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Mit KI auf Mäusejagd

25. September 2025

Wühl- und Schermäuse richten in der Landwirtschaft großen Schaden an. Der Mensch hat sich bis dato viele Methoden ausgedacht und ausprobiert, um sie in Schach zu halten. In der vorliegenden Bachelor-Arbeit wurde getestet, wie sich ihre unterirdischen Systeme mit Radar und KI aufspüren lassen.

von Janes Pozar

Janes Pozar class=Janes PozarJanes Pozar schloss 2018 seine Lehre als Automobilmechatroniker bei der Emil Frey AG ab. Anschliessend war er bis 2023 bei der Firma Abt Automobile tätig. Seit 2023 arbeitet er als Projektingenieur und programmiert SPS bei Actemium, einem Unternehmen, das im Bereich Industrie- und Prozessautomation sowie Robotik tätig ist. Parallel dazu begann er im Jahr 2021 ein Studium der Elektro- und Informationstechnik mit dem Schwerpunkt Embedded Systems, das er im Frühjahr 2025 erfolgreich abgeschlossen hat. Seit 2023 liegt sein Fokus auf Tätigkeiten im Mess- und Kalibrierbereich sowie auf der Programmierung von SPS-/PLC-Anlagen.

Mäuse, allen voran Schermäuse, verursachen jährlich Schäden in Millionenhöhe in der Landwirtschaft. Könnten sich die Nager unbehelligt vermehren – ein Pärchen kann jährlich bis zu 100 Nachkommen zeugen (sda/fur, 15.4.2018, Tagesanzeiger) –, hätte dies verheerende Folgen für die Agrarwirtschaft. Denn eine Schermaus frisst pro Tag etwa 150 Gramm Wurzeln, also rund ihr eigenes Gewicht. Zwar stehen Mäuse auf dem Speiseplan vieler Tierarten. Dennoch gelten 40 Exemplare pro Hektare als kritische Grösse. Sind es mehr, können sie nicht mehr in Schach gehalten werden. Deshalb ist es entscheidend, die Populationsentwicklung zu überwachen und zu regulieren (siehe Schermausradar).

Abbildung 1: Stark «befallener» Feldabschnitt, gut erkennbar an den Erdhaufen (Bild: BauernZeitung).

Die Bauern bekämpfen Mäuse seit Jahrhunderten oder gar Jahrtausenden – mit mehr oder weniger Erfolg (siehe Abb. 1). Die Schwierigkeit liegt darin, dass die unterirdischen Mäusegänge weit verzweigt und bis zu 50 cm tief liegen können. Aus diesem Grund hat das Landwirtschaftliche Zentrum Liebegg das vorliegende Projekt in Auftrag gegeben. Das Ziel bestand darin, zu ermitteln, ob sich das Ground Penetrating Radar (GPR) grundsätzlich eignet, um Mäusegänge aufzuspüren. Zu diesem Zweck wurde das System mit Daten aus Feldversuchen getestet, um zu eruieren, ob eine automatische Detektion von Mäusegängen möglich ist. Dadurch soll die Grundlage für eine robotergesteuerte Lösung geschaffen werden.

Aufgaben und Ausstattung

Für die Detektion standen die beiden Geräte GS8000 und GS9000 des Herstellers Proceq zur Verfügung (siehe Abb. 2). Diese Geräte sind insbesondere für die unterirdische Kartierung durch Bauunternehmen geeignet. Das GS9000 verfügt über 50 Antennen, die eine 3D-Darstellung des Untergrunds ermöglichen. Das GS8000 hat dagegen nur eine Antenne und bietet somit lediglich eine zweidimensionale Ansicht. Die primäre Aufgabe dabei war, einen Maustunnel von einer Wurzel oder einem Stein zu unterscheiden. Auch die richtige Aufbereitung der Radardaten war herausfordernd. Das heisst zum einen, die richtige Verstärkung zu finden, und zum andern das genaue Zeitfenster des Signals zu kalibrieren.

Abbildung 2: Das Testgerät GS9000 zeichnet dreidimensionale, unterirdische Strukturen auf.

Zunächst wurden mit den Testgeräten Feldversuche durchgeführt, um Daten zu sammeln. Diese konnten als B-Scans direkt auf dem iPad angezeigt werden (siehe Abb. 3). Anschliessend wurden sie anhand einer manuell erkannten Hyperbel in den B-Scans validiert. Die Validierung erfolgte, indem an Ort und Stelle gegraben wurde, um den Maustunnel zu orten. Auf der Basis der Testergebnisse wurde schliesslich das Programm entwickelt. Dabei dienten die ermittelten Tunnel wiederum zur Validierung des Programms.

Abbildung 3: B-Scan – Links ist das Signal (grün) an einer lokalen Stelle aufgezeichnet (A-Scan) mit der umhüllenden Kurve (rot), rechts (Graustufenbild) sind mehrere solcher A-Scans aneinandergereiht. Die Hyperbeln deuten auf eine stark punktförmige Reflexion hin.

