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27.9.2021 | Institut Professionsforschung und -entwicklung, Hochschule für Soziale Arbeit

«Neue Ideen oder Einsichten haben oft Seltenheitswert»

Fallbesprechungen sind häufig ermüdend, langweilig und kaum effektiv. Es geht aber auch anders: Wie Fallbesprechungen zu einer Quelle von Inspiration und Motivation werden können, erzählen die beiden Dozentinnen des CAS-Programms «Fallbesprechung leiten» Raphaela Sprenger und Ursula Hochuli Freund im Interview.

Welchen Nutzen bringen Fallbesprechungen?

Raphaela Sprenger: In der Sozialen Arbeit – aber auch in Gesundheitsberufen und in heilpädagogischen Schulen – geht es darum, Menschen in schwierigen Lebenslagen und mit besonderen Herausforderungen zu begleiten. Es ist inzwischen glücklicherweise weitgehend anerkannt, dass ein gemeinsames Nachdenken auf der Fachebene nötig ist, um diese anspruchsvolle Arbeit gut wahrzunehmen. In vielen Teambesprechungen wird heute auch über Fälle nachgedacht. Das ist ein grosser Fortschritt! Gleichzeitig gibt es eine grosse Unzufriedenheit darüber, wie solche «Gespräche-über-Fälle» ablaufen.

Weshalb sind Fallbesprechungen häufig unbefriedigend?

Ursula Hochuli Freund: Die Teilnehmenden in unseren bisherigen Fachseminaren sagen, solche Besprechungen seien oft «ermüdend», «langweilig» und «kaum effektiv». An den Teambesprechungen werden nur bereits verschriftlichte Beobachtungen ausgetauscht und längst bekannte Einschätzungen noch und noch wiederholt. Neue Ideen oder Einsichten haben Seltenheitswert.

Raphaela Sprenger: Das ist schade, denn so muss es nicht sein. Eine Fallbesprechung kann – und soll! – eine Quelle von Inspiration und Motivation sein. Die Teilnehmenden sollen Energie schöpfen und mit neuen Ideen in den Arbeitsalltag zurückgehen.

Was leistet das CAS-Programm, damit Fallbesprechungen diesen Mehrwert bringen?

Ursula Hochuli Freund: Wichtig ist, dass wir den Kontext betrachten: Um welche Zielgruppe geht es? Wie sehen die institutionellen Rahmenbedingungen aus? Ist ein*e einzelne*r Sozialarbeiter*in für die Fallführung zuständig oder ist ein Team an der Unterstützung und Begleitung eines Klienten oder einer Klientin beteiligt, vielleicht auch unterschiedliche Berufsgruppen? Wieviel Zeit steht für eine Fallbesprechung zur Verfügung?

Raphaela Sprenger: In unserem CAS-Programm lernen die Teilnehmenden theoretische Grundlagen für die Strukturierung einer solchen Besprechung kennen, vor allem aber eine Vielfalt an unterschiedlichen methodischen Möglichkeiten, wie ein Fall gemeinsam betrachtet werden kann. Genau das macht Fallbesprechungen lebendig: Obwohl es einen Ablauf für eine gute Fallbesprechung gibt, ist jede Fallbesprechung anders. Am Ende werden neue Ideen für die weitere Begleitung in einem Fall erarbeitet. Es geht also darum, einen Fall genau – und immer wieder anders – zu betrachten. So können neue Ideen für die weitere, bestmögliche Begleitung und Unterstützung in einem Fall erarbeitet werden.

Was macht das CAS-Programm besonders?

Ursula Hochuli Freund: Wir verfolgen einen sehr praxisorientierten Zugang. Wir erarbeiten alle Lerninhalte gemeinsam anhand von Besprechungen zu Fällen, welche die Teilnehmenden einbringen. Zunächst werden diese Fallbesprechungen von uns Dozentinnen geleitet. Im Verlauf des CAS-Programms sind es immer mehr die Teilnehmenden, welche die Moderationsaufgabe übernehmen und ausprobieren. In einem nächsten Schritt denken wir gemeinsam über eine Fallbesprechung nach und erarbeiten wichtige Folgerungen. Dieser sehr konkrete Zugang wurde von den Teilnehmenden unserer bisherigen Fachseminare zum Thema immer sehr geschätzt.

Raphaela Sprenger: Zugleich hat sich in diesen Fachseminaren gezeigt, dass es für die Teilnehmenden ausserordentlich herausfordernd ist, das Erlernte tatsächlich in der eigenen beruflichen Praxis anzuwenden. Es traten viele Hindernisse auf: von einem fehlenden Gefäss über Zeitmangel bis hin zu Widerständen von Teammitgliedern, sich auf etwas Neues einzulassen – dazu kommt die eigene Unsicherheit. Tatsächlich erfordert eine methodisch strukturierte Leitung von Fallbesprechungen hohe Kompetenzen, die nur mit viel Übung erreicht werden können. Deshalb ist der Kompetenzerwerb in der Praxis ein wichtiger Teil: Teilnehmende moderieren in ihrer Institution oder ihrem Dienst selber Fallbesprechungen, reflektieren diese für sich, in der Intervision in einer Peer-Gruppe und in Supervision mit einer Dozentin.

Wie unterstützen Sie die Teilnehmenden sonst noch dabei, die neuen Strukturen für Fallbesprechung in ihrer Organisation einzuführen und umzusetzen?

Ursula Hochuli Freund: Zum Thema «Implementierung von Fallbesprechung in der eigenen Organisation» gibt es ein Wahlpflichtmodul. Hier erhalten die Teilnehmenden Unterstützung bei ihrem konkreten Vorhaben, Fallbesprechungen einzuführen oder auch zu optimieren.

Für wen ist das CAS-Programm geeignet?

Raphaela Sprenger: Das CAS-Programm ist für Personen aus allen psychosozialen Arbeitsfeldern geeignet, welche Fach- und/oder Führungsverantwortung innehaben oder demnächst haben werden. Für Institutionen und Personen, die den fachlichen Austausch über Fälle viel effektiver gestalten möchten. Und auch für Fachleute, die sich für das Thema «Fallbesprechung» interessieren und sich weiter qualifizieren wollen.

Vielen Dank für das Gespräch.

CAS-Programmleitung

CAS Fallbesprechung leiten: strukturiert, zielorientiert und motivierend

Das CAS-Programm startet am 8. April 2022 in Olten. Für weitere Informationen klicken Sie auf den Button.

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