1933, Solothurn

1933 – Es begann in einer Schreinerei

9. August 2021

Als das Seraphische Liebeswerk Solothurn 1933 das Sozial-Pädagogische Fürsorgerinnen-Seminar gründete, stand dieses nur den Mitgliedern der Schwesternschaft offen. Sie sollten für ihre sozialen Aufgaben ausgebildet werden. Im Laufe der Zeit öffnete sich die Schule immer mehr und wurde 1969 schliesslich zur Schule für Sozialarbeit. Mitten im Geschehen war auch die heutige Oberin Käthy Arnold.

Das Riegelhaus an der Gärtnerstrasse 7. Quelle: Privatbesitz Käthy Arnold

Käthy Arnold, Oberin des Seraphischen Liebeswerks Solothurn (SLS), steht auf dem Balkon im zweiten Stock des Gebäudes an der Gärtnerstrasse 21 und deutet in Richtung Süden. «Genau dort hat die Geschichte vor fast 100 Jahren begonnen.» Hinter einer grossen Tanne ist mit gutem Willen das Dach des kleinen Riegelhauses der Gärtnerstrasse 7 auszumachen, in dem einst eine Schreinereiwerkstätte untergebracht war. Und genau in dieser ausrangierten Werkstatt hat die Ausbildung im Bereich Soziale Arbeit im Kanton Solothurn ihre Wurzeln. Dort sprang der Funke für eine soziale Ausbildung, was 2006 schliesslich in die Hochschule für Soziale Arbeit FHNW mündete. Doch der Reihe nach.

Im Jahr 1919 gründeten der Krankenpater Florian Walker, der Arzt Fritz Spieler und seine spätere Frau Hilda Spieler-Meyer einen Verein, der sich die Hilfe für Kinder und Familien in Not zur Aufgabe machte. Inspiriert wurden sie dabei von Liebeswerkgründungen in Deutschland, weshalb sie sich für Seraphisches Liebeswerk Solothurn, kurz SLS, als Vereinsnamen entschieden. Die Notlage kurz nach dem Ersten Weltkrieg war gross, entsprechende soziale Einrichtungen fehlten. Daher erstaunt es nicht, dass dem SLS bereits kurz nach seiner Gründung von allen Seiten Notlagen gemeldet wurden. Und diese waren vielfältig, so dass die zwei Mieträume, die dem Verein zur Verfügung standen, bald nicht mehr ausreichten. Der Wunsch nach einem eigenen Zentrum mit Arbeitsräumen und Wohnmöglichkeiten für freiwillige Helferinnen und für die vorübergehende Aufnahme von Kindern drängte sich auf. An der Gärtnerstrasse 7 konnte der Verein schliesslich die eingangs erwähnte Schreinereiwerkstätte mitsamt Wohnung erwerben. Das einfache Riegelhaus wurde zum ersten «Antoniushaus». Im Zusammenhang mit dem Verein SLS entstand die heutige Schwesterngemeinschaft SLS, deren Mitglieder sich die Vereinsaufgaben verschrieben haben. Die ersten Frauen, damals «Fürsorgerinnen» genannt, fanden 1924 im Riegelhaus an der Gärtnerstrasse den Ort ihrer Bestimmung. Im Laufe der Zeit konnten weitere Liegenschaften in unmittelbarer Nähe erworben werden.

