Wenn Zugfenster zum Klimafaktor werden
Im Rahmen des CAS Ökobilanzierung an der FHNW hat Isabelle Blumer die Umweltauswirkungen der Seitenfenster in doppelstöckigen Intercity-Zügen untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass selbst unscheinbare Bauteile einen messbaren Einfluss auf die Klimabilanz haben.
Die Ergebnisse in Zahlen
- Ein einzelnes Seitenfenster verursacht bei der Herstellung rund 100 Kilogramm CO₂eq.
Das entspricht etwa 500 Autokilometern (Zürich–Genua), einem Kurzstreckenflug Zürich–Berlin pro Person oder rund 500 Tassen Kaffee. - Ein kompletter Doppelstockzug mit allen Seitenfenstern kommt auf etwa 25 Tonnen CO₂eq.
Das entspricht ca. 125’000 Autokilometern (dreimal um die Erde), 13 Hin- und Rückflügen Zürich–New York pro Person oder rund 125’000 Tassen Kaffee. - Für die gesamte Flotte solcher Züge summiert sich ein Fensteraustausch Mitte Lebensdauer auf bis zu 2’875 Tonnen CO₂eq.
Das entspricht ca. 14,4 Millionen Autokilometern (360 Erdumrundungen), etwa 1’500 Hin- und Rückflügen Zürich–New York oder 14,4 Millionen Tassen Kaffee.
Externe Umweltkosten
Die Studie hat diese Emissionen auch in Geldwerte umgerechnet – sogenannte externe Umweltkosten. Damit sind Kosten gemeint, die durch Umweltschäden entstehen (z. B. Klimawandel, Luftverschmutzung, Gesundheitsfolgen), aber nicht im Produktpreis enthalten sind und letztlich von der Allgemeinheit getragen werden.
Konkret bedeutet das:
- Ein einzelnes Seitenfenster verursacht externe Kosten von rund CHF 39.
- Ein kompletter Zug liegt bei etwa CHF 8’450.
- Für die gesamte Flotte ergeben sich beim Austausch Mitte Lebensdauer fast eine Million CHF an versteckten Umweltkosten.
Ein Beispiel: Wenn CO₂ ausgestossen wird, zahlen nicht Hersteller oder Betreiber direkt dafür, sondern wir alle indirekt - etwa über höhere Gesundheitskosten durch Luftverschmutzung oder Schäden durch Extremwetter.
Die Ursachen
Die grössten Belastungen entstehen in der Glasherstellung (energieintensiv, meist Erdgas-basiert) und bei der Produktion der Aluminiumrahmen. Transporte spielen im Vergleich eine untergeordnete Rolle.
Ansatzpunkte zur Reduktion
Die Arbeit zeigt, dass die Emissionen deutlich reduziert werden könnten, durch:
- Reparatur statt Komplettaustausch von Fenstern,
- Einsatz von Recycling-Aluminium im Fensterrahmen (halbiert die Emissionen),
- Nutzung von Glas mit höherem Recyclinganteil und erneuerbarem Strommix,
- Prüfung von Wiederverwendung oder Rückgabe der Fenster.
Deutlich wird: Nachhaltigkeit entscheidet sich nicht nur bei den grossen Fragen. Auch kleine Komponenten wie Zugfenster können einen Unterschied machen – und Ansätze zur Optimierung liefern.


