1971, Basel

1971 – Schule für Sozialarbeit Basel – Anfänge in einer bewegten Zeit

9. August 2021

Als 1971 die Schule für Sozialarbeit Basel eröffnet wurde, war der Geist der 1968er-Bewegung stark zu spüren. Es hätten Ideologien und Ideale vorgeherrscht, die man rückblickend vielleicht nicht mehr ganz teile. Dies sagt Marc Flückiger, Absolvent der Schule, Gründer der Basler Gassenarbeit und langjähriger Leiter der Abteilung Jugend- und Familienförderung in Basel. Ein Rückblick.

Marc Flückiger wusste schon immer, dass er in seinem Leben «etwas Sinnvolles» machen wollte. Und weil er nach dem Gymnasium fürs Erste genug vom Schulalltag hatte, begann er eine Lehre als Psychiatriepfleger. Dies im Wissen, dass seine berufliche Zukunft anderswo liegen würde. Zum Beispiel in der Sozialen Arbeit. Und so bewarb er sich an der Schule für Sozialarbeit Basel. Auch weil er gehört hatte, dass deren Student*innen politisch aktiv waren. «Dieser Gedanke gefiel mir.»

Zu diesem Zeitpunkt lag die Eröffnung der Schule für Sozialarbeit Basel gerade einmal sieben Jahre zurück. Sie war am 20. Oktober 1971 mit einer Feier in der Waisenhauskirche eingeweiht worden. Der Eröffnungsakt war der offizielle Beginn der Ausbildung von Sozialarbeiter*innen in Basel. Doch der Gründung der Schule war eine lange Vorbereitungszeit vorangegangen. Bereits rund zehn Jahre vorher wurde laut darüber nachgedacht, eine Schule für Sozialarbeit zu gründen. Dies, weil zu jener Zeit ein regelrechter Fachkräftemangel herrschte. In Basel war bloss jede zweite Stelle in der Fürsorge von fachlich qualifiziertem Personal besetzt. Hinzu kam, dass sich in Basel das Ausbildungsangebot bis zu diesem Zeitpunkt auf die Heimerziehung beschränkt hatte. Es gab die «Berufsschule für Heimerziehung» und seit 1962 schliesslich die «Berufslehre für Heimerziehung», eine Schule für Soziale Arbeit gab es – anders als in anderen Kantonen – in Basel nicht. Dies wollten die Mitglieder der 1964 gegründeten Stiftung «Institut für Sozialpädagogik und Sozialfürsorge» (IFSS) ändern. Wie der Name andeutet, war es nicht nur das Ziel, eine qualifizierte Ausbildung für Sozialarbeit zu schaffen, auch eine Zusammenführung mit der Sozialpädagogik wurde angestrebt. Vorerst arbeiteten die Initiant*innen daran, ein Ausbildungsprofil zu erstellen und ein Personennetzwerk zu knüpfen. Auf dem Papier bestand die Schule lange bevor die ersten 22 Studierenden im Herbst 1971 ihr Studium aufnahmen.

Die Anfänge der Schule fielen in eine bewegte Zeit. Die 68er-Bewegung war in vollem Gange, in der Schweiz lief die Heimkampagne und Mitte der 1970er-Jahre bewegte der Widerstand gegen das geplante AKW Kaiseraugst die Gemüter. Diese Zeit war noch voll im Gang, als Marc Flückiger 1978 seine Ausbildung begann. «Es war eine Zeit des Aufbruchs», sagt er rückblickend. Die Student*innen seien politisch sehr aktiv gewesen und hätten sich gegen Ungerechtigkeiten aufgelehnt. Es seien Leute gewesen, die die Gesellschaft verbessern und anderen helfen wollten – «eine Art Weltverbesserer, im positiven Sinne». Es hätten Ideologien und Ideale vorgeherrscht, die man rückblickend vielleicht nicht mehr im gleichen Ausmass teile. «Aber damals war es genau richtig.» Das Bild vom Studenten mit langen Haaren und Latzhosen, das heute gerne kolportiert wird, sei sicher nicht völlig falsch. Die Kleidung sei wichtig gewesen, um sich vom Establishment abzugrenzen. «Ein Sozialarbeiter im Anzug, das hätte es nie gegeben.»

Das heisse allerdings nicht, dass der Unterricht deswegen lascher war. Unterrichtet wurde noch im Klassenverband. Die Beziehungen und das Verhalten innerhalb der Klasse seien sehr wichtig gewesen. Diskussionen und die Auseinandersetzung mit der Umwelt und sich selber prägten den Schulalltag. Als ganz besonders intensiv hat Marc Flückiger die Klassenlager in Erinnerung, die regelmässig stattfanden und in denen es die Selbsterfahrung im Zentrum stand. «Das waren teilweise wirklich heftige Erfahrungen, da waren wir gefordert». Ansonsten galten damals dieselben Regeln wie heute: Wer einen Abschluss erlangen wollte, musste ein Projekt entwickeln und umsetzen, eine Projektarbeit verfassen und die geforderten Prüfungen bestehen. Flückigers eigene Diplomarbeit sollte die Stadt Basel nachhaltig prägen, markiert sie doch den Beginn der Basler Gassenarbeit. Aus seinem Abschlussprojekt entstand der Verein für Gassenarbeit Schwarzer Peter, eine Institution, die heute nicht mehr aus der Stadt wegzudenken ist. Zu jener Zeit sei vieles entstanden, das heute noch Bestand habe, sagt Flückiger. So wurde nicht nur die Frage der aufsuchenden Sozialarbeit diskutiert, sondern überhaupt die Rolle der Sozialarbeit in Frage gestellt. Aus diesen Diskussionen heraus entstanden nach und nach verschiedene neue Institutionen der sogenannten Überlebenshilfe, wie die Gassenküche, die Spritzenabgabe und später die Gassenzimmer (heute Kontakt und Anlaufstellen). Die Sozialarbeit übernahm in dieser Zeit damit auch eine gesellschaftskritische und politische Rolle.

Während Marc Flückiger nach seinem Abschluss die Gassenarbeit mit Unterstützung der reformierten Kirche und privater Organisationen aufbaute, sah sich seine Ausbildungsstätte mit grösseren Veränderungen konfrontiert. Die Schule für Sozialarbeit Basel wurde zusammen mit der Berufsschule für Heimerziehung zu den Schulen für Soziale Arbeit Basel (SSAB) zusammengelegt. 1991 wurden sie zur Höheren Fachschule im Sozialbereich HFS Basel, die sich 1997 mit der HFS Berufsbegleitende Ausbildung für Sozialpädagogik (BASBA) zusammenschloss. So, wie es sich die Initiant*innen in den 1960er-Jahren einst gewünscht hatten. 

Informationen aus:

  • Gespräch mit Marc Flückiger, 1 Juli 2021
  • «Die Einordnung der Zukunft – Zur Gründung der Schule für Sozialarbeit Basel (1962 – 1971)», Esteban Piñeiro, 2009
  • «Im Fluss. Stimmungsbilder – Zeitzeichen – Übergänge», Johanna Kohn, Basel, HFS-BB, 2004
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