Die Schweiz weist eine der höchsten Lebenserwartungen in der Welt auf. Während immer mehr Menschen ein hohes Alter erreichen, bleibt die Geburtenrate niedrig.
Diese demografische Alterung ist eine Herausforderung für Individuum, Gemeinschaft und Gesellschaft. Deshalb suchte die Strategische Initiative «Alternde Gesellschaft» nach Wegen, um den Alterungsprozess als Chance und als Motor gesellschaftlicher, das heisst kultureller, sozialer, technischer und ökonomischer Entwicklung zu begreifen und zu nutzen. In insgesamt 19 Projekten forschten FHNW-Expertinnen und Experten in den Bereichen «Ageing Workforce», «Ageing & Living in Place» sowie «Ageing, Health & Social Welfare». Ihr Ziel dabei war es, einen Beitrag zur Verbesserung der Lebenslage sowie der Lebensqualität älterer Menschen zu leisten, um ihre Integration und Teilhabe im Alltags- und Arbeitsleben zu fördern.
Als Grundlage für verschiedene Projekte dienten gezielte Befragungen, mit denen zunächst eine wissenschaftlich basierte Datenlage über die alternde Gesellschaft in den Nordwestschweizer Kantonen geschaffen wurde. So haben die FHNW-Forschenden unter anderem Daten zur Wohn- und Lebenssituation älterer Menschen, zu ihren Bedürfnissen bei Bewegungs- und Sportangeboten sowie zur Einfacharbeit älterer Arbeitnehmender erhoben. In einem breit angelegten Projekt wurden ältere Menschen zu ihren sozialen Beziehungen und Unterstützungsleistungen befragt. Die Informationen aus den Umfragen können Gemeinden, Dienstleistern oder Unternehmen helfen, ihre Angebote und Produkte altersgerechter zu gestalten. Eine neue Internetplattform, der «Altersatlas», nutzt eine Vielzahl der erhobenen Informationen sowie Daten der statistischen Ämter und des Bundes, um Interessierten die gezielte Informationssuche bei altersspezifischen Fragen zu erleichtern.
Zusätzlich zu den informationsbasierten Projekten haben Forschende der FHNW gemeinsam mit Praxispartnern neue Produkte und Anwendungen für ältere Menschen entwickelt. Dazu gehören beispielsweise ein E-Rollator, eine höhenverstellbare Rampe, ein Notfallüberwachungssystem oder ein Türöffner. Diese Neuentwicklungen können der silbernen Generation im Alltag helfen. Das wichtigste Ergebnis der Initiative ist jedoch das bessere Verständnis von altersbezogenen Zusammenhängen. Dieses wird in Folgeprojekten weitere Lösungen für ein Altern in Würde und Selbstständigkeit liefern.
Strategische Initiative «Alternde Gesellschaft» konkret
Im Rahmen der Strategischen Initiative «Alternde Gesellschaft» sind peer-reviewed 11 Publikationen und 21 Konferenzbeiträge erschienen. In 22 Lehrveranstaltungen der Ausbildung sowie in 18 Lehrveranstaltungen der Weiterbildung an der FHNW werden Inhalte verwendet, die in Projekten der Initiative erarbeitet wurden. Studierende haben zehn Projektarbeiten, zwei Bachelor- und sieben Masterarbeiten angefertigt. Es wurden zwei neue Förderanträge bewilligt. Als neue Internetplattform wurde der „Altersatlas“ implementiert.
Rüegger, C. /Ormanns, Y. /Becker-Lenz, R. /Gautschi, J. / Rack, O. (2017): Gefährdungsmeldungen bezüglich älterer Menschen im Erwachsenenschutz: Wer meldet was und warum (nicht)? Zeitschrift für Kindes- und Erwachsenenschutz. 6. 475-493.
Projektbereich: Übergänge in Ruhestand und Karrieren in der Nacherwerbsphase
Beteiligte Hochschulen: Hochschule für Soziale Arbeit (Lead), Hochschule für Gestaltung und Kunst, Hochschule für Wirtschaft
Kurzbeschrieb: Es wurde ein Weiterbildungsprogramm «Erfahrungsunternehmen» für Führungskräfte aus Unternehmen entwickelt , die sich am Ende ihrer regulären Erwerbstätigkeit auf eine (nachberufliche) unternehmerische Tätigkeit vorbereiten möchten. In der Pilotphase lag der Schwerpunkt für Unternehmensgründungen im Sozialwesen (Social Entrepreneurship) und in der Kreativwirtschaft, da hier die besten Chancen zur Umsetzung sowie der grösste Bedarf gesehen wurden.
