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14.12.2023 | Hochschule für Technik

«Die Verknüpfung von realer und digitaler Welt fasziniert»

Prof. Dr. Hilko Cords ist Professor für Visual Computing am Institut für Interaktive Technologien der Hochschule für Technik FHNW und forscht unter anderem im Bereich der Computerspiel-Entwicklung. Im Interview erzählt er, warum es so schwierig ist, ein erfolgreiches Game zu planen – und wo die spannendsten Trends in der Gamebranche liegen.

Schwarz-Weiss-Portrait von Hilko Cords

Hilko Cords forscht zum Thema Visual Computing an der FHNW.

Hilko Cords, was macht eigentlich ein gutes Game aus?

«Ein gutes Game muss Spass machen!» Das ist vermutlich die häufigste Antwort, die man auf diese Frage erhalten würde. Wir alle haben eine intuitive Vorstellung darüber, was ein Game ist, und eine individuelle Meinung darüber, was Spass bedeutet. Eine allgemeingültige Definition dieser beiden Begriffe im Kontext von Computerspielen ist jedoch schwer fassbar und berücksichtigt z.B. Theorien aus der Psychologie, der Informatik, dem Game-Design und der Kunst.

Die Definition eines «guten Spieles» ist sehr subjektiv. Geschmäcker sind von Mensch zu Mensch verschieden. Während eine Spielerin z.B. Strategiespiele bevorzugt, präferiert ein anderer Spieler Geschicklichkeitsspiele.

Welche Elemente dürfen in keinem Game fehlen?

Was fast alle Computerspiele unabhängig der jeweiligen Genres gemeinsam haben, sind Komponenten aus den vier Bereichen Spielmechanik, Ästhetik, Story und Technologie. Die jeweilige Gewichtung dieser Schwerpunkte ist dabei von Spiel zu Spiel unterschiedlich. Manche Spiele, wie etwa das klassische Schach, fokussieren eher auf das Gameplay, andere verwenden beispielsweise das Gameplay als Medium, um eine Geschichte zu erzählen.

In letzterem Ansatz finden sich oftmals viele traditionelle künstlerische Einflüsse, wie man sie aus der Cinematographie, Dramaturgie, Musik und den visuellen Künsten kennt. Diese werden im Spiel dann über das Game Design zusammengeführt und synchronisiert.

Gibt es Gemeinsamkeiten unter erfolgreichen Games?

Gemeinsam sind bei fast allen der meistgespielten Games interaktive Erlebnisse, deren Herausforderungen im Spielverlauf wachsen. «Spass» entsteht dabei im Wechselspiel von Lerneffekt, beherrschen und letztendlich meistern des Spiels. Spiele mit lediglich einer geringen Herausforderung werden schneller langweilig. Umgekehrt darf die Herausforderung auch nicht zu schnell wachsen, da ansonsten der Frustrationsgrad zu hoch ist und die Lust verloren geht. Ein gutes Spiel zeichnet somit ein ausgewogener Zuwachs von Herausforderungen aus.

Allerdings gilt der Umkehrschluss aufgrund der individuellen Unterschiede von Spielern hier nicht. Ein Spiel lässt sich unter der Berücksichtigung der genannten Gemeinsamkeiten nur in einem gewissen Rahmen so planen, dass es Spieler an den Bildschirm fesselt. Gäbe es hierfür ein Rezept, wären wohl alle Computerspiele erfolgreich.

Grand Theft Auto VI, Final Fantasy XVI, Assassins Creed Mirage, Call of Duty: Modern Warfare III – viele grosse Game-Studios setzen auf Fortsetzungen statt auf wirklich neue Ideen. Warum?

Die Games-Industrie geht hier - ähnlich wie Hollywood im Filmbereich - tatsächlich oft den finanziell gesehen sicheren Weg von Sequels, also Fortsetzungen von erfolgreichen Spielen. Wirklich innovative Spiele und Spielideen sind heute tendenziell eher im Indie-Game Bereich zu finden, wo aufgrund der geringeren Kosten schneller neue Ideen umgesetzt und ausprobiert werden können und das finanzielle Risiko geringer ist.


Ein Bar-Chart der meistverkauften Games. Auf Platz 1 steht Minecraft mit über 300 Mio. verkauften Spielen.

Die meistverkauften Computerspiele aller Zeiten. Viele davon sind Sequels wie etwa Grand Theft Auto V auf Platz 2.

Welche Rolle spielt die Grafikqualität?

