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30.3.2023 | Hochschule für Architektur, Bau und Geomatik

Wie wird in Ihrer Gemeinde geheizt? Antworten dank Spatial Data Analytics

Jürg Reist und Nico Rohrbach haben im Dezember 2022 die Weiterbildung «CAS Spatial Data Analytics» abgeschlossen. In ihrer Zertifikatsarbeit untersuchten sie die Heizsituation in Schweizer Gemeinden mittels räumlicher Datenanalyse. Im Bericht stellen sie uns ihr Vorgehen und ihre Ergebnisse vor.

In der Schweiz sind Haushalte für 30% des Energieverbrauchs verantwortlich. Die Mehrheit der Energie wird beim Heizen verbraucht. In Zweidrittel der Gebäude wird noch mit Gas oder Öl geheizt. Diese Energieträger sind durch den Krieg in der Ukraine teurer geworden. Haushalte, welche mit Öl oder Gas heizen, haben höhere Heizkosten. Diese zusätzliche finanzielle Belastung betrifft nicht alle Haushalte und alle Gemeinden im gleichen Ausmass.

Untersuchung mittels räumlicher Geodatenanalyse

Ziel unserer Arbeit war, zu analysieren, wie stark die einzelnen Schweizer Gemeinden von steigenden Energiepreisen betroffen sind. Diese Frage haben wir durch die Berechnung der folgenden vier Kennzahlen beantwortet:

  1. Wie gross ist der Anteil von Gas-, Heizöl- und Elektroheizungen in einer Gemeinde?
  2. Wie viele EinwohnerInnen und Beschäftigte sind durch hohe Öl- und Gaspreise in einer Gemeinde betroffen?
  3. Welche Gebiete in einer Gemeinde sind am stärksten betroffen?
  4. Wie hat sich der Anteil fossiler Heizungen in den letzten Jahren in einer Gemeinde verändert?

Diese vier Kennzahlen konnten wir mit Hilfe von Python und verschiedenen Datenquellen wie swissBUILDINGS3D, dem Gebäude- und Wohnungsregister und der Bevölkerungsstatistik STATPOP berechnen. Dazu wurden vier Pythonskripte entwickelt, die automatisch mit Hilfe von Github Actions ausgeführt werden. Die Ergebnisse werden in ansprechenden Visualisierungen mit Plotly Dash auf https://dash.rei.st dargestellt. Es entstanden so für alle Schweizer Gemeinden Gemeindeportraits, die aufzeigen, wie stark eine Gemeinde von den steigenden Energiepreisen betroffen ist.

Gemeinde-Portrait Zuchwil

Nachfolgend wird das Portrait der Gemeinde Zuchwil vorgestellt. Zuchwil ist eine Gemeinde im Kanton Solothurn und hat eine Bevölkerung von etwa 9'408 Einwohner*innen. Sie hat einen hohen Anteil an Gas-Heizungen (47.3%), da viele Gebäude durch das Gasnetz der Regio Energie von Solothurn erschlossen sind.

Anteil der Energieträger pro Gemeinde

In Zuchwil heizen die meisten Einwohner*innen mit Gas (4'034 Einwohner*innen) oder mit Heizöl (3'452 Einwohner*innen). 1'178 Einwohner*innen heizen mit einem anderen Energieträger und 92 Einwohner*innen heizen mit einer Elektroheizung. Rund 300 Personen wohnen in einem Gebäude, in welchem der Energieträger unbekannt ist.

Anteil betroffener Personen pro Energieträger

In Zuchwil wird in über 88% der Häuser mit fossiler Energie geheizt. Die Heatmap zeigt dies auch schön auf. Es gibt nur einzelne kleinere Gebiete, die nicht mehr mit Gas oder Heizöl heizen.