Projektbereich: Ageing and Living im Smart House
Beteiligte Hochschulen: Hochschule für Angewandte Psychologie (Lead), Hochschule für Architektur, Bau und Geomatik, Hochschule für Technik, Hochschule für Soziale Arbeit
Kurzbeschrieb: Dieses Projekt stellt die Unterstützung von Alltagsaktivitäten zur Steigerung der Alltagskompetenz älterer Personen in den Mittelpunkt. In die Analyse von Alltagsaktivitäten wurden die Wohnung und das Wohnungsumfeld (Siedlung, Quartier, Nachbarschaft) einbezogen. Darauf aufbauend wurden Lösungsszenarien für die Unterstützung älterer Personen generiert, die sowohl räumliche und technische als auch Dienstleistungsaspekte berücksichtigen.
Projektbereich: Wohnen, Mobilität & Partizipation im Alter
Beteiligte Hochschulen: Hochschule für Soziale Arbeit (Lead), Hochschule für Architektur, Bau und Geomatik, Hochschule für Wirtschaft
Kurzbeschrieb: Ältere Menschen und insbesondere Frauen sind in erster Linie zu Fuss unterwegs. Die Gestaltung eines Quartiers oder Stadtteils hat nachweislich einen Einfluss auf die aktive Mobilität wie auch auf die Möglichkeit der Pflege von sozialen Kontakten. In dieser Pilotstudie sollten eine Sozialraumanalyse aus Sicht von betagten Frauen durchgeführt, die Ergebnisse sozialräumlich visualisiert und in einem partizipativen Verfahren mit der Zielgruppe validiert und diskutiert werden. Zu diesem Zweck mussten alters- und gendergerechte Verfahren der Erhebung, der Analyse und der Visualisierung sozialräumlicher Informationen entwickelt und getestet werden.
Projektbereich: Wohnen, Mobilität & Partizipation im Alter
Beteiligte Hochschulen: Hochschule für Architektur, Bau und Geomatik (Lead), Hochschule für Soziale Arbeit
Kurzbeschrieb: Lebensstile älterer Menschen verändern sich. Unterschiedliche Gruppen haben unterschiedliche Bedürfnisse und Wünsche unter anderem auch an den Lebensraum, zum Beispiel an das Quartier, in dem sie leben. Diese Machbarkeitsstudie hatte zum Ziel, diese individuellen, aber auch allgemeine Bedürfnisse zu berücksichtigen und semi‐automatische (v.a. geoinformationsbasierte) Methoden zur Lebensraum‐Charakterisierung auszutesten.
Projektbereich: Soziale Beziehungen, Identität und Heimat
Beteiligte Hochschulen: Hochschule für Architektur, Bau und Geomatik (Lead), Hochschule für Soziale Arbeit
Kurzbeschrieb: Das Projekt richtete seinen Fokus auf jene Einfamilienhausquartiere, die von den 1950er- bis in die 1980er-Jahre entstanden sind. Nicht nur die Häuser, auch deren Bewohnerinnen und Bewohner sind gealtert und altern weiterhin. Die Untersuchung erschloss am Beispiel von zwei kontrastierenden Einfamilienhausquartieren in der Nordwestschweiz den Zusammenhang von Alter, Heimat und Identität im Quartier. Die mit den Methoden der qualitativen Sozialforschung und der architektonisch‐stadtplanerischen Forschung gewonnenen Ergebnisse führen zur Entwicklung planerischer Szenarien für die zukünftige Gestaltung von Quartieren im Sinne eines gelungenen Ageing in Place.
Projektbereich: Korporale Lebenslagen
Beteiligte Hochschulen: Hochschule für Soziale Arbeit (Lead), Pädagogische Hochschule
Kurzbeschrieb: Ältere Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene sind eine besonders verletzliche Gruppe. In Studien zur Migration werden ältere Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene nur punktuell thematisiert, zum Beispiel bezüglich Integration in den Arbeitsmarkt, Bildung, physischer und psychischer Gesundheit, Wohnsituation oder sozialer Kontakte. Meist werden ihre Verhältnisse als prekär charakterisiert. Diese Untersuchung sollte erste Aussagen über die Lebensverhältnisse dieser Gruppe generieren. Sie untersuchte mithilfe von 25‒30 leitfadengestützten Interviews die Lebenssituation von älteren Flüchtlingen und vorläufig Aufgenommenen. Es handelt sich für die Schweiz um eine Pionierstudie.
