2004, Basel

2004 – Basler Schulen – von einer Fusion in die nächste

9. August 2021

Bei der Ausbildung im Bereich Soziale Arbeit war in Basel ab Mitte der 1990er-Jahre vieles in Bewegung. Eine Schulfusion folgte auf die nächste, unterschiedliche Kulturen trafen aufeinander – es war eine turbulente Zeit. Eva Tov, Freelancerin und einstige Direktorin, hat viele dieser Prozesse miterlebt und mitgestaltet. Ein Rückblick.

Es sei ein absoluter Volltreffer gewesen, sagt Eva Tov. Sie war gerade erst mit ihrer Familie nach Basel gezogen, als sie die Stelle als Dozentin für Psychologie an der Höheren Fachschule für Sozialarbeit und Sozialpädagogik erhielt. Hier konnte sie ihr Wissen, das sie sich in Forschung und Praxis angeeignet hatte, an Studierende weitergeben. Was Eva Tov damals – Mitte der 1990er-Jahre – noch nicht wusste: Sie würde in den folgenden Jahren an der Schule manche Reform und etliche Fusionen als Direktorin miterlebten und aktiv mitgestalten. Und das, sagt sie rückblickend, sei nicht immer einfach gewesen.

Es begann mit einer innerschulischen Fusion. Zuerst seien die beiden Bereiche Sozialpädagogik und Sozialarbeit zusammengeführt worden, erzählt Eva Tov. Ein logischer Schritt, der auch ohne grössere Probleme über die Bühne ging. Die echten Schwierigkeiten sollten erst folgen. Und zwar, als 1997 die Fusion mit der berufsbegleitenden Ausbildung für Sozialpädagogik (HFS Basba) zur Höhere Fachschule für Soziale Arbeit beider Basel (HFS-BB) beschlossen wurde. Hier seien unterschiedliche Welten aufeinandergeprallt, sagt Tov. Auf der einen Seite die «Intellektuellen» der Höheren Fachschule für Soziale Arbeit, auf der anderen Seite jene, «die aus dem Feld» kamen. «Die Situation war total verfahren.» Sie erinnere sich an Sitzungen, an denen Teilnehmende die Augen verdrehten, mit den Füssen scharrten oder auf sonstige non-verbale Weise ihren Unmut kundtaten. Und schliesslich habe nur noch eine Seite gesprochen, die anderen seien eingeschüchtert gewesen. Weil schnell klar war, dass man so nicht zusammenarbeiten könne, sei ein Organisationsentwicklungsprozess eingeleitet worden, den Externe, in Kooperation mit der Leitung, durchführten. Das sei zwar sehr heilsam, der Preis aber auch hoch gewesen. Einige Mitarbeitende seien während des Prozesses krank geworden. «Und doch mussten wir irgendwie weiterfahren», sagt Tov. Die HFS-BB habe einen Leistungsauftrag zu erfüllen gehabt, «und das ging nur, wenn wir alle am gleichen Strick ziehen». In der Folge – Eva Tov war inzwischen Direktorin der neuen Schule – wurde ein komplett neues Curriculum ausgearbeitet. Auf dem Stundenplan stand nun nicht mehr «Psychologie» und «Recht», sondern «soziale Systeme» und «Lebenswelten».

Und es schon bald die nächste Fusion folgen, nämlich mit dem Pädagogischen Institut in Basel und dem Lehrerseminar in Liestal. 2002 hatten die beiden Kantonsparlamente dem Zusammenschluss zugestimmt, im November 2003 stimmte schliesslich die Baselbieter Bevölkerung der Fusion mit einem Ja-Stimmenanteil von fast 80 Prozent zu. Per 1. Januar 2004 wurden die drei Schulen zur Hochschule für Pädagogik und Soziale Arbeit beider Basel (HPSA- BB). Und wieder trafen unterschiedliche Kulturen aufeinander. Aber anders als bei der vorangegangenen Fusion, fanden die Beteiligten schnell eine gemeinsame Identität. «Wir waren alle bereit, voneinander zu lernen und uns in eine gemeinsame Richtung weiterzuentwickeln», sagt Eva Tov. Dies sei vor allem der ausgezeichneten Zusammenarbeit mit dem damaligen Direktor der Pädagogischen Hochschule Viktor Abt, geschuldet gewesen, die es erlaubte, das Beste der beiden Hochschulen zusammenzuführen. «Wir hatten eine gemeinsame Vision, und auf die haben wir hingearbeitet, obwohl wir wussten, dass sie höchstwahrscheinlich nur von begrenzter Dauer sein würde.»

Nicht beeinflussen konnten sie hingegen die Politik. Und deren Pläne zielten tatsächlich in eine andere Richtung: Nämlich die Angliederung der Hochschule für Sozialarbeit an die Fachhochschule Nordwestschweiz. Es sei eine gewisse Angst dagewesen, dass die SA Basel in diesem Projekt keinen Platz finden könnte.. Und dass das, was während dieser kurzen Zeit habe aufgebaut werden können, «irgendwo in der Versenkung» lande. Doch anstatt den Kopf in den Sand zu stecken, hätten sie und ihre Mitstreiter*innen versucht, sich möglichst aktiv am Prozess zu beteiligen. Sie selber habe diese Zeit als sehr spannend und bereichernd empfunden. «Ich hatte grosse Freude daran.»

