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«Magische Stimmkunst» – Wie Vokale Intonation verändern

Interaktives Kolloquium vom 13. Dezember 2019 im Musikwissenschaftlichen Seminar, Basel

Rückblick auf die Veranstaltung

«Magische Stimmkunst» – dieses Versprechen hat zu einer erfreulich guten Besetzung im Vortragssaal des musikwissenschaftlichen Instituts der Universität Basel geführt und auch für den bereits zur Tradition gewordenen Live-Stream auf YouTube gab es einige Dutzend Anmeldungen.

Wolfgang Saus befasst sich seit Jahrzehnten mit dem Thema Obertongesang, nicht nur als Ausführender mit internationalem Renommee, sondern auch als Forschender. Die Entschlüsselung der Magie führt zu einem bewussten Umgang mit Vokalfärbungen, so dass auch Laienchöre, wie der eingeladene «Chor Juventus Musica Basel», ihren Chorklang massiv verbessern können. Aber der Reihe nach.

Im ersten Teil des interaktiven Kolloquiums wurden die Teilnehmenden auf eine Bildungsreise mitgenommen, nicht wie vielleicht erwartet zu stimmbildnerischen Pirouetten, um Obertongesang zu trainieren, sondern zu intensiver Gehörbildung. Die Besucher wurden eingeladen, eine Obertonmelodie zu erkennen, was zu Beginn fast gänzlich unmöglich war und mit der Zeit immer einfacher wurde. Wolfgang Saus zeigte auf eindrückliche Weise, wie mit entsprechendem Training die Dominanz der Sprachverarbeitung in unserem Hirn zu Gunsten einer reichhaltigeren Klangerfahrung gedrosselt werden kann. Die Dekonstruktion des Stimmklangs wurde im Verlauf des Vortrags mit Hilfe einer vom Redner mitentwickelten Software immer wieder visualisiert und das Klangerleben damit erstaunlicherweise auch einfacher hörbar. Die stimmliche Virtuosität, mit welcher Wolfgang Saus seine Erläuterungen zum Klingen gebracht hat, hatte durchaus eine magische Komponente.

Im zweiten Teil der Veranstaltung wurden Mitglieder des eingeladenen Chors zum gemeinsamen Singen mit Wolfgang Saus eingeladen. Die zweite Silbe des Wortes «Amen» wurde mit kleinen Klangverschiebungen von dunkel nach hell und zurück mit kleinen Handbewegungen an einer imaginären Stellschraube so justiert, dass durch die Betonung bestimmter Naturtöne des Stimmklangs ein präziser und reiner Zusammenklang innerhalb von Intervallen ermöglicht wurde. Der Chor und auch die Zuhörer haben nicht schlecht gestaunt, wie aufbauend auf eine von Männern gesungenen reinen Quint, eine Frau magisch auf eine reine Dur-Terz eingestimmt wurde.

Die Veranstaltung war leider viel zu schnell fertig. Im inneren Nachhall gibt es aber das eine oder andere Element, welches zum Nachdenken anregt und neue Unterrichtsideen generiert. Ob reichhaltigeres und auf das Klangspektrum ausgerichtete Hören sich tatsächlich positiv auf zwischenmenschliche Interaktionen auswirkt, wie der Redner dargelegt hat, lässt sich vielleicht nicht wissenschaftlich belegen, aber für die Musikpädagogik sollte dieses gelungene Kolloquium auf jeden Fall ein Anstoss sein, ein stärkeres Gewicht auf Klanghören statt auf Notendiktate zu legen. Ich bin gespannt, ob sich Wolfgang Saus dazu anregen lässt, gemeinsam eine entsprechende Aufgabensammlung für lernumgebungen.ch zu entwickeln.

Gabriel Imthurn ISEK

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