Projektbereich: Korporale Lebenslagen
Beteiligte Hochschulen: Hochschule für Angewandte Psychologie (Lead), Hochschule für Wirtschaft
Kurzbeschrieb: Eine hinreichende körperliche Gesundheit ist eine Voraussetzung für ein unabhängiges und sozial integriertes Leben. Ziel des Projekts war es, Menschen im dritten Lebensalter darin zu unterstützen, durch regelmässige körperliche Betätigung ihre körperliche Gesundheit zu fördern. Es sollten Gestaltungsprinzipien für Bewegungsprogramme abgeleitet werden, die zu einer langfristigen Verhaltensänderung im Sinne einer dauerhaften Beteiligung an Bewegungsangeboten führen.
Projektbereich: Ageing and Living in Place
Beteiligte Hochschulen: Hochschule für Soziale Arbeit (Lead), Hochschule für Gestaltung und Kunst
Kurzbeschrieb: In der Schweiz leben etwa 20ʼ000 bis 27ʼ000 Menschen mit dem HI-Virus. Dank der antiretroviralen Therapie hat sich die Lebenserwartung HIV-positiver Menschen in den letzten 30 Jahren deutlich erhöht; inzwischen ist in der Schweiz knapp die Hälfte der Betroffenen 50 Jahre und älter. HIV-positive Personen sind häufiger und früher von altersbedingten Beschwerden betroffen als HIV-negative Personen. Hinzu kommen oft Mehrfachdiskriminierungen: HIV-bezogene Diskriminierung, Altersstigmatisierung und Diskriminierung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Betroffenengruppe. Es bestehen Hinweise, dass das Alters- und Pflegesystem in der Schweiz nicht auf die alternden HIV-positiven Menschen vorbereitet ist. Diese Pilotstudie lieferte einerseits wissenschaftliche Grundlagen für die Entwicklung eines Videofilms zur Sensibilisierung von in der Altenhilfe und Altenpflege tätigen Personen und schloss andererseits bestehende Wissenslücken im Bereich Leben mit HIV im Alter.
Projektbereich: Ageing and Living in Place
Beteiligte Hochschulen: Hochschule für Soziale Arbeit (Lead), Hochschule für Wirtschaft
Kurzbeschrieb: Die Analyse von persönlichen Netzwerken hat bereits eine jahrzehntelange Tradition. Mit solchen Analysen lässt sich erkunden, inwiefern Individuen in Netzwerke eingebunden sind. Darüber hinaus interessieren sich Forschende auch für die Qualität der Beziehungen zu den Netzwerkmitgliedern, die Interaktionen zwischen den Mitgliedern oder die vorhandenen Ressourcen in persönlichen Netzwerken. Für dieses Projekt sollten neuartige (analoge und digitale) Darstellungsformen von egozentrierten Netzwerkstrukturen entwickelt werden. Visualisierungen dienten dabei zum einen der Unterstützung der Datengewinnung durch Interviews mit älteren Menschen und zum anderen der Analyse der erhobenen Daten. Ziel war es, das soziale und räumliche System älterer Menschen sowie Unterstützungspotenziale besser zu verstehen, um Unterstützungsangebote konzipieren zu können.
Projektbereich: Ageing and Living in Place
Beteiligte Hochschulen: Hochschule für Architektur, Bau und Geomatik (Lead), Hochschule für Soziale Arbeit
Kurzbeschrieb: Aufbauend auf den Erkenntnissen des Projekts «Heimat und Identität in ‹alternden› Einfamilienhausquartieren», wurde in diesem Nachfolgeprojekt das soziale Netz der hochaltrigen Bevölkerung von Einfamilienhaus-quartieren in der Nordwestschweiz in den Fokus gerückt. Die Fragestellung verbindet Problematiken der alternden Gesellschaft mit sozialräumlichen Themen der Siedlungsentwicklung. Der Siedlungstyp des Einfamilienhausquartiers ist überdurchschnittlich von der gesellschaftlichen Alterung betroffen. Das Projekt untersucht, welche Potenziale für Kontaktmöglichkeiten dieser Siedlungstyp hochaltrigen, in ihrem Mobilitätsradius eingeschränkten Personen bietet. Das Forschungsvorhaben lieferte einen weiteren Baustein für die Anpassung von Quartieren an die Bedarfe einer alternden Gesellschaft und generierte Grundlagen für einen Forschungsschwerpunkt «Alternde Einfamilienhausquartiere».
