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Das Gesunde im Bier

Bier zählt sowohl wirtschaftlich als auch kulturell zu den wichtigsten Getränken unserer Gesellschaft. Schweizerinnen und Schweizer konsumierten im Jahr 2015 über 4.6 Millionen Hektoliter Bier. Dass Bier gesund sei, hört man selten. Aber es ist gerade der für den Biergeschmack so grundlegende Hopfen, dessen Inhaltsstoffe gesundheitsförderlich wirken. Forschende an der HLS haben herausgefunden, dass sogenannte Prenylflavonoide aus dem Hopfen die Darmwand stabilisieren und damit einigen Krankheiten entgegenwirken können.

Bier.jpgKaum ein Organ des menschlichen Körpers erfüllt so viele verschiedene Aufgaben gleichzeitig wie der Darm: Neben der Verdauung von Nahrung und Aufnahme von Nährstoffen reguliert der Darm den Wasserhaushalt des Körpers und bildet Hormone und Botenstoffe. Elementar ist aber auch seine Schutzfunktion für den Körper: Aufgenommene Toxine und Bakterien werden von der Darmbarriere daran gehindert, in die Blutbahn zu gelangen. Bei Krankheiten wie Morbus Crohn oder Lebensmittelunverträglichkeiten ist diese Funktion nicht mehr gewährleistet. «Bei einer Fehlfunktion der Darmbarriere, dem sogenannten Leaky Gut Syndrom, werden die Tight Junctions gestört. Dabei handelt es sich um Membranproteine, welche die Zellen in der Darmschleimhaut zusammenhalten. Im gesunden Organismus verhindern sie, dass potenziell schädliche Substanzen aus dem Darm in die Blutbahn gelangen», erklärt Veronika Butterweck vom Institut für Pharma Technology der HLS.

In Zusammenarbeit mit deutschen Forschenden wies die Wissenschaftlerin nun nach, dass bestimmte Inhaltsstoffe des Hopfens diese Stabilität der Darmbarriere erhöhen. Der Anstoss kommt vom österreichischen Forschungspartner, der Paracelsus Medizin-Universität in Salzburg: Die Wissenschaftler haben nachweisen können, dass manche Hopfeninhaltsstoffe bei bestimmten geschädigten neuronalen Zellen das Nervenwachstum anregen. Es handelt sich bei diesen Stoffen um sogenannte Prenylflavonoide, die sonst für ihre östrogenen, antioxidativen, krebs- oder entzündungshemmenden Eigenschaften bekannt sind. «Wir haben nun zum ersten Mal zeigen können, dass bestimmte Prenylflavonoide einen schützenden und manche sogar einen Reparatureffekt auf die Tight Junctions in der Darmwand haben», berichtet Butterweck.

In der Arbeitsgruppe von Butterweck wurde zunächst ein Zellkultur-Modell aus karzinomatösen Kolon-Zellen, sogenannten «Caco-2»-Zellen, entwickelt. Zu den Vorzügen des Versuchsaufbaus sagt Butterweck: «Wir haben die Zellen auf eine poröse Membran ausgesät und mit Medium umgeben. Das gibt einen dichten Zellrasen und erlaubt uns, auf die Darmzellen auch von der aussen liegenden Seite zuzugreifen, was in einem echten Darm nicht möglich wäre.» Um den Zustand der Tight Junctions zu überwachen, haben die Forschenden den elektrischen Widerstand zwischen den Membranen benachbarter Zellen über Elektroden auf der inneren und äusseren Seite der Darmzellen gemessen.  «Je dichter diese Tight Junctions sind, umso höher ist der Widerstand», erklärt Butterweck. «Wir haben die Zellen mit dem Entzündungsmarker TNF-α an den Stellen geschädigt, die auch bei entzündlichen Erkrankungen wie beispielsweise Morbus Crohn angegriffen werden. Durch das TNF-α öffnen sich diese Tight Junctions und der Widerstand nimmt ab.»

Um den potenziellen Einfluss des Hopfens auf die Tight Junctions in der Darmwand zu untersuchen, haben die Forschenden vier verschiedene Prenylflavonoide getestet. Zum Nachweis des Reparatureffektes haben sie das Caco-2 Modell dann über einen Zeitraum von 24 Stunden mit dem TNF-α behandelt. Wie von Butterweck erwartet, nahm der Widerstand über den Zellen der Darmschleimhaut ab. Als nächstes wurden die Zellen für weitere 72 Stunden den Hopfeninhaltsstoffen ausgesetzt. «Bei einer der getesteten Substanzen, dem 8-Prenylnaringenin, nahm der Widerstand zwischen den Elektroden signifikant zu», freut sich Butterweck. «Dies bedeutet, dass die Tight Junctions wieder dichter wurden und sich regenerierten.»

Die präventive Wirkung hat Butterweck nicht nur für 8-Prenylnaringenin, sondern auch für das strukturverwandte 6-Prenylnaringenin nachgewiesen. Nachdem sie die Zellen ein Stunde lang mit den Prenylflavonoiden vorbehandelt hatte, konnte ihnen das anschliessend zugegebene TNF-α viel weniger anhaben. Das zeigte sich darin, dass der Widerstand zwischen den Elektroden deutlich weniger abnahm.

«Nun möchten wir herausfinden, welcher Mechanismus dahinter steckt und ob auch ein natürlicher Hopfenextrakt eine ähnliche Wirkung hat», sagt Butterweck. Von Natur aus schwankt der Gehalt der Prenylflavonoide zwischen den einzelnen Biersorten deutlich. Dunkle amerikanische Ale- und Porter-Biere sowie das aus dem angelsächsischen Raum bekannte Stout enthalten deutlich mehr Prenylnaringenine als zum Beispiel Lagerbier oder Hefeweizen.

Für die Wissenschaftlerin sind solche Forschungsprojekte nahe an der Praxis: «Das Konzept gesundheitsfördernder Inhaltsstoffe wird bereits bei Probiotika sehr erfolgreich umgesetzt. Diese enthalten Bakterien, die niedermolekulare Substanzen produzieren, welche die Tight Junctions abdichten. Man könnte nun ein Wellnessgetränk entwickeln, das mit diesen Prenylflavonoiden angereichert ist.» Nicht zuletzt könnte der zurzeit sehr dynamische Biermarkt von den Forschungen profitieren: Dem traditionsreichen Getränk wäre das Prädikat «gesund» durchaus zuträglich.

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