Die Grafik ist nur ein Teil des gesamten Spielerlebnisses und nicht notwendigerweise der entscheidende Faktor - aber selbstverständlich ein sehr wichtiger Teil.

Beim Begriff Grafik muss man zudem unterscheiden zwischen High-End-Grafik in Richtung realistischer 3D-Grafik und ästhetischer Grafik. Letztere stellt vielleicht nicht die höchsten technischen Ansprüche, vermag es aber ausgesprochen ansprechende, stilisierte oder stimmungsvolle Spielumgebungen darzustellen, die das Spielerlebnis unterstützen.

Eine ausgezeichnete Grafik muss kein gutes Spiel bedeuten und ein gutes Spiel muss nicht notwendigerweise eine Weltklasse-Grafik besitzen. Die grossen AAA-Produktionen jedoch setzen selbstverständlich auf ausgezeichnete Grafik, da diese eine wichtige und auch sehr aufwendige Komponente einer hochklassigen Produktion darstellt.

Letztendlich ist es aber wie bei einem typischen Action-Film: Sehr gute visuelle Effekte allein machen noch keinen guten Film aus.

Die erste Heimkonsole für Computerspiele kam bereits in den 1970-ern auf den Markt, Klassiker wie Wolfenstein 3D, Civilization oder Monkey Island sind auch schon mehrere Dekaden alt. Wie hat sich der Markt für Computerspiele seit dann entwickelt?

Was sich in den letzten Dekaden verändert hat, ist insbesondere die Anzahl und die Demographie von Computerspieler*innen. Die Nutzer*innen sind in der Altersverteilung heterogener geworden und Frauen und Männer spielen heutzutage gleichermassen. Computerspiele sind im Mainstream angekommen und es werden wesentlich mehr Computerspiele veröffentlicht, als es früher der Fall war. So erreichen beispielsweise Games auf Handys heutzutage einen wirklichen Massenmarkt, mit fast drei Milliarden Playern.

Welcher Typ von Spiel ist zurzeit besonders erfolgreich?

Wenn man Erfolg auf die Anzahl von Spielenden bezieht, die das Spiel jemals gespielt haben, liegen Free-to-Play Spiele an der Spitze. Allen diesen Spielen ist gemein, dass sie zunächst kostenlos gespielt werden können, was natürlich ihre Popularität steigert. Die Monetarisierung dieser Spiele ist vielfältig - oft kann über kleine Beträge zusätzlicher Content erworben werden. Die tatsächlichen Genres der meistgespielten Spiele variieren (z.B., Battle Royal, Shooter, Beat 'em Up, Racing, MMORPG, ...), aber viele vereint, dass es sich um Online-Multi-Player Spiele handelt.

Frau sitzt auf einem Sofa und spielt ein Konsolenspiel.

Computerspiele sind im Mainstream angekommen

Gibt es ein Geheimnis, wie ein neues Spiel erfolgreich werden kann?

Der Erfolg eines vollständig neuen Spiels ist sicherlich schwer zu planen. Aber mit den richtigen Schritten kann die Wahrscheinlichkeit eines Erfolgs vergrössert werden. Wichtig ist während der gesamten Entwicklung eine iterative, agile und dynamische Herangehensweise, da «Spass» schlussendlich nicht am Reissbrett definiert wird. Aus diesem Grund hat das so genannte «White Boxing» einen hohen Stellenwert.

Was versteht man unter «White Boxing»?

Dabei handelt es sich um schnell umgesetzte, kleine, aber spielbare Prototypen, in denen Spielekonzepte ausprobiert, evaluiert und adaptiert werden. In der Regel bevor mit der eigentlichen Entwicklung begonnen wird. Der Name White Boxing resultiert dabei aus dem Sachverhalt, dass es tatsächlich um Spielekonzepte und nicht Grafik o.ä. geht und viele Objekte in diesen Prototypen mit weissen Boxen dargestellt werden. Auf diese Weise wird das eigentliche Spiel entworfen und erst dann wird mit der Umsetzung begonnen. In der Games-Industrie sind flache Hierarchien die Regel und interne Diskussionen und Meinungen fliessen stetig und insbesondere auch schon beim White Boxing in den Prozess ein.

Eine weitere wichtige Komponente ist das Play-Testing und die QA (Quality Assurance) während der gesamten Entwicklung, um etwaige Fehler oder unglückliche Design-Entscheidungen frühzeitig erkennen und darauf reagieren zu können. Schlussendlich handelt es sich bei einem Computerspiel um ein Produkt, so dass generelles Marketing und heutzutage insbesondere auch Community-Arbeit entscheidende Standbeine sind, ein Spiel populär und bekannt zu machen und so zu einem Erfolg zu führen.