Projektbereich: Ageing, Health and Social Welfare
Beteiligte Hochschulen: Hochschule für Wirtschaft (Lead), Hochschule für Soziale Arbeit
Kurzbeschrieb: Ziel des Projekts war es, Wissen über sogenannte Zeitvorsorgesysteme am Beispiel des Projekts KISS zu generieren. Die Idee des Vereins KISS Schweiz ist, dass Menschen für freiwillige Tätigkeiten im Bereich der Begleitung und Betreuung älterer Menschen Zeitgutschriften erhalten, die sie später gegen Leistungen einlösen können, von denen sie selbst profitieren. Zwei Forschungsfragen standen im Zentrum des Projekts: - Welche Beweggründe gibt es für eine Beteiligung an der Zeitvorsorge? - Für welche Tätigkeiten ergibt sich eine Übereinstimmung zwischen dem Angebot an und der Nachfrage nach Leistungen?
Projektbereich: Ageing, Health and Social Welfare
Beteiligte Hochschulen: Hochschule für Soziale Arbeit (Lead), Hochschule für Angewandte Psychologie
Kurzbeschrieb: Infolge körperlicher und geistiger Abbauprozesse oder Krankheiten besteht im Alter ein erhöhtes Risiko, auf Unterstützung angewiesen zu sein. Es kann zu einer Gefährdung des Wohlergehens kommen. Um Schutzmassnahmen zu erwirken, gibt es in der Schweiz deshalb das Instrument der Gefährdungsmeldung. Das Projekt analysierte bei einer Erwachsenenschutzbehörde während zweier Monate die eingehenden Gefährdungsmeldungen. Auf dieser Grundlage wurde geklärt, aus welchen Gründen Fachpersonen und Laien eine Meldung machen beziehungsweise warum sie von einer Meldung absehen.
Projektbereich: Ageing, Health and Social Welfare
Beteiligte Hochschulen: Hochschule für Soziale Arbeit (Lead), Pädagogische Hochschule
Kurzbeschrieb: Das Projekt untersuchte körperliche Grenzerfahrungen durch gravierende Einschränkungen infolge von Alter, Krankheit oder Unfall. Dabei standen drei unterschiedliche Generationen im Fokus: jüngere Menschen im Alter von 18 bis 30 Jahren, Menschen des «dritten Alters» (60 bis 75 Jahre) und hochaltrige Menschen (über 80 Jahre). Gesucht wurden Antworten auf die Frage, wie ältere und hochaltrige Menschen, aber auch jüngere, von Krankheit oder Unfall existenziell herausgeforderte Personen, mit den gesellschaftlichen Vorstellungen der Gegenwart von Aktivität, Jugendlichkeit, Fitness und Wellness umgehen, wie sie ihre korporalen Spielräume ausloten und welchen Stellenwert dabei Aktivierungs-, Bewegungs- und Sportprogramme haben.
Projektbereich: Ageing, Health and Social Welfare
Beteiligte Hochschulen: Hochschule für Life Sciences (Lead), Hochschule für Architektur, Bau und Geomatik
Kurzbeschrieb: Neue technologische Entwicklungen machen es möglich, fast jede Bewegung einer Person digital zu erfassen. Diese Möglichkeiten haben auch für ältere Personen ein grosses Potenzial: Sie lassen sich zur Förderung gesunder Verhaltensweisen nutzen. Das Projekt erweitert bestehende visuelle und numerische Analysemethoden von Monitoringdaten und fügt diese in einem prototyphaften Prozess zusammen. Die aufbereiteten Analyseresultate dienen Ärzten und älteren Personen als Diskussionsgrundlage für die allfällig nötige Anpassung von Verhaltensweisen. Die Zusammenarbeit mit dem Forschungsschwerpunkt «Dynamik Gesunden Alterns» der Universität Zürich ermöglicht den Zugang zu einem umfassenden Datensatz und Kontakte zu Praxispartnern.