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17.10.2019 | Hochschule für Architektur, Bau und Geomatik

Institut Geomatik FHNW beschleunigt Arealstatistik

Unsere Umwelt steht im ständigen Wandel, der topografisch erfasst, ausgewertet und beurteilt wird. Für die Mitarbeitenden des Bundesamts für Statistik bedeutet dies bis zu sechs Jahre akribische Detailarbeit – ­­­eine zu grosse Zeitspanne, um den Stand aktuell wiederzugeben. Denis Jordan und sein Forschungsteam des Instituts Geomatik FHNW und des GeoTech-Startups ExoLabs GmbH entwickelten deshalb einen Algorithmus mit einer künstlichen Intelligenz, die den Klassifizierungsprozess beschleunigt.

Der nachfolgende Bericht zum Pilotprojekt «Künstliche Intelligenz für die Arealstatistik der Schweiz» ist am 15. Oktober 2019 in den Zeitungen von CH Media erschienen.

Hier geht's zum Arealstatistik-Quiz von Swisstopo.

Ein Algorithmus sortiert vier Millionen Luftaufnahmen

Die Landnutzung der Schweiz wird heute mit einer enormen Menge an Geodatensätzen erfasst. Damit diese schneller ausgewertet werden können, haben Forschende der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW eine künstliche Intelligenz trainiert.

Arealstatistik Schweiz
Für die Arealstatistik Schweiz werden mehr als vier Millionen Bildkacheln in Klassen eingeteilt.
© Illustration: Swisstopo

Wer wissen möchte, auf wie vielen Hektaren zum Beispiel im Aargau Gebäude stehen oder Rebstöcke wachsen, wird in den Tabellen des Bundesamts für Statistik (BFS) fündig. Dessen Arealstatistik Schweiz bietet einen Fundus an Informationen. Sie liefert Daten dazu, wie der Boden in der Schweiz genutzt wird und was auf ihm steht, liegt oder wächst. Grundlage dafür sind Luftaufnahmen, die Swisstopo – das Bundesamt für Landestopografie – seit vierzig Jahren regelmässig erstellt. Sie sind so genau, dass man beispielsweise Aufforstungen im Wald, aber auch bauliche Veränderungen einer Siedlung oder den Gletscherschwund erkennt.

Um die einzelnen Areale im Wandel der Zeit vergleichen zu können, hat das BFS ein flächendeckendes virtuelles Netz mit einer Maschenweite von 100 Metern über die Schweiz gelegt. Daraus ergeben sich über vier Millionen Bildausschnitte, die jeweils einen Hektar Fläche unseres Landes zeigen. Fachpersonen des BFS klassifizieren diese Bilder. Sind es Flugplätze, Schwimmbäder oder Einfamilienhäuser, Parkanlagen, Ackerflächen oder Deponien? Es werden 27 Klassen zur Bodenbedeckung (Felder, Wälder, Seen usw.) und 46 Klassen zur Bodennutzung (Siedlung, Landwirtschaft usw.) unterschieden.

Jahre lange Arbeit

«Das erfordert mehrere Jahre Arbeit», sagt Denis Jordan, Professor an der Hochschule für Architektur, Bau und Geomatik der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW. «Es müssen etliche Terabytes an digitalem Kartenmaterial gesichert, ausgewertet und beurteilt werden, zusammen mit Informationen aus anderen Quellen wie etwa Höhenmodellen und Gebäuderegistern.» Dieser Prozess habe mit den bisherigen Methoden einen Arbeitsaufwand von sechs Jahren generiert.

In sechs Jahren passiert aber in der Landschaft viel. Deshalb ist ein wichtiges Ziel, dieses Zeitfenster möglichst zu verkürzen, damit die Daten nicht zu schnell wieder veraltet sind. Jordan hat gemeinsam mit seinem Team und dem Zürcher Geotech-Start-up Exolabs einen Algorithmus für eine künstliche Intelligenz (KI) entwickelt, der den Klassifizierungsprofis beim BFS helfen und einen möglichst hohen Anteil der Bildkacheln automatisch der richtigen Klasse zuordnen soll.

Dafür haben die Forschenden zunächst die Daten aus Luft- und Satellitenbildern, Höhenmodellen und anderen Quellen bezüglich Aufnahmezeit und Geo-Koordinaten abgeglichen. Danach wurden diese Angaben für jede Bildkachel in virtuelle «Schichten» gestapelt. Jede Schicht enthält jeweils eine spezifische Information, zum Beispiel Farbe, Höhe oder Infrarot-Signatur. Dank dieser Stapelung konnte der Algorithmus lernen, welche Schichten aus diesem Stapel nützlich sind, um ein Bild einer bestimmten Klasse zuzuordnen. «So wie wir als Kind Tierarten unterscheiden lernen, muss auch eine KI erst lernen, welche Merkmale für eine Siedlung, einen Bahnhof oder einen Flugplatz sprechen», erklärt Jordan. «Wir haben die KI mit Hunderttausenden Bildkacheln aus der letzten Erfassungsperiode trainiert. Dabei hat sie sich ständig selbst verbessert.»

Selbst aufgestellte Regeln

Dieses Verfahren haben Jordan und sein Team so weit verfeinert, dass die KI nun anhand von selbst aufgestellten Merkmalen und Regeln erkennt, welche Eigenschaften auf einem Bild für eine bestimmte Klasse wichtig sind – zum Beispiel für die Klasse «Reben» eine reihenförmige Anordnung von Pflanzen mit der dafür typischen Infrarot-Signatur. In einem Entscheidungsbaum kommt die KI zu dem Schluss, dass beispielsweise die Anordnung der Pflanzen auf dem Bild am ehesten für den Rebbau spricht.

In ihrem Projekt haben die Forschenden der FHNW einen KI-Prototypen entwickelt, der bereits mehr als 85 Prozent aller Bildkacheln korrekt klassifiziert. In einigen Klassen, wie etwa für Wälder und Reben, sind es fast 100 Prozent. Das haben die Vergleiche mit den Auswertungen vom BFS gezeigt. Jordan sagt: «Das Ziel der KI ist hier, den Menschen bei Auswertungen für immer grösser werdende Datenmengen zu unterstützen, jedoch nicht, ihn zu ersetzen.»

Sabine Goldhahn

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