Was ist die grösste Herausforderung bei der Entwicklung eines Games?

Eine wichtige Herausforderung in der Games-Industrie ist, zu entscheiden, was genau von der ursprünglichen Vision am Ende tatsächlich umgesetzt wird.

In der Umsetzung selbst handelt es sich gerade bei den grossen Produktionen oft um grosse Projekte mit den entsprechenden logistischen Herausforderungen. Es arbeiten oft hunderte von Personen interdisziplinär in den Bereichen Design, Art, Animation, Audio, Programmierung und Technik zusammen, so dass die Organisation bereits ein entscheidendes Element ist. Grosse Computerspiele bestehen oft aus hunderttausenden von Assets wie Modellen, Texturen, Animationen und Audio-Files, deren Verwaltung, Synchronisation und Aktualisierung eine weitere Herausforderung darstellt.

Gibt es auch spezielle Challenges aus Sicht der Software-Entwicklung?

Aus Softwareentwicklersicht handelt es sich bei Spielen um grosse Programme, die eine hohe Komplexität aufweisen und hohe Anforderungen an die Code-Qualität stellen. Das alles in einem agilen Umfeld, in dem es in der Regel sehr straffe Zeitpläne gibt.


KI-generiertes Bild eines Spielers mit VR-Brille, der in einer Fantasywelt steht.

VR-Spiele faszinieren - und ermöglichen ganz neue Spielkonzepte.

Wo sehen Sie zurzeit innovative Entwicklungen in der Gamebranche?

Vielversprechende Erwartungen liegen in den Bereichen VR und AR (Virtual Reality und Augmented Reality). Der hohe Immersionsgrad dieser Technologien, eine zunehmende Verbreitung von Geräten und zugänglichere Tools und Entwicklungsumgebungen lassen dabei auf zahlreiche neue Konzepte hoffen. Die Verknüpfung von realer und digitaler Welt mit räumlicher Verknüpfung im Bereich AR kann eine hohe Faszination erzeugen, wie es z.B. vor einigen Jahren das Spiel Pokemon Go von Nintendo demonstriert hat.

Das Streamen von Spielen wird vermutlich auch an Fahrt gewinnen. Cloud Computing und moderne Mobilfunktechnologien wie 5G ermöglichen mobile Datenraten, die es ermöglichen werden, hochqualitative Spiele auf z.B. normale Handys zu streamen. So werden Spiele immer unabhängiger von realer Hardware und das eigentliche Gerät stellt zunehmend nur noch ein Eingabe- und Ausgabe- Device dar.

Neben neuen Möglichkeiten im Bereich Multi-Player und Collaborative Gaming würden auch einfach Downloads, Installationen und Updates entfallen, was eine zusätzliche Attraktivität darstellt und auch neue Verkaufsstrategien ermöglichen würde.

Wohin geht die Reise bei der Grafik?

Die schnelle Fortentwicklung von Grafikkarten wird auch weiterhin den Bereich High-End-Grafik prägen. Mittelfristige Visionen im Bereich Grafik liegen bei Grafikkartenherstellern z.B. im Bereich Real-Time-Raytracing, so dass Computerspiele immer besser aussehen werden und zunehmend in Richtung Filmqualität gehen werden. Herausforderungen in diesem Bereich sind neben Performance- Fragen insbesondere auch die Animation und Darstellung realistischer, virtueller Charaktere und deren Gesichter.

Wie sieht es mit dem Thema Künstliche Intelligenz aus? Spielt sie auch bei der Gameentwicklung einer Rolle?

Ja, auch die Gebiete AI und Machine Learning haben selbstverständlich Einzug in die Games-Industrie. Zum einen wird ihr Einsatz in der Entwicklung zunehmen, um z.B. automatisierte Playtests zu generieren oder das Spiel zu optimieren.

Aber auch im Game-Design bieten Themen wie z.B. Sprach-, Gesichts- und Posenerkennung Möglichkeiten, neue Spielkonzepte zu entwickeln.

Meines Erachtens gibt es weiterhin grosses Innovationspotential im Bereich Games. Und schlussendlich bleibt es auch im eigentlichen Kern grundsätzlich spannend, da immer neue Spielkonzepte entwickelt werden und gerade auch aus der Indie-Game-Scene weiterhin innovative Ideen zu erwarten sind.

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