Die (eigene) Arbeit zum Fall machen – ein Tag im Kompaktkurs – Simone Herzog

Im vergangenen November fand zum ersten Mal der Kompaktkurs für erfahrene Praxislehrpersonen statt, deren Qualifikation bereits mehr als 10 Jahre zurücklag oder die bisher noch keine formelle Weiterbildung absolvieren konnten. Der letzte der fünf Präsenztage wurde institutsspezifisch gestaltet. Im Institut Kindergarten-/Unterstufe hat Simone Herzog, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Professur für Berufspraktische Studien und Professionalisierung die Praxislehrpersonen in die Fallarbeit eingeführt, ihnen gezeigt und gemeinsam ausprobiert, wie mit den Studierenden in den Berufspraktischen Studien daten- und methodengestützt über (auch eigene) berufliche Praxis nachgedacht werden kann.

Im Anschluss an diesen Kurstag hat Tobias Leonhard die Teilnehmerin Patricia Furer, Kindergartenlehrperson aus Muttenz, zu ihren Eindrücken und Erfahrungen bezogen auf diese Fallarbeit befragt:

Innere Distanz zur eigenen pädagogischen Handlung

1.         Im Kompaktkurs wurdet ihr in die Fallanalyse eingeführt und habt einige Beispiele solcher Fallanalysen durchgespielt: Denkst du, dass diese Vorgehensweise, der Unterricht handlungsentlastet, distanziert und methodengestützt betrachtet, für die Studierenden einen Mehrwert darstellt? Wenn ja, welchen?

Die Auseinandersetzung in der Fallanalyse ermöglicht die Reflexion der eigenen Wertehaltung, die durch die eigene Erziehung und Bildung geprägt wurde. Was bewusst wird, kann verändert werden.

Das Erkennen von reflexartigen Handlungen, die sich in der Sprache abbilden, ist die Grundlage für Bewusstseinsveränderungen und damit für ein professionelles Handeln. Der «Blick in den Spiegel» ermöglich die innere Distanz.

2.         Und für dich selber, als erfahrene (Praxis)Lehrperson?

Die Fallanalyse bedingt eine gewisse Freude an «nutzlosen» Gedankengängen, die nicht offensichtlichen Gewinn bringen. Sie ist vergleichbar mit Techniken zur geistigen Entwicklung. Das bewusste Formen von Gedanken kann Veränderungen in der Sprache hervorbringen. Diese wird Einfluss auf die eigene Handlung nehmen. Unterrichten sollte in erster Linie eine reflektierte, bewusste Tätigkeit sein, die sich so verinnerlich hat, dass die Lehrperson nicht darüber nachdenken muss. Nur so können Lerninhalte menschengerecht vermittelt werden.

Ein abstraktes, forschendes Denken über Sprache bildet Werte und Bildungssysteme.

3.         Welche möglichen Stolpersteine erkennst du diesbezüglich für die Studierenden?

Es benötigt Geduld und Zeit. Denn erst durch Vertiefung und Wiederholung eröffnet sich das Verständnis dafür. Es sind langsame Prozesse ohne schnellen Gewinn, die jedoch nachhaltig in tiefere Schichten vordringen. Die Fallanalyse ermöglicht die philosophische Auseinandersetzung, so ihr Raum und Zeit gegeben wird.

4.         Ist es aus deiner Sicht lohnend und wünschenswert, wenn Praxislehrpersonen ihrerseits eine Einführung in diese Vorgehensweise erhalten? Und in welcher Form?

Die Fallanalyse stellt hohe Anforderungen und erschliesst sich, mit Sicherheit, nicht jeder Praxislehrperson. Es ist unmöglich vorherzusagen, wie die Adressaten reagieren werden. Aus diesem Grund ist es wertvoll, sich in die Rolle der Studierenden zu begeben und Neues zu erfahren. Die Fallanalyse kann ohne Anspruch auf Verständnis zur «Völkerverbindung» von Praxislehrpersonen und Dozierenden führen und damit den Graben schliessen, den die Studierenden erkennen.

5.         Gibt es sonst noch etwas, was du, bezogen auf die Fallarbeit im Rahmen der Ausbildung, erwähnen möchtest?

Es braucht Mut, die Studierenden und Praxislehrpersonen mit diesem Thema vertraut zu machen. Es sind jedoch die unbequemen Situationen, die eine Entwicklung ermöglichen im Sinne von: «Reibung erzeugt Wärme». Ich wünsch mir, dass beide Seiten ihre bequeme Position verlassen und in der Auseinandersetzung eine Entwicklungschance erkennen. 

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