Die etwa 15-jährige, autistische Maudie verbringt den Sommer wie in jedem Jahr bei ihrem Dad in den Bergen Kaliforniens. Aber diesmal wird alles anders: Gleich am ersten Ferientag müssen die beiden fliehen. Es brennt rundherum und Dads Hütte wird ein Opfer der Flammen. In Dads altem Auto und mit einem fast leeren Portemonnaie finden die beiden bei Naldo, einem alten Freund von Dad, Unterschlupf. Naldo betreibt einen Campingplatz an der Küste und überlässt Maudie und ihrem Vater einen alten Camper. Dad macht sich täglich auf die Suche nach Arbeit. Für Maudie, die mit Veränderungen nur schwer umgehen kann, ist das neue Umfeld zunächst eine grosse Herausforderung. Aber sie liebt das schäumende Meer und geht jeden Morgen schon sehr früh an den Strand. Dort trifft sie Etta, eine ältere Frau, die gekonnt und kraftvoll mit ihrem Surfbrett die Wellen bezwingt. Maudie liebt das Wasser, ist eine gute Schwimmerin und hat sich schon bald in den Kopf gesetzt, surfen zu lernen. Etta hat dieses aussergewöhnliche, stille Mädchen schnell ins Herz geschlossen und gibt ihr Surfunterricht. Ganz langsam baut Maudie nicht nur Vertrauen zu Etta auf, sondern auch in ihr eigenes Können. Maudie trainiert ab sofort hart, jeden Tag und mit einem riesengrossen Willen. Viel zu oft hat sie in ihrem bisherigen Leben gehört, sie sei nicht normal und schaffe ja eh nichts. Hier fühlt sie sich zum ersten Mal in ihrem Leben aufgehoben, hier trifft sie auf Menschen, die sie nicht als Problem wahrnehmen, sondern ihr einfach vorbehaltlos begegnen. Maudie verändert sich, wird um einiges selbstbewusster und beweist am Surfwettbewerb zum Ende der Saison, was sie mit ihrem starken Willen und dem Glauben an sich selbst alles zustande bringt.
Berührend und eindrücklich ist diese Geschichte, einfühlsam und in sehr treffender, stellenweise poetischer Sprache erzählt. Lesende gewinnen Maudie schon auf den ersten Seiten lieb, können nachvollziehen, wie sie sich fühlt, weshalb sie sich zu Beginn so wenig (zu)traut. Neurodivergente Menschen sind nicht per se anders und nicht normal, es kommt so sehr darauf an, wie ihr Umfeld ihnen begegnet, so die klare Botschaft der Autorin. «Der Gesang der Wellen» thematisiert die zutiefst menschliche, eindrückliche Veränderungsgeschichte von Maudie und rutscht doch an keiner Stelle ins Sentimentale ab. Für Jugendliche. 320 Seiten.

Sally Pla: Der Gesang der Wellen. Aus dem Englischen von Susanne Hornfeck. dtv Reihe Hanser 2025. ISBN: 978-3-423-65043-4

Rezension: Maria Riss