Studierende berichten, Bachelor in Geomatik

Studierende berichten: Vermessungalltag auf der archäologischen Ausgrabung am Sirkeli Höyük, Türkei

13. März 2023

Es ist noch fast Nacht im kleinen Dorf Sirkeli nahe der Stadt Adana in der Türkei, wenn mich morgens mein Wecker unsanft aus dem Schlaf reißt. Nicht einmal der örtliche Muezzin, der bald zum morgendlichen Gebet aufrufen wird, ist um diese Zeit schon zu hören.

In der Dämmerung, noch vor dem Frühstück, besteige ich mit einem GPS-Koffer und einem Stativ den Sirkeli Höyük, einen 30 Meter hohen Grabungshügel (Höyük bedeutet auf türkisch Hügel), dessen Mitte mein Ziel ist. Dabei komme ich am Grabungssektor D vorbei, wo ich auch gleich meinen ersten Auftrag des Tages erhalte: das Einmessen mehrerer Kleinfunde.

Zunächst aber muss ich erst einmal die Basis selbst aufbauen, damit ich überhaupt irgendeine Messung im lokalen Koordinatensystem des Projektes durchführen kann. Dazu kämpfe ich mich durch die dornige Flora und Fauna des Hügels, die speziell dafür gewachsen zu sein scheint, mir das Leben schwer zu machen, indem sie immer wieder zu unangenehmen, blutigen Kratzern am ganzen Körper führt. Am Mittelpunkt des Hügels angekommen, suche ich den mir bereits bestens vertrauten Festpunkt 905005 auf, über dem ich täglich die Basis installieren muss, während auf der einen Seite majestätisch die Ruine der Kreuzfahrerburg Yılan Kale über mir thront und auf der anderen Seite, nicht weniger beeindruckend, die Sonne emporsteigt.

Zurück im „Depot“, das einst ein kleiner Bahnhof an der – den Historikern wohl bekannten – Bagdad-Bahn war und heute als Arbeitsort des archäologischen „Innendienstes“ (Fundregistrierung und -bearbeitung) fungiert, bereite ich mich für meine Einsätze über den Tag vor.

Einen Tachymeter brauche ich eher selten, anders als in vielen anderen Geomatiker-Bereichen. In der Archäologie genügt die Genauigkeit des alten GPS-Gerätes, das an die Wand gelehnt, neben der Photogrammetrie-Drohne auf seinen Einsatz wartet. Ich erklimme also, diesmal mit GPS-Rucksack auf dem Rücken und -rover in der Hand, den Sirkeli Höyük, zurück auf dem Weg zu Sektor D, der zwar am nächsten zu mir liegt, dafür aber auch den größten Höhenunterschied zum Depot aufweist.

Mein Auftrag lautet, eine Serie von Kleinfunden einzumessen, die am Vortag ausgegraben und deren Fundorte mit Nägeln markiert worden sind. Dabei muss ich mich strikt an die Anweisungen der „Schnittleiter“ halten. Die aus dem örtlichen Sirkeli Köy (Sirkeli Dorf) stammenden Arbeiter versuchen mir bei meiner Aufgabe zu helfen, was allerdings aufgrund meiner mäßigen Türkisch-Kenntnisse oft nur mittels wilder Gestikulation möglich ist.

Nach etwa einer halben Stunde, in der wir parallel zu den Messungen auch über die neuesten Funde, neu gelernte türkische Wörter und das aktuellste Dorfleben tratschen, geht am Handy der nächste Auftrag bei mir ein: in Sektor F, dem zweiten unserer drei „aktiven“ Grabungssektoren, soll noch vor dem Nachmittag eine Photogrammetrie aufgenommen werden. Diese wird in der Archäologie inzwischen gerne eingesetzt, um im Nachhinein Gebäudestrukturen sowie andere archäologisch interessante Objekte zu dokumentieren. Dazu muss ich zuerst Referenzpunkte setzen und einmessen, die entsprechenden Punkte dann später auf den Aufnahmen wiedererkennen und punkt-genau markieren.

Nachdem der gesamte Arbeitsbereich ausgiebig gesäubert worden ist, will ich mich – das GPS durch die Drohne ausgetauscht – direkt an die Arbeit machen, werde jedoch von der auf dieser Grabung sehr beliebten Cola Mola (türkisch für Cola-Pause) unterbrochen. Wie jeden Tag kann ich mich der Gastfreundschaft unserer türkischen Arbeiter nicht verwehren und so sitzen wir in einem kleinen, provisorischen Zelt, dem einzigen Schattenplätzchen des ganzen Sektors, und trinken gemeinsam Pepsi und Yedigün, eine Art Limonade, bevor ich mich dann tatsächlich daran mache, die Grabungsstelle mit der Drohne rastermäßig abzufliegen und zu fotografieren.

Kaum ist diese Arbeit erledigt, folgt die Mittagspause, die wir nicht nur fürs Mittagessen, sondern auch für ein Mittagsschläfchen in der heißesten Zeit des Tages nutzen. Danach verlagert sich unsere Arbeit ins Depot, wo wir „Außendienstler“ uns der Nachbearbeitung und Auswertung unserer Vormittagsarbeit widmen.

18.00 Uhr – Feierabend: Die Instrumente werden wieder eingepackt, die Basis abgebaut und alles in meinem eigenen kleinen Vermesserraum im Depot verstaut.

Danach geht es für die gesamte Grabungsmannschaft, bestehend aus mehr als 20 Personen gemischt Schweizer, türkischer und deutscher Nationalität, zum Abendessen ins Wohnhaus. Bei einer gut gekühlten Flasche Bier, gemütlich plaudernd, Karten spielend oder auch bei mehr oder weniger erfolgreichen Sprachlernrunden im Anschluss kann man es sich, sofern man nicht gerade das Los gezogen hat, den Abwasch für die gesamte Crew machen zu dürfen, von den Mühen des Tages erholen. Meist schafft man es erst sehr spät ins Bett und sich, den lästigen Stechmücken trotzend, zum Schlafen zu zwingen.

Obwohl die langen Arbeitstage auf archäologischen Grabungen in glühender Hitze ausgesprochen anstrengend sind und keineswegs den „romantischen“ Abenteuern der Actionfiguren Indiana Jones oder Lara Croft ähneln, sind die Erlebnisse, die ich hier sammle, einzigartig.

Ich habe hier im Süden der Türkei eine Art Familie gefunden, die sich über kontinentale Grenzen hinwegsetzt und mit der selbst das Arbeiten unter schwierigsten Bedingungen Spaß macht.

Autor: Marosch Novak, Studierender Bachelor in Geomatik im 4. Semester

zurück zu allen Beiträgen

Kommentare

Keine Kommentare erfasst zu Studierende berichten: Vermessungalltag auf der archäologischen Ausgrabung am Sirkeli Höyük, Türkei

Neuer Kommentar

×