Projekte
Hier finden Sie einen Auszug von Projekten der Professur für Bildungssoziologie.
Ziel der Studie
Die Studie untersucht aus einer Governance-Perspektive, wie im Schweizer Bildungsföderalismus die beiden Transitionen Primarstufe-Sekundarstufe I (Transition 1) sowie Sekundarstufe I-Sekundarstufe II (Transition 2) in den Kantonen gesteuert, d.h. reguliert, organisiert, reformiert und legitimiert werden, wie die kantonalen Differenzen in dieser Governance erklärt werden können, welche inner- und interkantonalen Spannungsfelder dabei entstehen und wie diese von den steuerungsrelevanten Akteuren bearbeitet werden.
Ausgangslage
Ausgangspunkt der Studie sind kritische Positionen aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft, die die kantonalen Quoten der besuchten Bildungswege auf Sekundarstufe I und II aus unterschiedlichen Gründen hinterfragen. Genannt werden unter anderem die Ungleichheit der Bildungschancen zwischen den Kantonen, Bildungsbarrieren für Kinder aus sozial benachteiligten Milieus, die Verhinderung der Integration von schwächeren Schüler/innen in eine berufliche Grundbildung sowie die Senkung des Leistungsniveaus am Gymnasium in einzelnen Kantonen. Diese Positionen verweisen darauf, dass Bildung in modernen Gesellschaften zu einem wichtigen Kriterium sozialer Ordnung und Reproduktion geworden ist, weshalb wir die Frage nach der Governance dieser beiden Transitionen als bedeutsam erachten.
Fragestellungen
Transitionen werden in der Schweiz bisher in erster Linie aus der Perspektive der individuellen Laufbahn und den dabei zugrundeliegenden Einflussfaktoren untersucht. Grösstenteils unerforscht ist dagegen die institutionelle Perspektive des Bildungsangebots sowie der Verteilungsregeln und -prozesse auf die verschiedenen Bildungsgänge. Die Studie soll diese Forschungslücke schliessen, indem sie (1) die heutigen kantonalen Angebotsstrukturen und Verteilungsregeln, deren Wurzeln und Reformen untersucht und mit Bezug auf politisch-kulturelle und sozial-/wirtschaftsstrukturelle Kontextbedingungen vergleicht; (2) die Zuständigkeiten, Zielsetzungen, Strategien und Rechtfertigungen der steuerungsrelevanten Akteure auf allen politischen Ebenen in den Blick nimmt (institutionelle Architektur); (3) das dynamische Geschehen und die sich darin ergebenden Spannungsfelder und Lösungsversuche bei der Handlungsabstimmung zwischen und innerhalb der verschiedenen Ebenen und Akteursgruppen in der Umsetzung der Transitionen analysiert.
Theoretischer Rahmen
Die Soziologie der Konventionen bietet das theoretische Instrumentarium, um Wurzeln, Trägheit und Wandel der Governance der Transitionen zu analysieren, plurale Rechtfertigungen und Wertigkeiten zu verorten, Kritik und Lösungsversuche von Akteuren zu erfassen sowie die Handlungskoordination und die dabei entstehenden Spannungsfelder zu untersuchen.
Forschungsdesign
Die föderale Struktur bedingt eine Untersuchung der Governance auf der Ebene der Kantone und innerkantonaler Strukturen (Region, Kommune, Schule) sowie einen interkantonalen Vergleich. Dazu werden theoriegeleitet und kontrastiv 9 Kantone mit unterschiedlichem Angebot auf Sekundarstufe I und II ausgewählt (multiple Fallstudie). Sie verlangt aber auch eine Analyse des Umgangs mit den kantonalen Differenzen auf der interkantonalen Ebene (Staatenbund) sowie auf der Ebene des Bundesstaates. Analytisches Ziel der Forschung ist es, eine konventionenbasierte Typologie von auf die Transitionen bezogenen kantonalen Governance-Regimes sowie deren zugrundeliegenden politischen Kulturen zu rekonstruieren. Die Daten werden mittels Interviews mit steuerungsrelevanten Akteuren (politisch-administrative Ebenen, Zivilgesellschaft, Wirtschaftsverbände) sowie Dokumentenanalysen (Regularien, Informationen, Beratungen, Berichte) erhoben.
Im Weiteren werden statistische Längsschnittdaten des Bundesamtes für Statistik (BFS) ausgewertet. Damit wird untersucht, inwiefern gesellschaftliche und wirtschaftliche Faktoren die unterschiedlichen kantonalen Übertrittsquoten beeinflussen und inwiefern die kantonalen Übertrittsquoten in einem Zusammenhang mit der Chancengleichheit beim Zugang zu den verschiedenen Bildungsgängen stehen.
