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Fokus Darmstadt

Fallbeispiele zur Aufführungspraxis der Neuen Musik 1946 - 1990

Zur Aufführungspraxis der Neuen Musik fehlen elementare Kenntnisse und Voraussetzungen, weil das implizite künstlerische Wissen jener Uraufführungsinterpreten, die seit dem 2. Weltkrieg wegweisende neue Kompositionen erarbeitet hatten, kaum tradiert wurde. Einige Leitfiguren der Musik des 20. Jahrhunderts sind in vorgerücktem Alter, so dass die Sicherung relevanter Informationen rasch erfolgen muss.

Die zentrale Bedeutung der Darmstädter Internationalen Ferienkurse für Neue Musik für die Geschichte der Komposition ist bekannt, von ihren Protagonisten auch vielfach erörtert und von der Forschung aufgearbeitet worden. Bisher kaum wahrgenommen wurde dagegen, dass diese Sommerakademien für die Aufführungspraxis Neuer Musik eine gleichwertige Bedeutung haben; und noch weniger, welch hohen Stellenwert einzelne Interpretinnen und Interpreten für die Entstehung bestimmter Werke hatten. Das Internationale Musikinstitut Darmstadt (IMD) besitzt dazu umfangreiche Quellen, die hier zum ersten Mal intensiv ausgewertet, praktisch erprobt und umgesetzt werden.

Das Projekt „Fokus Darmstadt" geht diese Problematik von zwei Seiten an und klärt als Hauptfragen a) historiographisch: Wie ist eine Geschichte der Aufführungspraxis der Neuen Musik zu konstruieren? und b) anwendungsorientiert/empirisch: Wie können historische Erkenntnisse in der heutigen Aufführungspraxis überprüft und produktiv umgesetzt werden?

Voraussetzung für eine adäquate Untersuchung bildet eine enge Zusammenarbeit von Forschung, Lehre und Praxis. Aus diesem Grunde betreuen die Forschungsabteilung der Hochschule für Musik Basel, das Musikwissenschaftliche Seminar der Universität Basel und das IMD gemeinsam zwei Dissertationen zu prägenden Interpretenpersönlichkeiten, zu aufführungspraktisch offenen Fragen und zur Interaktion zwischen Interpretation und Komposition in der Werkgenese. Die Untersuchungen basieren auf Quellenstudien (Schrift- und Tondokumente), generieren ergänzende Interviews mit Schlüsselpersonen, überprüfen Zwischenresultate und Hypothesen der Forschung in Workshops mit Spezialisten-Ensembles und gehen aufführungspraktischen Fragen der Musikerinnen und Musiker nach (v.a. im Rahmen des HSM-Studiengangs Master of Arts in Specialised Musical Performance Contemporary Music, im Folgenden: MASP Contemporary Music).

Das Projekt gibt Antworten auf exemplarische Problemstellungen der Aufführungspraxis Neuer Musik, eine erste Übersicht zu ihrer Geschichte, aber auch neue Anstösse methodischer Art für den produktiven Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis. Zugleich bildet es ein Pilotprojekt für ein gemeinsames Doktorandenprogramm von Universität und Musikhochschule und macht ein Ausbildungsangebot auf Ebene des 3. Zyklus für Studierende und Dozierende der HSM erstmals zugänglich.

Qualifizierende Resultate sind die musikwissenschaftliche und die dokumentierte künstlerische Darstellung und Auswertung von Fallstudien, die in multimedialen Publikationen, öffentlichen Tagungen und Veranstaltungen der musikwissenschaftlichen Forschung wie auch der Musikpraxis zugänglich gemacht werden.

Künstlerisch-praktische Ergebnisse des Forschungsprojekts

Die Einstudierung und Aufführung von Peter Maxwell Davies‘ Eight Songs for a Mad King (1969) und Miss Donnithorne’s Maggot (1974) ist Teil des Doktoratsprojekts Musik über Stimmen (Arbeitstitel) von Anne-May Krüger (Kooperationspartner: Musikwissenschaftliches Seminar der Universität Basel, Internationales Musikinstitut Darmstadt). Das Projekt untersucht anhand von Fallbeispielen den Einfluss von Sängerpersönlichkeiten auf solistisches Vokalrepertoire der 1950er/1960er Jahre im Umfeld der Darmstädter Ferienkurse für Neue Musik. Wesentlich ist dabei die Verbindung von sogenannten akademischen mit künstlerischen Forschungsmethoden. Musikalische Praxis verdeutlicht in diesem Kontext nicht primär Ergebnisse musikwissenschaftlicher Forschung, sondern ist selbst als epistemische Technik zu verstehen.

Die hier dokumentierte Arbeit zu Werken von Peter Maxwell Davies (1934-2016) wurde in Zusammenarbeit mit dem ensemble zone expérimentale Basel (Studierenden des MASP Zeitgenössische Musik der HSM/FHNW; Leitung: Mike Svoboda) durchgeführt. Die Endproben fanden unter Co-Leitung des Komponisten statt. Wichtige Impulse kamen von Noah Pikes (Zürich, ehem. Roy Hart Theatre-Mitglied).

Publikation

Anne-May Krüger: "If something else works – do it" Peter Maywel Davies' und Roy Harts Eight Songs for a Mad King, in: Dissonance 127, 22–30
Link zum Dissonance Artikel

Luigi Nono: „La fabbrica illuminata“ (1964) – Laboratory version „Giro del letto“

Peter Maxwell Davies: "Eight Songs for a Mad King" (1969)

Miss Donnithorne's Maggot by Peter Maxwell Davies

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