Lass die Sonne rein
Nachhaltigkeit neuer Photovoltaik-Materialien sicherstellen
Netto-Null bis 2050 – dieses Ziel steht im Zentrum des Green Deal der EU. Um dies zu erreichen, muss der Einsatz von Photovoltaik-Technologien exponentiell skaliert werden. Neue Materialien ermöglichen einen grossen Fortschritt bei der Fähigkeit von Solarmodulen, Energie zu absorbieren und umzuwandeln, aber es ist wichtig, den Aspekt der Nachhaltigkeit bezüglich Herstellung, Verwendung und Lebensende nicht aus den Augen zu verlieren.
Markus Lenz und sein Team am Institut für Ecopreneurship der FHNW sind federführend bei der Erforschung der Nachhaltigkeit neuer Photovoltaikmaterialien. Sie sind auf die Kreislaufwirtschaft von Metallen und Mineralien spezialisiert und untersuchen im Rahmen der beiden Horizon-Projekte Nexus und Pearl der EU, ob Perowskite in Solarmodulen der nächsten Generation sicher verwendet werden können. Parallel dazu arbeiten sie am Recycling von Perowskiten, damit diese künftig nicht zu einem Abfallproblem werden.
Perowskitzellen enthalten nur minimale Mengen an Blei, das durch eine Schutzschicht aus Glas oder Kunststoff zurückgehalten wird. Um festzustellen, ob die Zellen hermetisch sind, führt das Team um Lenz derzeit Auslaugungstests im Freien durch. Dazu installierten sie auf dem Dach der FHNW in Muttenz mehrere Perowskitmodule, die den realen Witterungsbedingungen ausgesetzt sind. Temperatur, Licht, Feuchtigkeit und Wind variieren das ganze Jahr über, und die Module sind auch extremeren Wetterereignissen wie Hagel ausgesetzt. Tests zur Quantifizierung von Metallen in Regenwasserproben, die von den Modulen entnommen wurden, ergaben sehr niedrige und mit denen im Trinkwasser vergleichbare vorhergesagte Umweltkonzentrationen.
Im Rahmen des Nexus-Projekts werden nun weitere Anlagen in Bozen und Valencia installiert, um den sicheren Betrieb von Perowskiten unter unterschiedlichen klimatischen Bedingungen zu gewährleisten. «Wir sehen derzeit wenig Grund zur Sorge über mögliche Umweltauswirkungen von Blei in der Nutzungsphase», sagt Lenz.
Was aber, wenn die Zelle beschädigt wird? Um dies herauszufinden, simuliert das Team um Lenz weitere Extremwetterereignisse in einer kontrollierten Umgebung. Im Pearl-Projekt setzen sie Perowskit-Module höherer UV-Strahlung aus, erzeugen mit einem Laser Defekte (Löcher) und untersuchen, ob Bakterien die Kunststoff-Schutzschichten beschädigen könnten.
Und wenn die Module ihr Lebensende erreichen? Die Rückgewinnung und das Recycling kritischer Mineralien sind entscheidend für die Festigung einer unabhängigen europäischen Lieferkette und die Sicherstellung der Nachhaltigkeit von Solar- und Batteriestrom. Mit ihrem Know-how in der hydrometallischen Rückgewinnung konnte das Team um Lenz erstmals nachweisen, dass Wasser allein ausreicht, um reines Bleijodid (PbI2) aus Perowskiten zurückzugewinnen. Aus dem zurückgewonnenen Bleijodid lassen sich neue Perowskit-Materialien herstellen, während die alten Zellen nicht mehr als Sondermüll gelten – eine Win-Win-Situation.
Innovative Solarfirmen, die sich an den Projekten Nexus und Pearl beteiligen, sind dankbar für die Tests zum Umweltverhalten und das Recycling von Materialien, die vom Team um Lenz durchgeführt werden. Oxford PV, das im Januar 2024 mit seiner Perowskit-auf-Silizium-Tandem-Solarzelle handelsüblicher Grösse einen Weltrekord bei der Energieumwandlung von 28.6 Prozent aufstellte, arbeitet im Rahmen des Nexus-Projekts an einem Ziel von >30 Prozent für den Wirkungsgrad der Module.
Das am Pearl-Projekt beteiligte Unternehmen Saule Technologies hat sich auf den Druck von Perowskit-Solarzellen auf dünne, flexible Substrate bei niedrigen Temperaturen spezialisiert.
«In den letzten zehn Jahren hat sich die Perowskit-Photovoltaik von einer Laborsensation zu einem echten Kraftwerk entwickelt, das das Potenzial hat, saubere Energie zu demokratisieren. Wir bei Saule Technologies sind uns der Dringlichkeit der Klimakrise bewusst und engagieren uns dafür, diese Technologie verantwortungsvoll einzusetzen und die Umweltauswirkungen in jeder Entwicklungs- und Produktionsphase zu minimieren. Durch das Pearl-Projekt gewinnen wir wichtige Erkenntnisse, die es uns ermöglichen, eine nachhaltige Zukunft für die saubere Energie aus unserer Perowskit-PV-Technologie sicherzustellen», sagt Dr. Konrad Wojciechowski, Chief Science Officer bei Saule.
«Unsere Aufgabe ist es nicht, Greenwashing zu betreiben oder Panik zu verbreiten», sagt Lenz. «Mit diesen Projekten liefern wir wissenschaftliche Fakten, die dazu beitragen können, mögliche Risiken von Perowskiten zu managen, ihre ökologische und gesellschaftliche Akzeptanz zu ermitteln und ihren Einsatz zu erleichtern. Wir hoffen auch, dass unsere Methoden helfen, Recyclingprozesse für kritische Mineralien zu skalieren und auf breiter Ebene einzusetzen.»
Eckdaten: | |
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Gemeinschaft: | Europa |
Partner: | Nexus: 12 Partner, darunter Oxford PV Pearl: 10 Partner, darunter Saule |
Finanzierung: | Nexus: Horizon Europe (GA 101075330) und SBFI (22.00314) Pearl: Horizon Europe (GA 101122283) und SBFI (23.00383) |
Perowskite – Schon gewusst?
Perowskit ist ein Mineral aus Calcium-Titanoxid. Seine Kristallstruktur gab den Anstoss zur Entwicklung einer Materialklasse, auch Perowskite genannt, die zwei positiv geladene und drei negativ geladene Ionen aufweisen.
Perowskit-Solarzellen (PSCs) enthalten Verbindungen mit der Perowskit-Struktur, am häufigsten Methylammonium-Bleihalogenide. Sie bieten einen hohen Absorptionskoeffizienten, gepaart mit Einfachheit und niedrigen Herstellungskosten. Der Einbau von Kohlenstoffelektroden in PSCs kann deren Nachhaltigkeit weiter verbessern, da weniger kritische Rohstoffe verwendet werden. Es gibt aber auch Stimmen, die wegen des geringen Bleigehalts Bedenken hinsichtlich der Umweltverträglichkeit äussern.
Perowskit-Solarzellen können als dünne, flexible Folien für die Anwendung in Gebäuden, Fahrzeugen und elektronischen Geräten gedruckt werden. Bei Tandem-Perowskit-Zellen wird eine Perowskit-Zelle auf eine herkömmliche Silizium-Zelle geschichtet, was deren Energieumwandlung deutlich steigert. PSCs können auch für den Antrieb von Kleinfahrzeugen wie Drohnen alleine eingesetzt werden. Da Grösse, Standort und Energiebedarf von Solarmodulen variieren, können PSCs neue Optionen bieten, um den Solarmarkt zu diversifizieren und die Ziele für saubere Energie zu erreichen.