Einblicke in Studierendenprojekte

Der Weg zu meinem ersten Patent

10. August 2021

Oder wie das Studierendenprojekt «A Successful Power Supply Improvement» zu einer aussergewöhnlichen Erfahrung wurde.

Von Lukas Hausammann und Tony Keller

Lukas Hausammann
Lukas Hausammann

Lukas Hausammann arbeitet heute bei Coperion K-Tron als Controls Engineer. Sein beruflicher Werdegang startete mit einer Lehre als Automatiker EFZ (bei Müller Martini). Nach einer Weiterbildung als Systemtechniker HF, entschied er sich 2016 für ein berufsbegleitendes Studium an der FHNW – und hat es bis heute nicht bereut. Berufsbegleitend bedeutete für ihn, immer wieder die Praxis mit dem Gelernten zu verbinden und auch finanziell unabhängig zu sein. Das modulare Angebot war perfekt für ihn.

Tony Keller
Tony Keller

Tony Keller fand nach einer Lehre als Elektroniker, dem Abschluss der Fachhochschule und einem anschliessenden Studium an der ETH Zürich seine Berufung bei der Firma RCA als R&D Ingenieur – eine Art Daniel Düsentrieb und Erfinder. Dabei konnte er an der Entwicklung des HDTV ebenso teilnehmen wie auch an Projekten im Mobilfunk. Nach 30 Jahren begeistertem Tüfteln und 80 eingereichten Patentanträgen schloss die Firma ihre Tore in der Schweiz. Nun gibt er seinen reichen Erfahrungs- und Wissensschatz an die Studierenden der FHNW weiter. Sein Lieblingsfach ist «Produktentwicklung und Innovation in der Elektrotechnik» (pei), wo er aus dem Vollen schöpfen kann.

Das Thema schien super zu passen, wollte ich doch mein Projekt 5 und meine Bachelor-Thesis in Leistungselektronik absolvieren. Doch das Projekt enthielt eine zusätzliche Herausforderung. Der Ansatz war gewagt und widersprach der gängigen Praxis, den Eingangsstrom einer Schaltung möglichst oberwellenarm und sinusförmig zu halten, um so die vorgeschriebene Norm möglichst perfekt zu erfüllen. Stattdessen lautete die Hypothese, die Korrektur möglichst minimal vorzunehmen mit der Absicht, dass dadurch die Verluste sinken müssten und im Gegenzug die Effizienz der Stromversorgung gesteigert würde. Eine Hypothese ist eine Annahme, die für eine bestimmte Anwendung als wahr angenommen wird, bis sie entweder bestätigt oder widerlegt wird. Etwas mulmig war mir bei dem Gedanken, dass das Projekt eigentlich «reine Spekulation» sei, wie Tony Keller, mein Betreuer, anmerkte. Doch, so versicherte er mir, auch ein Misserfolg könne zu einer guten Note führen, weil sich auch daraus viele Kenntnisse gewinnen liessen. Dies beruhigte mich. Und so war es meine Aufgabe, den Beweis zu erbringen, dass sich mit diesem Ansatz die Verluste verringerten.

Bevor mit dem eigentlichen Versuchsaufbau begonnen werden konnte, musste ich mir die Grundkenntnisse aneignen. Zum Beispiel liess mich Tony, ein klassisches Computernetzteil analysieren, ein sogenannter Power-Factor Corrector (PFC). Alle PFC auf dem Markt sind, wie gesagt, so ausgerichtet, dass möglichst perfekt der genaue Sinus erreicht wird – ohne Rücksicht auf Verluste. Diese Aufgabe war ein perfekter Einstieg in das Thema der Stromversorgung und in die Denkweise mit grösseren Strömen und Leistungshalbleitern. Ausserdem lernte ich, wie man Messreihen organisiert und das Messen selbst systematisch durchführt. Am Ende des Projekts 5 baute ich die Versuchsanordnung auf, um in meiner Bachelor-Thesis die Messreihen durchzuführen und die Hypothese zu beweisen – oder eventuell zu widerlegen. Noch war das Ergebnis offen.

