Bart Moeyaert: Morris. Der Junge, der den Hund sucht

Morris verbringt den Winter bei seiner Oma auf dem Land. Abends weint Morris heimlich und tagsüber sitzen die Tränen fest hinter seinen Augen. Was Morris bedrückt, können Lesende nur erahnen. Weil Omas kleiner Hund Houdini ständig ausbüxt, muss Morris immer wieder in den Wald, um ihn zu suchen und einzufangen. An diesem Tag fällt der Schnee vom Himmel, als wäre eine Luke in den Wolken geöffnet worden. Auf der Suche nach dem kleinen Ausreisser trifft Morris auf Max. Max ist ein Junge, der wie er, nicht sehr glücklich zu sein scheint. Zuerst wollen sich beide gegenseitig aus dem Wald vertreiben und drohen einander schlimme Sachen an. Als plötzlich ein heftiger Sturm aufkommt, suchen die beiden einen Unterschlupf. Sie klammern sich unter einer Tanne eng aneinander. Hier spüren die Jungen, dass sie etwas verbindet. Die fehlende Familie vielleicht, die Suche nach Wärme und Sicherheit. Sie geben sich gegenseitig Schutz und finden danach auch gemeinsam den Weg zu Omas Haus. Dort erwartet sie nicht nur Houdinis Gebell, sondern auch ein frisch gebackener Birnenkuchen mit einem dampfenden Kakao dazu.
Bart Moeyaert kennt die Gefühle von Kindern und er versteht es vortrefflich, diese in Worte zu fassen. Er schreibt in einfachen Sätzen, an vielen Stellen verdichtet und mit eindrucksvollen Sprachbildern. Lesende begleiten Morris, spüren die Kälte, fühlen die grosse Sehnsucht und die Freude, als Oma ihn nach diesen schlimmen Stunden in die Arme nimmt. Viele Leerstellen in der Geschichte fordern Kinder auf, diese mit ihrer eigenen Vorstellungskraft zu füllen. Als sich Morris mit dem Jungen Max unter der Tanne verkriecht und sie sich gegenseitig wärmen, beginnt Max leise zu weinen. «Wenn jemand versucht, so leise wie möglich zu weinen, darf man nicht fragen, ob er weint. Und auch nicht warum», befolgt Morris den Rat seiner Oma. Die wenigen seitengrossen Bilder untermalen den Charakter der Figuren und die Stimmungen im Buchgeschehen wunderschön. Bart Moeyart hat mit dieser Geschichte und deren sprachlicher Umsetzung ein kleines Meisterwerk geschaffen: Das ist grosse Literatur für Kleine. Für Kinder ab etwa 6 Jahren und Erwachsene. 64 Seiten.

Bart Moeyaert: Morris. Der Junge, der den Hund sucht. Mit Bildern von Sebastiaan van Doninck. Aus dem Niederländischen von Bettina Bach. Hanser 2025. ISBN: 978-3-446-28117-2

Rezension: Maria Riss

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