Das Programm HypDetection erstellt aus den Radar GPR-Daten zunächst B-Scans, die anschliessend durch das RetinaNet-Objekterkennungsmodell ausgewertet werden. Dieses Modell erkennt Hyperbeln in den Bildern und gibt ihre jeweilige Position an. Das RetinaNet wurde ursprünglich von der Universität Kiel im Team von Dr. Tina Wunderlich zur Erkennung von Hyperbeln in archäologischen Anwendungen vortrainiert. Für die Auswertung der erzeugten Datenpunkte des RetinaNet-Modells wurde der DBSCAN-Algorithmus (Density-Based Spatial Clustering of Applications with Noise) verwendet. Der Algorithmus kann mehrere Cluster erkennen und Punkte identifizieren, die zu keinem Cluster gehören (siehe Abb. 4). So können nahe beieinanderliegende Punkte als Struktur erkannt und Störungen herausgefiltert werden.

Abbildung 4: Der rechte Teil zeigt die Punkte vor dem DBSCAN-Algorithmus an, der linke nach der Anwendung des Algorithmus.

Die generierten Datenpunkte des RetinaNet-Modells können gelabelt (siehe Abb. 5) und mithilfe des B-Scans sichtbar gemacht werden. Auf diese Weise war es möglich, die in den Feldversuchen gefundenen Hyperbeln zu überprüfen.

Abbildung 5: Der linke Teil enthält alle detektieren Punkte mit ID, der rechte ist das Rasterbild nach der Auswertung der Hyperbel-Validierung mit RetinaNet ResNet-50.

Von den Radardaten zur Visualisierung

Eine grosse Herausforderung bestand darin, die richtigen Parameter zu definieren. Entscheidend war die richtige Verstärkung der Daten in den Graustufenbildern (B-Scans). Um eine gute Abgrenzung der Kontraste zwischen Schwarz und Weiss zu erzeugen, damit das RetinaNet-Modell möglichst viele Hyperbeln erkennen kann, muss im richtigen Zeitfenster (0 – 16 ns) verstärkt oder abgeschwächt werden. Ein weiterer Faktor war die richtige Parametrierung des DBSCAN-Algorithmus. Dabei ist entscheidend, ab wie vielen Punkten diese ein Cluster bilden oder als Rauschen gelten.

Ein grösserer Kontrast in der Permittivität (d. h. der Durchlässigkeit für elektrische Felder zwischen zwei Medien) führt zu einer stärkeren Reflexion des GPR-Signals an deren Grenzfläche. Dies ist das Prinzip, auf dem die Detektion von Schichtgrenzen und Objekten beruht. Bei einer höheren Permittivität, wie sie typischerweise in nassem oder tonhaltigem Boden vorliegt, verringert sich die Ausbreitungsgeschwindigkeit der elektromagnetischen Welle. Dies führt zu längeren Laufzeiten. Bei der Interpretation der Radardaten muss diese Korrelation berücksichtigt werden, da sich dieselbe Laufzeit in unterschiedlichen Böden auf stark abweichende Tiefen beziehen kann. Das bedeutet, dass bei einer höheren Permittivität das Fenster, in dem die Daten dargestellt werden, länger gewählt werden muss, ebenso braucht es eine Anpassung der Signalverstärkung.


Abbildung 6: Parameter 1 (unten) mit 0-dB- sowie zeitkompensierter 2-dB-Verstärkung; Parameter 2 (oben) mit 4-dB- und zeitkompensierter 0-dB-Verstärkung.

Abb. 6 zeigt zwei B-Scans mit unterschiedlichen Parametern. Die Verstärkung des Signals ist in den Kontrasten zwischen Schwarz und Weiss erkennbar. Diese entstehen durch Polaritätswechsel im Signal (siehe Abb. 3). Starke Kontraste ergeben sich aus abrupten Änderungen der Permittivität, wie sie beispielsweise an der Grenze zu einem luftgefüllten Tunnel (Mausgang) auftreten. Graue Farben entstehen bei homogenen Materialien, bei denen die Permittivität sehr ähnlich ist. Schwarz- und Weissfarben sprechen dagegen für eine starke Änderung der Permittivität in den Materialien.

Die Stunde der Wahrheit im Feld

In den Feldversuchen wurden sowohl die Geräte, die Programme als auch unterschiedliche Detektionsverfahren getestet. Um vergleichbare Ergebnisse zu erhalten, wurden die ausgewählten Felder systematisch mit den Geräten abgefahren. Folgende Parameter waren dabei essenziell: das Fahr- und Scanmuster (schachbrettartig oder linienartig), der Abstand der Bahnen für die Anzahl der ermittelten Daten und die Fahrgeschwindigkeit. Obwohl der Zeitaufwand (Anzahl der Bahnen) und auch die Datenmenge korrelieren, führen sie nicht zwingend zu gegenteiligen Ergebnissen. Ausserdem wurde auf unterschiedlichen Feldern getestet: Einerseits in einem Obstgarten, in dem Bäume und ihre Wurzeln die Fahrbahnen und Geschwindigkeiten beschränken, und andererseits in unterschiedlichen Terrains, am Hang und in der Ebene sowie auf stark unebenem und ebenem Boden.