Heatmap der betroffenen Gebiete

In Zuchwil dominiert Gas als Energieträger, gefolgt von Heizöl und anderen Energieträgern. Gas wurde hauptsächlich in Neubauten zwischen 1981 und 2006 verwendet, während Ölheizungen hauptsächlich vor 1980 eingesetzt wurden. Elektroheizungen waren selten und machten in der Zeit von 1919 bis 1995 nur einen geringen Anteil aus. Der Anteil von Gebäuden ohne Heizsystem ist gering und erscheint nur in einigen Bauperioden. In den letzten Jahren hat sich der Anteil an Gebäuden mit «anderen» Heizsystemen erhöht und ist seit 2011 dominant. Der Anteil an Gebäuden, bei denen der Energieträger unbekannt ist, ist in den Jahren vor 1919 am höchsten und nimmt danach ab. Seit 2006 ist dieser Wert aber wieder angestiegen.

Anteil der Energieträger pro Bauperiode

Probleme bei der Datenerhebung

Wir haben festgestellt, dass die Informationen im Gebäude- und Wohnungsregister teilweise unvollständig und nicht aktuell sind. So sind z.B. Informationen zur Energiequelle bei über 30% der Gebäude nicht erfasst. Auch stammt ein Grossteil der Informationen aus der letzten Volkszählung im Jahr 2000. Diese Umstände führen dazu, dass unsere Analysen fehlerbehaftet sind und mit entsprechender Vorsicht betrachtet werden müssen.

Analyse mit Python

In dieser Arbeit wurde primär mit der Programmiersprache Python gearbeitet. Die Grundlagen dazu wurden uns in der Weiterbildung beigebracht. Schnell haben wir gemerkt, dass sich Python sehr gut für räumliche Analysen eignet. Die erstellten Skripte werden mit Github Action täglich ausgeführt (https://github.com/nrohrbach/HeizcheckGemeinde). Die Jupyter Notebooks wurden mit Markdown ergänzt und als Dokumentation publiziert (https://nrohrbach.github.io/HeizcheckGemeinde).

Die Publikation der Daten in einem Dashboard wird sehr schnell recht komplex und anspruchsvoll. Vor allem die Entwicklung eines interaktiven Dashboards erhöht die Komplexität nochmals deutlich. Die Veröffentlichung im Web bringt weitere Schwierigkeiten und setzt Vorwissen in den Bereichen Webhosting und Security voraus.

Weitere Anwendungsfälle und Ausblick

Aufgrund der Erfahrungen und den erlangten Erkenntnissen in dieser Arbeit sind bereits heute verschiedene Ideen entstanden, die man in Zukunft im Rahmen einer Weiterentwicklung umsetzen könnte. So möchten wir zum Beispiel den Ausbau der erneuerbaren Energien stärker untersuchen. Durch unsere neuen Kenntnisse in Spatial Data Analytics konnten wir die Frage «Wie wird in Ihrer Gemeinde geheizt?» einfach beantworten und sind zuversichtlich unsere neuen Fähigkeiten auch in weiteren Anwendungsfällen einsetzen zu können.

Zu den Autoren

Jürg ReistJürg Reist ist gelernter Geomatiker, Dipl. Informatiktechniker und Dipl. Betriebswirtschafter und bereits über 25 Jahren im Bereich der Geoinformatik tätig. Zudem arbeitete er den Bereichen Softwareentwicklung, Datenmodellierung, Support, Projektleitung, Vertrieb und Geschäftsleitung eines Softwareherstellers. Seit nunmehr 13 Jahren ist er bei der bei der AEW Energie AG tätig und dort Leiter der Geomatik. Sein Hauptfokus liegt im Bereich der Aufnahme und Dokumentation von Strom-, Kommunikations- und Wärmeleitungen. Zudem beschäftigt er sich mit dem Aufbau und Betrieb der Spatial Data Analytics in den verschiedenen Bereichen, wie automatisierte Berechnung von Netzrückwirkungen in der Netzebene 7.


Nico RohrbachNico Rohrbach hat in Bern und Zürich Geografie studiert. Seit 2018 ist er im Bundesamt für Energie (BFE) für räumliche Daten und Geoinformation zuständig.


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