nicht vom (vermeintlichen) Thron direkt auf den Schleudersitz geschubst werden.

Nachgereichtes:
Bemerktes 1: Als ich im Januar auf dem Rückflug von Hamburg neben einer „kuratierten Corporate Influencerin“ sass und ich sie fragte, ob das nicht alles Manipulation sei, antwortete sie umgehend und sehr charmant: „Nein, es ist ein Manövrieren, ein Lenken – keine Manipulation.“
Hmm… Fragt sich nur, wer hier wen lenkt?

Bemerktes 2: „Influencing“ ist lediglich eine Absichtserklärung. Der Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick hat uns beigebracht „Absicht ist nicht gleich Wirkung“ – und doch tun Influencer, Marketingagenturen und Kommunikationsabteilungen, als sei Absicht automatisch auch Wirkung…?

Literatur-Tipps:

Heintel, P. (Hrsg.). (2006). Dynamische Prozesse in Gruppen. Verlag für Sozialwissenschaften: Wiesbaden.

Lencioni, P. M. (2014). Die 5 Dysfunktionen eines Teams. Wiley: Weinheim.

Nerdinger, F.W., Blickle, G., Schaper, N. (2019). Arbeits- und Organisationspsychologie, 4.Aufl. Springer: Wiesbaden.

Schein, E., Schein, P. (2018). Organisationskultur und Leadership, 5. Aufl. Vahlen: München.

Sturmer, M. (2019). Corporate Influencer – Mitarbeiter als Markenbotschafter. Springer: Berlin.

Autorin: Nadia Dörflinger-Khashman


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  • Starttermin ist jeweils im Frühjahr.
  • 7 Minuten zu Fuss vom Bahnhof SBB / 2020 als Online-Training
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  • Dozierende sind Experten aus der Praxis.
  • Hoher Praxisbezug.
  • Inkl. Zertifizierung im Bereich rechtskonformer Webshop
  • Erarbeitung eines Online-Marketing und E-Commerce-Konzeptes (Vorlage/Beispiel).
  • Persönliche Begleitung durch Prof. Martina Dalla Vecchia.

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Martina Dalla Vecchia (FHNW, Programmleitung)
Markus Dobbelfeld, Search&Co.
Lukas Eberle, Microsoft
Lukas Fässler, FSDZ-Rechtsanwälte & Notariat AG
Cyrill Gross, Mayoris AG
Luzia Hafen, Stimmt AG
Christian Mossner, Canon Schweiz AG
Markus Peter, PostLogistics
Tobias Scholz, Dept Digital Marketing AG
Frederik Thomas, FHNW
Lucia Yapi, Yapi Web GmbH

Schlagworte: Corporate Influencer, E-Commerce, Influencer Marketing, Online-Marketing

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