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Ein Quantum Glück gehört dazu

16. Mai 2023

Mit einer bahnbrechenden Innovation gewann Robin Müller den regionalen Siemens Excellence Award. Dank seiner Arbeit können Quantencomputer Informationen schneller verarbeiten.

von Robin Müller

Robin Müller
Robin Müller

Robin Müller absolvierte seine Lehre als Automatiker im Kernkraftwerk Leibstadt. Dort durfte er Einblick in diverse technische Bereiche erhalten. Besonders interessierte ihn die Elektronik, weswegen er sich direkt nach seiner Lehre für ein Studium der Elektro- und Informationstechnik entschied. Während des Studiums vertiefte er sich im Mikroelektronikbereich und begeistert sich besonders für die Entwicklung performanter Rechensysteme in digitaler Hardware und FPGAs. Anschliessend an seinen Bachelor-Abschluss setzt er aktuell seine Vertiefung in diesem Bereich mit einem Master-Studium am Institut für Sensorik und Elektronik der FHNW fort.

Meine Überraschung war riesig, als an der Diplomfeier (siehe Beitrag hier) mein Name aufgerufen wurde. Ich konnte es kaum glauben, dass meine Arbeit von allen eingereichten im Jahr 2022 den regionalen Siemens Excellence Award (siehe Pressemitteilung hier) gewonnen hat. Vielmehr dachte ich, dass es unter den 400 Absolventinnen und Absolventen bessere Projekte gab als meines. Deshalb hatte ich nicht damit gerechnet zu gewinnen. Umso mehr freute ich mich und bin stolz, dass mein Projekt diese Anerkennung erhielt. Bei der Wahl meines Projektes hatte ich eher eine Herausforderung gesucht. Der Bereich Quantencomputing, gekoppelt mit einer sehr leistungsstarken Elektronik-Plattform, klang daher sehr verlockend und spannend. Und das Projekt hat mir tatsächlich viele Herausforderungen geboten, die mich zum einen gefordert, zum andern aber auch einige Nächte abverlangt haben. Ein solches Projekt nun mit dem Siemens Excellence Award abzuschliessen, motiviert natürlich für zukünftige Projekte. 

Quantencomputer – Forschung, Entwicklung und Potential

Mit dem Preis würdigt Siemens auch das Thema. Denn Quantencomputer bieten ein grosses Potenzial, in der Zukunft bestimmte Rechenprobleme lösen zu können, für die ein klassischer Computer Jahre brauchen würde. Anwendungsmöglichkeiten für Quantencomputer gibt es viele. In den Materialwissenschaften könnten sie helfen, neue Materialien zu entdecken, in der Medizin neue Medikamente zu entwickeln und vieles mehr. Sie besitzen einen fundamental anderen Aufbau als die im Alltag verwendeten Rechner. Quantencomputer basieren anstelle von Transistoren auf Qubits und benutzen zum Rechnen deren Eigenschaften aus der Quantenphysik wie Superposition und Quantenverschränkung.

Abbildung 1: Quantencomputer

Bis es allerdings so weit ist, dass diese Computer praktische Probleme lösen können wie beispielsweise Wettersimulationen, ist noch viel Forschungsaufwand nötig. Denn die hohe Fehlerrate ist noch zu gross, damit bestehende Systeme hochskaliert (mehr Qubits) und auftretende Fehler während des Rechenvorgangs erkannt und korrigieren werden können.

Anforderungen an Steuerungs- und Kontrollsystem

Um den Quantencomputer ansteuern zu können, muss in einem ersten Schritt eine Frequenzkalibrierung durchgeführt werden. Es muss also getestet werden, auf welche Frequenz ein Quantenbit anspricht. Dazu ist es nötig, schnelle Wechsel zwischen verschiedenen Frequenzen durchzuführen. Bei der bestehenden Lösung verlief der Wechsel vergleichsweise langsam. Der gesamte Kalibrierungsprozess kostete dadurch viel Zeit, die deutlich reduziert werden sollte. Darüber hinaus soll das zu entwickelnde Modul auch als Bestandteil eines zukünftigen Kontrollsystems verwendet werden und dort die benötigte Trägerfrequenz im Mikrowellenbereich erzeugen, um die Qubit-Steuerimpulse zu generieren.