Abbildung 7: C-Scan, Ansicht eines Tunnels.

Abb. 7 zeigt einen C-Scan der Bahn, die mit dem GS9000 abgefahren wurde. Diese Methode ermöglicht eine dreidimensionale Darstellung des Untergrunds. Dabei «schneidet» man – wie bei einer Computertomographie – durch verschiedene Ebenen des Bodens. Die roten Stellen weisen auf eine starke Reflexion des Radarsignals hin. Es handelt sich somit um eine starke Änderung der Permittivität im Boden. In diesem Fall ist es ein Maustunnel, der zu erkennen ist und mit schwarzer Farbe eingezeichnet ist. Dieses Verfahren wurden zusätzlich verwendet, um Tunnelstrukturen besser zu verfolgen und zu validieren.

Prozessschritte

Die automatische Hyperbelerkennung in B-Scans mit dem RetinaNet-Modell bildet den Kern der Arbeit. Der Ablauf ist wie folgt (siehe Abb. 8): Zunächst werden die Daten im. sgy-Format eingelesen, einem universellen Dateiformat für Georadardaten. Diese Daten werden ins B-Scan Format umgewandelt, das anschliessend vom RetinaNet-Modell weiterverarbeitet werden kann. Danach werden die Daten mit dem DBSCAN-Algorithmus gefiltert, was sich als äussert effektiv erwies. Durch diese Aufbereitung der Daten war es möglich, relevante Hohlraum-Signaturen von unspezifischem Rauschen oder Interferenzen, die durch Signalartefakte wie Wurzeln oder schlechten Bodenkontakt verursacht wurden, zu trennen.

Abbildung 8: Programmablauf der Datenverarbeitungs- und Visualisierungspipeline.

Beeinflussende Faktoren

Die Leistungsfähigkeit eines GPR-Systems hängt vom Zusammenspiel verschiedener physikalischer Parameter ab. Dabei sind die elektrischen Eigenschaften des Mediums von zentraler Bedeutung. Zu den wichtigsten Eigenschaften zählen die Permittivität, welche die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Radarwellen beeinflusst, und die Leitfähigkeit des Untergrundes, die ein Signal dämpfen kann. Beim Test sind entsprechend Probleme aufgetreten, wenn die Oberfläche mit nassem Gras bedeckt war. Diese nasse Schicht dämpft das Signal. Dadurch steht weniger Signalenergie zur Verfügung, um in den Boden einzudringen.  

Abbildung 9 zeigt drei verschiedene Versuche mit unterschiedlichen Bahnabständen, links mit 1 Meter, Mittel mit 1.5 Meter und rechts mit 2 Meter Abstand.

Wie in Abb. 9 zu erkennen ist, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Mausgänge zwischen den Bahnen «verloren» gehen, mit zunehmendem Bahnabstand. Die Bahnen in Y-Richtung sind rot, die in X-Richtung blau gezeichnet. Offensichtlich wurden umso weniger Datenpunkte erzeugt, je größer der Bahnabstand gewählt wurde, was die Detektionswahrscheinlichkeit beeinträchtigt. In der Abbildung sind Bahnabstände von 1 m, 1.5 m und 2 m dargestellt. Der optimale Bahnabstand, Kompromiss zwischen Aufwand und Genauigkeit, wurde bei 1.5 m gefunden

Mehr heisst nicht besser

Eine weitere Aufgabe im Projekt war der Test beider GPR-Geräte. Auf den ersten Blick mag es erstaunen, dass der GS8000 bessere Ergebnisse lieferte als der GS9000. Dies, obwohl Ersterer nur mit einer Antenne verbunden war, während der GS9000 über 50 Antennen verfügte. Der Grund dafür ist, dass die Geräte unterschiedlichen Bodenkontakt haben. So kann der GS9000 zwar eine Breite von 85 cm abdecken, er liegt auf unebenem Untergrund jedoch nie perfekt auf. Dadurch hat er ungleichmässigen Bodenkontakt. Der GS8000 ist dagegen nur 40 cm breit und berührt den Boden deutlich gleichmässiger und konstanter. Das führt dazu, dass die Radardaten weniger Verzerrungen und Interferenzen aufweisen.

Abschliessend lässt sich sagen, dass die Kombination aus GPR und Bilderkennung (maschinelles Lernen) ein brauchbarer Ansatz zur Detektion von Mäusegängen ist. In dieser Machbarkeitsstudie konnte nachgewiesen werden, dass dieses Prinzip als Grundlage für die Detektion geeignet ist. Das Projekt offenbart jedoch auch Potenzial für Verbesserungen.

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