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Psychosoziale Gefährdungsbeurteilung

Analyse und Gestaltung psychosozialer Risiken und Chancen im Betrieb

Ständige Veränderungen prägen die Arbeitswelt. Psychosoziale Belastungen wie Erfolgsdruck oder Arbeitsunterbrechungen sind weitverbreitet. Psychische Erkrankungen wie Erschöpfungsdepressionen haben zugenommen. Gleichzeitig hat Erwerbsarbeit positive Auswirkungen auf die Gesundheit. So helfen Autonomie und Wertschätzung im Arbeitsalltag, negative Auswirkungen von Belastungen zu vermeiden. Die Art und Weise, wie Arbeitsbedingungen in einer Organisation gestaltet werden, entscheidet darüber, ob positive oder negative Auswirkungen auf die Gesundheit der Mitarbeitenden dominieren.

Vor diesem Hintergrund sind Unternehmen in der Europäischen Union verpflichtet, eine Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen durchzuführen und Handlungsbedarf zu prüfen. In der Schweiz hatte das Staatssekretariat für Wirtschaft SECO mit Unterstützung von Sozialpartnern und dem interkantonalen Verband für Arbeitnehmerschutz 2014 einen Vollzugsschwerpunkt lanciert, um die Prävention psychosozialer Risiken in Betrieben zu verstärken.

Forschungsbedarf zu Grenzwerten bei der Messung

Bei der praktischen Umsetzung solcher Risikobeurteilungen treten Herausforderungen auf, die Forschungsbedarf deutlich machen. Beispielsweise mangelt es bei psychischen Belastungen an Grenz- bzw. Schwellenwerten, anhand derer man den Schweregrad einschätzen kann. Anders als bei physischen Gefährdungen wie Lärm oder giftigen Gasen muss also noch geklärt werden, inwiefern beim Überschreiten bestimmter Messwerte (etwa hinsichtlich der Anzahl an ablenkenden Arbeitsunterbrechungen durch eingehende E-Mails, Telefonate oder Gespräche Dritter im Büro) dringlicher Handlungsbedarf besteht. Für Unternehmen besteht erheblicher Klärungsbedarf, um auf Basis wissenschaftlich fundierter Grenzwerte Gefährdungen mit besonderem Handlungsbedarf rasch erkennen und Massnahmen ableiten zu können.

Um seriöse Antworten liefern zu können, reicht es nicht aus, die einzelnen Belastungen wie Unterbrechungen, Zeitdruck oder Rollenunklarheit getrennt zu betrachten. Vielmehr gilt es zu verstehen, wie die Belastungen zusammenwirken, also ob beispielsweise Zeitdruck vor allem dann kritisch ist, wenn zeitgleich wenig soziale Unterstützung im Team und seitens der Führungskräfte vorhanden ist. Zudem ist nachzuweisen, ob kritische Belastungskombinationen sowohl in der Produktion als auch im Büro bedeutsam sind – oder ob sich Schwellenwerte je nach Tätigkeit und Branche unterscheiden.

Effiziente Risikobeurteilung

Ziel des Kooperationsprojekts mit mehreren nationalen und internationalen Organisationen ist die Gewinnung neuer Erkenntnisse, inwiefern dringlicher Handlungsbedarf in Organisationseinheiten und bei bestimmten Tätigkeitsgruppen zum Vorschein gebracht werden kann. Durch die Erweiterung des wissenschaftlichen Kenntnisstands zu Schwellenwerten sollen neue, verbesserte Wege der Risikoanalyse entstehen, die eine effiziente Umsetzung psychosozialer Gefährdungsbeurteilungen ermöglichen. Diese können schliesslich auch in anderen Organisationen zum Einsatz kommen.

In einer ersten Phase wurde von 2015 bis 2018 beim Flugzeughersteller Airbus in Kooperation mit Prof. Dr. Jan Dettmers von der Fernuniversität Hagen ein Vorgehen entwickelt und validiert. Von 2019 bis 2022 wird geprüft, ob das Vorgehen zum Bestimmen von Schwellenwerten auf weitere Unternehmen in der Produktion (z.B. Festo) sowie im Dienstleistungssektor (z.B. IBM) übertragbar ist und somit ein valides Vorgehen für weitere Unternehmen bereitgestellt werden kann. In der Schweiz kooperiert die Hochschule für Angewandte Psychologie FHNW hierzu u.a. mit einer kantonalen Verwaltung und überträgt die Erkenntnisse aus der internationalen Kooperation auf Schweizer Organisationen.

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