Erweiterung der FPGA-Funktionalität

FPGAs sind frei programmierbare Mikroelektronik-Bausteine, die im Umfeld von Quantencomputern für Steuer- und Rechenoperationen sowie Resultatauswertungen eingesetzt werden.  FPGAs werden am Quantum Device Lab der ETH Zürich (zum Webauftritt hier), an dem mein Projekt durchgeführt wurde, bereits seit längerem zu Messzwecken (Auslesen und Auswerten der Resultate aus dem Quantencomputer) eingesetzt. In meiner Thesis wurde nun ein Versuch in die Richtung unternommen, eine Kontrollanwendung ebenfalls im selben FPGA-System unterzubringen.

Abbildung 2: FPGA-Plattform

Nebst der Einarbeitung in den Themenbereich Quantumcomputing war mein Projekt auch aus der Perspektive der Elektrotechnik eine sehr spannende Herausforderung. Die FPGA-Plattform, auf der ich arbeitete, gehört zu den neusten und leistungsstärksten, die es zu kaufen gibt. Einen Chip dieser Grössenordnung in diversen Punkten an sein Limit zu pushen, fand ich eine höchst spannende Arbeit. Die Herausforderung lag einerseits in der hohen Geschwindigkeit, mit der das Modul Sinus-Berechnungen ausführen muss. Es handelt sich dabei um ca. 10 Milliarden Sinus-Berechnungen pro Sekunde und Kanal mit bis zu 16 Kanälen parallel insgesamt also bis zu 320 GB/s an Sinuswerten).  Zum anderen stellt der Anwendungsbereich für die Steuerung von Quantencomputern hohe Anforderungen an die Qualität des generierten Signals, da sich kleinste Fehler im Signal direkt auf die erreichbare Präzision des fragilen Quantensystems auswirken können. Die Kombination, beides zu erreichen, stellte sicher eine der grösseren Herausforderungen des Projekts dar.

Erfolgreiche Ergebnisse

Mit dem in meiner Thesis entwickelten Modul wurde im Hinblick auf die Kalibrierung von Quantenbits vor allem die Zeit verkürzt, die benötigt wird, um zwischen zwei Frequenzen umzuschalten. Diese lag bei der bisherigen Methode in der Grössenordnung einiger Zehntelsekunden. Mit dem neuen Modul ist das nun innerhalb weniger Nanosekunden möglich (ca. 4 Millionen Mal kürzer). Da diese Frequenzwechsel mehrere tausend Mal pro Quantenbit stattfinden und für jedes Quantenbit einzeln durchgeführt werden müssen, fällt diese Zeit relativ stark ins Gewicht. Die zentrale Aufgabe des Moduls ist es, sehr schnell, digitale, parametrisierbare Sinussignale im Mikrowellenbereich zu berechnen. Diese werden dann über sehr performante Digital-zu-Analog-Wandler in analoge Signale umgewandelt und an den Quantencomputer geschickt. Diese Signale werden sowohl für die Kalibrierung als auch für die spätere Kontrolle der Experimente benötigt. 

Abbildung 3: Blockschaltbild des Moduls

Zuvor wurden diese oft im Voraus von einem klassischen Computer berechnet und abgespeichert, so dass sie zum Einsatzzeitpunkt nur gelesen, aber nicht berechnet werden mussten. Das Vorausrechnen ist jedoch vergleichsweise langsam, unflexibel und braucht viel Speicher. Mit dem neuen Modul werden diese Berechnungen nun «on the fly» durchgeführt, was sowohl die Kontroll- als auch die Kalibrierungsarbeiten stark beschleunigt.

Motivierende und gewinnbringende Zusammenarbeit FHNW und ETH Zürich

Bei meinem Projekt handelte es sich um eine erstmalige Zusammenarbeit zwischen dem Quantum Device Lab der ETH Zürich und einem Studenten der FHNW. Ich empfand es als grosses Privileg, einen Einblick in dieses Umfeld erhalten zu haben, und freue mich daher umso mehr, dieses Projekt sehr erfolgreich abschliessen zu können. Insgesamt war es eine sehr lehrreiche Erfahrung in einem super spannenden Umfeld. Für mich geht es zuerst einmal in einem Master-Studium an der FHNW mit Vertiefung im FPGA-Bereich weiter. Meine Erfahrungen, die ich am Quantum Device Lab darin sammeln durfte, werden am neuen Ort sehr wertvoll sein. Ausserdem unterstütze ich weiterhin das FPGA-Team am Quantum Device Lab gelegentlich bei der Weiterentwicklung des FPGA-basierten Kontrollsystems und könnte mir gut vorstellen, zu einem späteren Zeitpunkt wieder via Elektronik mit Quantencomputing beruflich in Kontakt zu kommen. 

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