Als die Fusion dann aber Tatsache war, wendete sich das Blatt für Eva Tov. «Plötzlich brauchte es meine Stelle nicht mehr.» Und jene Stelle, die sie gerne gehabt hätte, bekam sie nicht. «Das war schon sehr schmerzhaft.» Sie nahm ein Sabbatical, beendete ihre Dissertation und stieg 2007 schliesslich wieder als Dozentin ein.

Trotz dieser persönlichen Enttäuschung ist Eva Tov überzeugt, dass die Fusion «der absolut richtige Schritt» war. Es sei viel Gutes und Innovatives entstanden. Und es entstehe noch immer. «Ich glaube an diese Art zu lehren und zu lernen, gemeinsam und nicht als Konkurrenz.»

Informationen aus:

  • Gespräch mit Eva Tov, 12. Mai 2021

Der Coup der SVP

Die Überraschung war perfekt, der Coup gelungen: Im Landrat wird der Fusion zwischen den beiden Hochschulen für Pädagogik in der Stadt und in Liestal sowie der Hochschule für Soziale Arbeit zwar zugestimmt, aber eben nur mit 56 gegen 13 Stimmen. Damit hatte die SVP, mit der Unterstützung der Schweizer Demokraten, eine Volksabstimmung über ein partnerschaftliches Geschäft erzwungen, das von allen anderen Parteien begrüsst und tatkräftig unterstützt wurde.

Die Konsternation war gross an jenem 5. Juni dieses Jahres, vor allem auch unter den Lehrkräften der Hochschule für Pädagogik, dem ehemaligen «Lehrersemi» Liestal, die die Landratsdebatte auf der Tribüne mitverfolgt hatten. Sie alle waren davon ausgegangen, dass die gemeinsame Ausbildungsstätte für die Lehrer und Sozialarbeiter in der Region ihren Betrieb nach den Sommerferien aufnehmen kann; auf diesen Tag hin hatten sie alle Vorbereitungsarbeiten vorangetrieben. Jetzt musste der Startschuss erneut verschoben werden; für alle Beteiligten begann das lange Warten, ein banges Warten mit dem Damoklesschwert eines Volks-Neins über den Köpfen.

Aus: Basler Zeitung, 11. November 2003 

Neue Hochschule sucht Standort

Noch fehlt ein gemeinsames Haus, und Lohn- und Anstellungsfragen sind noch nicht geklärt. Dennoch wurde die HPSABB feierlich eröffnet.

Die neue Hochschule für Pädagogik und Soziale Arbeit beider Basel (HPSABB) hat noch keinen gemeinsamen Standort. Dennoch wurde (…) die neue Hochschule im Kultur- und Sportzentrum Pratteln feierlich eröffnet. Mit dem Beginn des Studienjahres habe sich die HPSABB vom virtuellen Zustand zur Realität entwickelt, sagte Rosmarie Leuenberger, Präsidentin des Hochschulrats. Jetzt gehe es darum, der Schule eine Identität zu verleihen und die Institutionen zusammenwachsen zu lassen.

Organisatorisch ist die Schule heute unter einem Dach, aber in der Praxis werden die Studierenden weiter an verschiedenen Standorten unterrichtet. Der Unterricht für die künftigen Lehrkräfte der Sekundarstufe I und II findet im Kleinbasel und an 25 Standorten in der Region statt. Die Abteilung Kindergarten und Primarschule wird in Liestal und Basel unterrichtet und die Abteilung Soziale Arbeit im Grossbasel. Damit ergeben sich im Schulalltag noch wenig Berührungspunkte zwischen den Abteilungen Pädagogik und Soziale Arbeit. Die HPSABB strebt aber diese interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Schulstufen und Sozialer Arbeit an, dies mit gemeinsamen Forschungsprojekten und Weiterbildungsangeboten. (…)

Aus: Basler Zeitung, 4. September 2004 

Kaum flügge schon in Gefahr

Wird die junge gemeinsame Hochschule für Pädagogik und Sozialarbeit wieder gespalten? Studenten und Dozenten hegen solche Befürchtungen, die von den Projektverantwortlichen aber entkräftet werden. Die Verunsicherung ist gross an der Fachhochschule für Padägogik und Soziale Arbeit beider Basel (HPSABB) – bei den Studierenden wie bei den Lehrkräften. Das kann nicht erstaunen. Die neue Schule ist noch nicht einmal flügge, und schon steht sie vor einer ungewissen Zukunft. Sie haben gekämpft, Lehrer und Sozialarbeiter, für eine gemeinsame Schule – und gewonnen. (…) Doch nur gerade ein Jahr später kam die kalte Dusche. Die Regierungen beider Basel und der Kantone Aargau und Solothurn stellten das Portfolio der gemeinsamen Fachhochschule vor. Ganze Fachbereiche wurden an einem Ort konzentriert, Schwerpunkte und komplementäre Standorte wurden bestimmt. Der Schwerpunkt Pädagogik wurde dem Kanton Aargau zugeschlagen, der Schwerpunkt Soziale Arbeit dem Kanton Solothurn; Baselland wurde zum komplementären Standort für Pädagogik, Basel für die Sozialarbeit. Die bange Frage, die sich jetzt Studierende und Dozenten an der HPSABB stellen, ist, ob das ambitionierte Projekt einer gemeinsamen Schule mit gemeinsamen Studiengängen und Forschungsprojekten kaum aus der Taufe gehoben bereits wieder begraben wird?

Aus: Basler Zeitung, 21. März 2005 

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