Aus dem Institut, Bachelor in Geomatik, IGEO Events

Weiterbildungsanlass Institut Geomatik 2022

31. Mai 2022

Der diesjährige Weiterbildungsanlass führte uns für zwei Tage ins Berner Oberland. Dabei besuchten wir nicht nur die im Gelände arbeitenden Studierenden nahe Brienz und informierten uns über ihre jeweiligen Ausbildungsprojekte, sondern besichtigen auch zusammen die Grimselwelt zwischen Räterichsboden und dem unterirdischen Kraftwerk Grimsel 2. Dabei gab es bei hochsommerlichem Wetter jede Menge zu bestaunen.

Seit 1978 präsentiert das Freilichtmuseum Ballenberg auf einem grosszügigen Areal bei Hofstetten historische Gebäude, Nutztiere und Ausstellungen und vermittelt somit Einblicke in das Handwerk und die Landwirtschaft der letzten Jahrhunderte. Während die Gebäude für gewöhnlich traditionelle Relikte aus den jeweiligen Epochen beherbergen, fanden sich in der vorigen Woche nun auch hochmoderne Vermessungsgeräte in den Stuben – was bei einigen Besuchenden sicher für Verwunderung gesorgt haben dürfte. Diese waren Teil eines Studierendenprojektes, in welchem das gesamte Areal und zahlreiche Gebäudefassaden mit Drohnenbefliegungen, Fotografie und Photogrammetrie von aussen aufgenommen wurden, während in den Innenräumen unterschiedlichste hochauflösende Laserscanning-Systeme ausprobiert und verglichen wurden. Im Zusammenspiel von stationären Systemen mit neusten Handgeräten entstanden so eindrucksvolle 3D-Modelle, welche die komplexen Geometrien bis in die hintersten Winkel äusserst detailliert abbilden und mittels hochgenauen Positionsmessungen georeferenzieren. Diese Resultate werden nach dem Abschluss der mehrtägigen Arbeiten dem Museum zur Verfügung gestellt.

Nach den spannenden Kurzvorträgen durch die Studierende des 6. Semesters an den jeweiligen Stationen blieb noch ein wenig Zeit, das Gelände zu besichtigen, bevor es dann in einem kurzen Fussmarsch zum Ferienlager Riibi ging, welches das Basislager für die Messkampagnen im Bergsturzgebiet Schwanderbärgli bildet.

Seit mehr als einem Jahrhundert ist dieses Gebiet an der Südflanke des Brienzer Rothorns als Bergsturzgebiet bekannt. Aufgrund der fortwährenden Bewegung des Untergrundes und der potentiellen Bedrohung der darunterliegenden Gemeinde Schwanden bedarf der durch drei Wildbäche zergliederte Hang einer kontinuierlichen Überwachung. Sehr eindrücklich schilderte uns Peter Maler in seinem Vortrag die anspruchsvollen Bedingungen, unter denen die Studierenden diese Vermessungen im Gelände vornehmen.

Während bis in die 90er Jahre die als Rotationsrutschung identifizierte Bewegung mit 10-15 cm pro Jahr voranschritt, verläuft jene zurzeit deutlich langsamer, wobei es punktuell jedoch auch einige Ausreisser gibt. In den alle zwei Jahre ausgeführten Analysen werden jedoch auch Veränderungen an der 1911 gebauten Schwergewichtsmauer beobachtet, welche die Rutschung bremsen und eine Aufforstung zur Stabilisation ermöglicht hat. So bleibt dieses ingenieursgeodätische Forschungsprojekt weiterhin höchst relevant und wird auch kommenden Studierenden Kompetenzen in der Messtechnik, geodätischen Statistik, Deformationsanalyse aber auch der Datenvisualisierung und Öffentlichkeitsarbeit vermitteln können.

Mit Apéro und Abendessen im Hotel am Brienzersee fand dieser Tag einen gelungenen Abschluss. Tags darauf ging es, mit den Studierenden zusammen auf zwei Postautos verteilt, der Aare aufwärts folgend Richtung Grimselpass. Während der Pass aufgrund von Schnee und Lawinengefahr noch gesperrt war, besichtigten wir, in Gruppen aufgeteilt, die etwas darunter liegenden Energiegewinnungsanlagen in der Grimselwelt.

Zum einen konnten wir hier die Staumauer des Räterichsbodensees besichtigen, welche durch die im Gebiet momentan laufende Kiesverarbeitung nur eingeschränkt der Öffentlichkeit zugänglich ist. Zunächst führte uns Simon Klingele von der Flotron AG in das Thema Vermessung und Überwachung der Staumauer ein. Auch diese, alle 5 Jahre durchgeführte und jeweils drei Tage dauernde Messkampagne ist komplex, da die Strukturen bei einem annähernd gleichen Seespiegel und bis auf den halben Millimeter genau vermessen werden müssen.  Dabei ergaben sich über die letzten 40 Jahre gesehen, Veränderungen von wenigen Zentimeter, in denen zudem auch Faktoren wie das Aufquellen des Betons durch Umwelteinflüsse zu berücksichtigen sind.

Anschliessend folgten wir, nun mit Sicherheitshelmen, Stirnlampen und Warnwesten ausgerüstet den Besucherführenden ins Innere der über 90 m hohen und am Sockel bis zu 70 m breiten Konstruktion. Erstaunlicherweise handelt es sich dabei nicht um eine durchgehend massive Betonwand, sondern um mehrere, einzelne Querelemente, die durch meterbreite Fugen unterbrochen und durch verschiedene Gänge erreichbar sind. Diese dienen der Drainage und Kabelführung oder aber der Wartung und Kontrolle des Bauwerkes, welche mithilfe u.a. von visueller Begutachtung, Gesteinsanalysen und langen Lotdrähten durchgeführt wird.

Nach einem ausgiebigen Mittagessen in Guttannen ging es am Nachmittag noch einmal hinauf zum Stausee. Durch einen über 2 km langen Stollen führt die Zufahrt zum Kraftwerk Grimsel 2 und verläuft dabei unter dem Grimselsee hindurch – für uns ganz bequem im Postauto bis vor den unterirdischen Eingang. Das Kraftwerk erzeugt nicht nur Strom über die durch Wasserkraft in Gang gesetzten Turbinen, sondern kann, dank der ausgefeilten Stollenanlage zwischen den einzelnen Seen, auch Wasser verteilen und zurückpumpen. In welche Richtung Wasser fliesst, richtet sich dabei nach einer detaillierten Tagesvorgabe, die neben den Bedürfnissen auch den aktuellen Strompreis an der Börse berücksichtigt. So dient die Grimselwelt nicht nur zur Stromerzeugung, sondern auch als Energiespeicher und als Hochwasserschutz für das darunterliegende Tal.

Ein letztes Highlight konnten wir ganz zum Schluss bestaunen, nämlich die bei den Sprengungen im Tunnelbau offengelegte, meterlange Kristallkluft. Spätestens beim Anblick der riesigen, vor Millionen von Jahren entstandenen Kristalle fühlten sich manche an die Minen aus Tolkiens Universum erinnert. Nachdem wir ans Tageslicht zurückgekehrt waren, endete unsere Besichtigung mit einer kurzen Begehung der Mauerkrone und dem Blick auf das darüberliegende Gelände, bevor es dann mit Bus und Bahn wieder nach Hause ging.

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