Tony Keller, mein Betreuer, hat über 40 Jahre in der Forschung und Entwicklung (R&D) gearbeitet, und kennt sich entsprechend mit Experimenten und Erfindungen mit offenem Ausgang aus. So hat er an unzähligen Verbesserungen mitgearbeitet u. a. am HDTV und Mobilfunk. Die Zusammenarbeit mit ihm war fantastisch, denn ich habe unglaublich viel über die Arbeitsweise eines R&D-Ingenieurs gelernt.

Die Versuche liefen mit SPICE, einem Hardware-Simulationsprogramm, oder mit MATLAB, bekannt aus dem Unterricht. Der Beweis formte sich in vielen kleinen Schritten, bei denen jeweils einzelne Parameter variiert und protokolliert wurden. Jeder einzelne Baustein der Schaltung musste getestet werden. Und mein Betreuer verlangte, dass ich die Resultate immer wieder präsentierte. Dabei stellte er die genau richtigen, kritischen Fragen, auf die ich nicht immer eine Antwort wusste. Nach einer Weile zeigten die Simulationen tatsächlich die erhofften Ergebnisse, und ich konnte endlich die Hardware realisieren. Die Arbeit bestand sowohl aus Theorie als auch aus dem faszinierenden «Tüfteln» für die Messungen. Am Ende konnten wir mit erstaunlich einfachen Mitteln – mit ein paar Halbleitern, einem Filter und Operationsverstärkern – in die Korrektur eingreifen und so die Effizienz um 0.5 bis 1 Prozentpunkte verbessern, also von ca. 95 % auf 96 %. Umgerechnet ist dies eine Verbesserung um ca. 20 %.

Doch damit ist die Geschichte noch nicht zu Ende. Tony hat mir zu Beginn des Projekts 5 versprochen, wenn wir das Ziel erreichen, dann würde er einen Antrag auf ein Patent stellen. Dazu man wissen, dass er selber viele Patente beantragt und erhalten hat. Ausserdem hat er einige Patentverletzungsexpertisen geschrieben. Nach meiner erfolgreichen Verteidigung haben wir, die Kernaussagen herausgeschält und eine vollständige Beschreibung der Hardware erstellt. Zusammen mit einem Patentanwalt erstellten wir ein Dokument, das die Erfindung ausführlich und detailliert beschreibt. Dabei achteten wir darauf, dass auch kleine Veränderungen der Schaltung durch das Patent abgedeckt sind. Der Antrag titelt: METHOD AND CIRCUIT FOR CONTROLLING CHARACTERISTICS OF THE INPUT CURRENT TO AN ELECTRONIC POWER SUPPLY.

Abb. 1 stammt aus dem Antrag und beinhaltet das Grundschaltung der Erfindung:

Abbildung 1: Blockdiagramm der Schaltung

In Abb. 1 ist die Grundschaltung der Erfindung zu sehen, zum besseren Verständnis – als eine Art Blockschaltung. Block 200 ist eine Standardlösung zur aktiven Korrektur des Leistungsfaktors. Mit Hilfe der Strommessung 230 und einer geeigneten Steuerung 280 wird entsprechend in die Korrekturfunktion eingegriffen.

Nein, das Patent halte ich noch nicht in den Händen. Doch mit der Einreichung ist die Idee nun geschützt und ich kann frei darüber sprechen. Es war nicht immer leicht, «die Katze nicht aus dem Sack zu lassen», denn jede Vorveröffentlichung (in welcher Form auch immer) hätte zu einem neuen Stand der Technik geführt und das Patent verunmöglicht. Nun muss ich mich noch ein paar Jahre gedulden, bis aus meinem Antrag vielleicht ein Patent wird. Mit dem Resultat werden wir die Welt nicht retten, aber einen kleinen Stein zum Puzzle der Energieeffizienz einfügen. Dieses Gefühl ist einfach cool!

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