1933 gründete das SLS das Sozial-Pädagogische Fürsorgerinnen-Seminar. Dies mit der Idee, dass die Mitglieder des SLS gut für ihre soziale Aufgabe ausgebildet wurden. Auf dem Stundenplan stand unter anderem Handarbeit, Werken und Flötenunterricht. Fertigkeiten, die als wichtig erachtet wurden, um mit Kindern arbeiten zu können. Die Ausbildung dauerte damals ein Jahr; 1958 wurde sie auf zwei, 1963 auf drei Jahre verlängert. Und es waren dies nicht die einzigen Veränderungen: 1960 wird erstmals eine Studentin aufgenommen, die nicht Mitglied des Seraphischen Liebeswerks war. 1968 formuliert Anton Hunziker, Dozent am Heilpädagogischen Institut der Universität Fribourg, im Auftrag des SLS schliesslich ein neues Ausbildungsprogramm. Es richtete sich nach dem Minimalprogramm der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft der Schulen für Soziale Arbeit (SASSA). Die sozialwissenschaftlichen Lehrinhalte bekamen einen neuen Stellenwert innerhalb der Ausbildung. Sie wurden nach ihrem Nutzen für die Soziale Arbeit ausgewählt. Und: Das neue Programm nahm amerikanische Entwicklungen der damaligen Zeit auf. Mit dem Inkrafttreten des neuen Ausbildungsprogramms 1969 folgte der Namenswechsel; die Ausbildungsstätte wurde zur «Schule für Sozialarbeit Solothurn» (SSAS). Eine weitere Neuerung: Von nun an waren auch Männer zur Ausbildung zugelassen.

Eine, die den ersten Lehrgang nach neuem Programm absolvierte, war Käthy Arnold, heute Oberin des SLS. Sie seien damals in ihrem Jahrgang zu zehnt gewesen, sechs Frauen und vier Männer, erzählt sie. Die Ausbildung habe sie als sehr bereichernd in Erinnerung. «Wir pflegten ein sehr kollegiales Verhältnis.» Zudem habe sie die thematische Freiheit geschätzt, die sie und die anderen Studierenden im Unterricht genossen. Aus vielen Abschlussarbeiten seien konkrete Projekte entstanden – es wurden Spielplätze eingerichtet, Jugendtreffs aufgebaut und Angebote für ältere Menschen geschaffen. Und es sei eine politisch bewegte Zeit gewesen, sagt Arnold. Die 1968er-Bewegung war in vollem Gange, gleichzeitig lief die Heimkampagne. «Das hat viele stark geprägt und auch politisiert.» Dabei sei es auch zu personellen Turbulenzen an der Schule gekommen (siehe auch «1969, Solothurner Frühling – als die Theorie zur Praxis wurde»). Doch eine der Stärken der Schule sei es aber gewesen, auf schwierige Situationen zu reagieren und nach Lösungen zu suchen. «Diese Anpassungsfähigkeit hat uns stets ausgezeichnet.»

Die ersten beiden Jahre ihrer Ausbildung hatte Käthy Arnold in den Schulräumen im sogenannten Greibenhof absolviert. Dort fand der Unterricht in einer Wohnung im oberen Stockwerk statt. Doch da wurde es mit der Zeit etwas eng. «Und als wir an der Fasnacht ausgelassen tanzten, machte sich der Rektor ernsthaft Sorgen um die Statik.» Die Schule richtete sich fortan im Gebäude an der Gärtnerstrasse 21 ein. Das Gebäude sollte während zwei Jahrzehnten das Zuhause der SSAS bleiben – und als «schönstes Schulhaus Westeuropas» in die Annalen eingehen, wie die Solothurner Zeitung im Februar 1992 schrieb. Mit dem Umzug ins ehemalige Kino Scala an der Weissensteinstrasse 5 in Solothurn 1992 ging dieses Kapitel zu Ende. Es blieb nicht die letzte Veränderung: 1998 wurde die Schule – sie hiess inzwischen Höhere Fachschule für Soziale Arbeit – durch den Kanton Solothurn übernommen und in die Fachhochschule des Kantons Solothurn integriert. 2001 wurde die Ausbildungsstätte an den Standort der Fachhochschule Nordwestschweiz in Olten verlegt. Die Schule habe sich in die richtige Richtung entwickelt, sagt Käthy Arnold. «Und wir sind stolz, haben wir einen Teil zu dieser Entwicklung beitragen können.»

Informationen aus:

  • Gespräch mit Käthy Arnold, 4. Juni 2021
  • Jahresbericht Seraphisches Liebeswerk Solothurn 2020
  • Informationsschrift zum 100-Jahrjubiläum des Seraphischen Liebeswerk Solothurn, 2019
  • Geschichte der Höheren Fachschule für Soziale Arbeit, zusammengestellt von Josef Stalder, ergänzt durch Käthy Arnold
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