Bedeutsamkeit des Projektes
Das geplante vierjährige Forschungsprojekt wird erstmals eine theoriebasierte Darstellung und Erklärung der kantonalen Unterschiede in der Governance der beiden Transitionen ermöglichen. Die Resultate generieren relevantes Steuerungswissen, indem spezifische Konstellationen, Handlungsmuster und Spannungsfelder innerhalb und zwischen den Kantonen beschrieben werden können.

Projektleitung | Prof. Dr. Regula Julia Leemann |
Projektteam | Dr. phil. Sandra Hafner Prof. Dr. Regula Julia Leemann Dr. phil. Raffaella Simona Esposito BA Fanny Klaffke lic. phil. I Andrea Pfeifer Brändli MA Damaris Wittwer |
Finanzierung | Schweizerischer Nationalfonds, Pädagogische Hochschule FHNW |
Laufzeit | Juli 2020 bis Januar 2025 |
Ausgangslage & Fragestellung
Das beantragte Forschungsvorhaben soll untersuchen, wie sich in der Schweiz die Fachmittel-/Fachmaturitätsschule (FMS), die anfangs 2000 aus der bisherigen allgemeinbildenden Diplommittelschule hervorging, als eigenständiger und ergänzender Bildungsweg neben den Wegen der Berufsbildung und des Gymnasiums in der sich neu formierenden Sekundarstufe II und mit Bezug zur Tertiärstufe positioniert und profiliert hat. Die FMS, welche vorwiegend von Mädchen besucht wird, deckt mit ihrem Ausbildungsprogramm weiterhin einen hohen Anteil von Allgemeinbildung ab, führt aber neu gleichzeitig zu einer berufsfeldbezogenen Vertiefung insbesondere in den Bereichen Gesundheit, Soziales und Pädagogik.
Die Frage nach Prozess und Ergebnis der Positionierung und Profilierung der FMS erachten wir als bedeutsam, da dieser Bildungsweg gemäss Studien einerseits ein sozial integratives und durch die institutionelle Verbindung von berufsbildenden und allgemeinbildenden Elementen zukunftsfähiges Alternativmodell zu den beiden traditionellen Bildungswegen Berufsbildung und Gymnasium darstellt. Institutionell leistet er eine Verbindung von verschiedenen Wissensformen, was angesichts des Wandels in Wirtschaft und Gesellschaft stärker gefordert wird. Mit den Berufsfeldern Gesundheit, Soziales und Pädagogik kann er dem Fachkräftemangel in der Pflege, dem Sozialbereich und der Volksschule begegnen.
Andererseits ist er in seiner Positionierung und Profilierung als eigenständiger Bildungsweg mit verschiedenen Problemstellungen konfrontiert. Von Seiten der Berufsbildung wird seine berufsvorbereitende Funktion als systemwidrig und als unerwünschte Konkurrenz zu den neu geschaffenen beruflichen Grundbildungen in Gesundheit und Sozialem wahrgenommen. Gegenüber dem Gymnasium wird er von Schüler/innen und Eltern teilweise abgewertet, ist zweite Wahl und dient als Auffangbecken.
Grösstenteils unerforscht ist bisher erstens der – durch Legitimations-, Image- und Umsetzungsprobleme bedingte – konflikthafte und unabschliessbare Prozess, bei dem sich die FMS als eigenständiger Bildungsweg neben der Berufsbildung und dem Gymnasium positioniert, sowie die dabei zu beobachtenden Unterschiede zwischen der Westschweiz und der Deutschschweiz. Zweitens ist wenig Wissen vorhanden zur spezifischen Wertigkeit ('Qualität') der FMS und ihrer Berufsfelder, mit der sie sich neben Berufsbildung und Gymnasium als ergänzender Weg profiliert. Das geplante Forschungsprojekt soll diese Lücken schliessen.
Theoretischer Rahmen
Um die konflikthafte institutionelle Entwicklung der FMS (Positionierung) und die 'Qualität' ihres Bildungsangebotes (Profilierung) zu untersuchen, bezieht sich die Studie theoretisch auf den im Pragmatismus wurzelnden Ansatz der Soziologie der Konventionen, der die Koordination, Evaluation und Legitimation des sozialen Handelns im Bereich von Wirtschaft und Bildung auf Konventionen i.S. verschiedener kultureller Wertigkeitsordnungen (u.a. Effizienz, Markt, Tradition, Solidarität, Inspiration, Netzwerk, Ruf) zurückführt. Solche Wertigkeitsordnungen formen die Orientierungen und Entscheidungen in der Ausgestaltung der FMS. