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Process Mining bei einem Schweizer Produktionsunternehmen

Das Institut für Business Engineering IBE beschäftigt sich seit einiger Zeit mit dem Thema Data Science. Zu diesem Themengebiet gehört auch die Algorithmen-gestützte Analyse realer Geschäftsprozesse, kurz: Process Mining.

Mit dieser Technologie lassen sich Prozesse auf Basis digitaler Spuren in IT-Systemen rekonstruieren und visualisieren. Diverse Anwendungsprogramme erlauben zusätzlich die Analyse der Prozesse durch statistische Auswertungen und Drilldowns.

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Ein in der Schweiz produzierendes KMU hat gemeinsam mit dem IBE ein Projekt gestartet, um diese neue Technologie in ihrem Unternehmen einzusetzen. Dabei sollte Process Mining die realen Prozesse der Unternehmung aufzeigen und aktuelle Schwachstellen und Engpässe identifizieren. Das Ziel des Projekts war es, anhand dieser Auswertungen eine Massnahmenliste zur Optimierung der Abläufe zu erarbeiten, um die Gesamtdurchlaufzeit zu reduzieren.

Der Export der Daten aus dem ERP-System gestaltete sich unkompliziert. Die Datenqualität war hoch, wodurch die Bereinigung nicht viel Zeit beanspruchte. Trotzdem mussten einige leere Zellen gelöscht und offensichtliche Fehler bei der Datumseingabe korrigiert werden.

Die Datenauswertung erfolgte mithilfe einer Process Mining Software. Der Datenupload gestaltete sich aufgrund der nutzerfreundlichen Bedienoberfläche relativ einfach. Das Tool erkannte durch die identische Spaltenüberschrift die relevanten Elemente Case ID, Zeit und Datum, Aktivität als Teilschritt des Prozesses, Ressourcen (z.B. Mitarbeiter) und Attribute (z.B. Kosten, DB, Qualität) selbständig. Mit einem Mausklick visualisierte das Programm den gesamten Prozess von Angebotserstellung zur Auftragsausführung bis zur Buchung des Warenausgangs.

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Innert kurzer Zeit konnte das Projektteam bereits eine gute Übersicht über die Daten und die Prozesse im Unternehmen gewinnen. Die Animation der Aufträge zeigte auf, wo mögliche Engpässe im Prozess auftreten (vgl. Abbildung). Mithilfe statistischer Auswertungen konnten bereits erste Aussagen zur Durchlaufzeit und Liefertreue gemacht werden. Die Filterfunktion erlaubte den Drilldown auf einzelne Produktgruppen und Zeiträume.

Beispielsweise zeigten die Daten auf, dass die Erstellung einer Offerte im Durchschnitt eine Woche dauert. Die Antwortzeit der Kunden beträgt im Durchschnitt über 14 Arbeitstage und ein Angebot wird im Mittel erst nach 5 Arbeitstage in System angelegt. Die Durchlaufzeiten einzelner Produktgruppen variieren stark.

Die Auswertungen haben auch Fehler in den Daten aufgezeigt, die in Excel nicht ersichtlich waren. Die Mitarbeiter haben die Aufträge nicht konsequent erfasst und zum Teil Nachbestellungen mit der gleichen Auftragsnummer abgewickelt. Für einige Aufträge existierten keine Warenausgangsbuchungen und bei wieder anderen war ein falsches Datum hinterlegt.

Interessant war auch, dass die Animation eine Veränderung zwischen 2011 und 2012 deutlich machte. Das Unternehmen konnte anschliessend im Rahmen eines Workshops bestätigen, dass in diesem Zeitraum eine Umstellung der Produktion stattfand.

Eine grundlegende Erkenntnis aus dieser Projektarbeit war, dass die Mitarbeiter in diesem Unternehmen die Daten im ERPSystem gut pflegen und dies auch in Zukunft so beibehalten sollen. Weiter konnten die Beteiligten Probleme bei der Angebotserstellung und bei der Umwandlung von Offerten in Aufträge im System identifizieren. Die Diskussion im Rahmen eines Workshops hat gezeigt, dass dies wohl auf die gut ausgelasteten Verkaufsmitarbeiter zurückzuführen ist, die eine Offerte mit definitiver Bestellung oft zugunsten neuer Offerten liegen lassen und erst bei Gelegenheit in einen Auftrag umwandeln. Als Massnahme wurde deshalb eine Priorisierung der Aufgaben und die Einführung von Key Performance Indicators KPI’s definiert. Weiter fiel auf, dass eine Produktgruppe tendenziell höhere Durchlaufzeiten aufweist als vergleichbare Produktgruppen. Auch hier konnten die Beteiligten entsprechende Massnahmen festlegen.

Das Fazit aus diesem Projekt lautet, dass Process Mining in kurzer Zeit wertvolle Aussagen über eine hohe Datenmenge erlaubt. Um vergleichbare Auswertungen mit Excel erstellen zu können wären sehr gute Skills und ein hoher Zeitaufwand notwendig.

Bedenkt man das stark ansteigende Datenvolumen sind Technologien wie Process Mining überaus zukunftsträchtig. Das IBE verfolgt die Entwicklungen mit Nachdruck weiter und setzt in diversen Projekten mit Industriepartnern diese und vergleichbare Technologien im Themengebiet Data Science in die Praxis um


Autoren: Prof. Dr. Raoul Waldburger, Alicem Azak

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