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26.2.2024 | Fachhochschule Nordwestschweiz, Hochschule für Technik

Plastikfrei angeln

Das Startup Capt’n Greenfin entwickelt mit der FHNW plastikfreie Angelköder

Ein kleines Stück Plastik, nur wenige Zentimeter lang und ein paar Gramm schwer. Angelköder sind auf den ersten Blick unbedeutend klein, um ein Umweltproblem darzustellen. Doch wenn man sich vor Augen führt, dass allein in Europa jährlich vermutlich 1 300 Tonnen dieser kleinen Plastikteile verloren gehen, wird aus den kleinen Plastikködern eine grosse Belastung für die Umwelt. Denn oft enthalten diese noch giftige Weichmacher, die zusammen mit dem Mikroplastik in unserer Nahrungskette landen.

Einer der das ändern will ist Jonas Urwyler. Geboren und aufgewachsen am Murtensee entwickelten er und seine Brüder früh eine Leidenschaft für das Angeln. Es ist für ihn Erholung und Ausgleich in der freien Natur. Seine Tätigkeit für ein Startup für nachhaltige Mobilitätssyteme stiess ihn auf die Frage, ob er nicht sein eigenes Hobby auch nachhaltiger betreiben könnte.

Eine Hand hält einen leuchtend grünen Angelköder von Capt'n Greenfin

Die Köder von Capt’n Greenfin bestehen aus einem völlig abbaubaren Material, Bild: FHNW

Materialentwicklung in der heimischen Küche

Auf der Suche nach nachhaltigen Materialen für das Angeln fiel Urwyler auf, dass weltweit keine plastikfreien Angelköder existierten. Viele Hersteller verwenden neben problematischen Kunststoffen wie PVC giftige Weichmacher, um die Köder weich genug zu machen. Das ist ein Problem, denn Angelköder gehen regelmässig verloren, weil sie abgebissen werden oder die Angelschnur reisst. Eine Umfrage unter 250 Schweizer Angler*innen hat ergeben, dass jede Angler*in im Jahr 14 Köder verliert. Diese landen am Grund des Wassers oder im Bauch der Fische, wo sie während Jahren nicht verrotten, sondern nach und nach Mikroplastik und giftige Stoffe abgeben.

Urwyler macht eine kurze Rechnung, die das Potential seiner Idee unterstreicht: «Allein ich und meine beiden Brüder haben in 25 Jahren geschätzt 1 500 Köder im Murtensee versenkt». Er nahm Kontakt mit Materialwissenschaftler*innen auf, um ein biologisch abbaubares Ersatzmaterial zu finden. Dabei stiess er auf eine Proteinmischung, die erwärmt und in Form gegossen werden kann. Natürliche Aromen wie Knoblauch dienen als Lockstoffe. Nach ersten Versuchen und unangenehmen Gerüchen verbannte ihn die Freundin aus der heimischen Küche. Er fand im Elternhaus einen Platz, wo er seine Versuche fortsetzen und im Murtensee nebenan testen konnte. Erste Versuche führten rasch zu ermutigenden Fangerfolgen.

Starthilfe durch die Swiss Sustainability Challenge der FHNW

Kurzerhand kündigte Urwyler seinen Job und gründete das Startup Capt’n Greenfin, um sich voll auf die Entwicklung nachhaltiger Angelköder zu konzentrieren. Wie gerufen für das junge Unternehmen kam die Swiss Sustainability Challenge, die die Fachhochschule Nordwestschweiz jährlich ausrichtet. Prompt gewann Capt’n Greenfin 2022 den mit CHF 10 000 dotierten ersten Preis.

«Besonders wertvoll an der Challenge war aber für uns der Austausch mit anderen Startups und Expert*innen wie Prof. Claus-Heinrich Daub von der Hochschule für Wirtschaft FHNW» so Urwyler. Mit ihrem Feedback konnte die Businessidee geschärft werden. Die Auszeichnung verleihe dem Startup ausserdem ein Gütesiegel, was bei Investor*innen und Förderinstitutionen Vertrauen schaffe, sagt der Jungunternehmer.

Jonas Urwyler demonstriert Stephanie Wegmann die gewünschten Eigenschaften des Köders. Sie stehen vor einer Kunststoffgussmaschine.

Jonas Urwyler (links) mit Stephanie Wegmann und Prof. Christian Rytka vom Institut für Kunststofftechnik der Hochschule für Technik FHNW

Trotz viel Leidenschaft und einem Entwicklungslabor in der elterlichen Küche stiess Capt’n Greenfin beim verwendeten Material auf Probleme. Der grosse Vorteil der Köder, dass sie sich in der Natur vollständig zersetzen, ist gleichzeitig auch ihr Nachteil. Je wärmer das Wasser, desto schneller lösen sich die Köder auf. Urwyler erlebt das Problem bei seinen Tests selbst: der kleine Murtensee erwärmt sich im Sommer schnell auf über 27° C. So halten die Köder nur eine gute halbe Stunde.

Förderung durch Innosuisse

Um die Entwicklung seines Materialmixes zu optimieren, ging Capt’n Greenfin auf das Institut für Kunststofftechnik (IKT) der Hochschule für Technik FHNW zu. Prof. Christian Rytka war schnell von der Idee überzeugt: «Weil die Köder oft in der Natur landen, ist es hier absolut sinnvoll, auf natürlich abbaubare Biopolymere zu setzen.» Ein gemeinsamer Antrag bei Innosuisse, der schweizerischen Agentur für Innovationsförderung, brachte eine Förderung von CHF 260 000 für die Entwicklung am IKT ein.

Jonas Urwyler zieht an einem der grünen Angelköder, um das gewünschte Verhalten zu illustrieren.

Die Angelköder müssen flexibel und belastbar sein – und sich trotzdem schnell auflösen.

Stephanie Wegmann, wissenschaftliche Mitarbeiterin am IKT, arbeitet mit ihrem Team nun an einer Verbesserung des bisherigen Materials wie auch neuen Stoffen, um das Ködersortiment zu erweitern. «Die Entwicklung ist spannend, weil die Anforderungen an das Materials so unterschiedlich sind. Es muss dehnbar und robust sein, bis der Fisch anbeisst, aber sich dann im Wasser vollständig auflösen». Erste Produkte von Capt’ Greenfin sind seit Anfang 2023 erhältlich und stossen auf Interesse bei Anglern. Für sein Startup sieht Urwyler in Anspielung an ein Outdoor-Unternehmen viel Potential: «Wir werden das Patagonia des Angelns.»

Innovative Kunststoffe

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Institut für Kunststofftechnik
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