Liz Kessler: Codename Eisvogel

Liz Kessler erzählt parallel die Geschichten zweier Mädchen aus unterschiedlichen Generationen. Liv ist etwa 12 Jahre alt. Sie hat es im Moment nicht leicht, sie gehört in der Schule nicht richtig dazu. Sie trägt die falschen Kleider und interessiert sich weder für Jungs noch für die angesagte Band. Sie wird ausgegrenzt, sogar ihre langjährige beste Freundin wendet sich von ihr ab. In der Schule erhalten alle Kinder nun den Auftrag, über ihre eigne Geschichte und Herkunft zu recherchieren. Liv findet auf dem Estrich eine Schachtel mit vielen Briefen und Erinnerungsstücken ihrer Oma. Nie hat Oma ein Wort über ihre Kindheit und Herkunft verloren. Mithilfe dieser Dokumente bringt Liv ihre alte, manchmal schon leicht demente Oma endlich dazu, von ihrer Kindheit zu erzählen. Vielleicht ist es das Thema «Ausgrenzung», das beide besonders verbindet.
Im andern Erzählstrang lernen Lesende Mila kennen, ein jüdisches Mädchen, das 1942 in Holland lebt. Mila muss ihre Herkunft und Familie leugnen und unter einem falschen Namen bei Pflegeeltern untertauchen. Es ist gut, dass ihre ältere Schwester bei ihr ist. Die beiden Schwestern halten zusammen, vor allem als Milas Schwester beginnt, heimlich für den Untergrund zu arbeiten. «Eisvogel» ist der Codename einer Gruppe, die Juden unter der deutschen Besatzung beisteht, die sie versteckt und wenn irgend möglich ihnen zur Flucht verhilft. Mila, die jetzige Oma von Liv, musste schon als kleines Kind die schlimmste Form von Ausgrenzung erleben. Ihre Eltern und ihre Schwester verschwanden damals spurlos. Mila hat ihre ganze Familie niemals wiedergesehen.
Liz Kessler erzählt in ihrem packenden, berührenden Buch die Lebensgeschichte eines jüdischen Mädchens und davon, wie sehr solch schlimme Erlebnisse in der Kindheit Spuren bis ins hohe Alter hinterlassen können. Solche Geschichten sollten sich niemals mehr wiederholen, dies ist die sehr klare Botschaft der Autorin. Durch die Geschichte ihrer Oma wird Liv bewusst, was wirklich wichtig ist, sie schöpft Mut und gewinnt im Laufe der Erzählung sogar eine neue, wunderbare Freundin. Liz Kessler schreibt in einer direkten Sprache, gut verständlich, aber auch sehr eindringlich vom Schicksal so vieler Kinder. Sie hat schon in früheren Büchern bewiesen, wie sehr sie sich in die Gefühlswelten von Kindern einfühlen kann. Für Lesende ab etwa 12 Jahren. 320 Seiten.
Liz Kessler: Codename Eisvogel. Fischer Sauerländer 2025. ISBN: 978-3-7373-4400-5
Rezension: Maria Riss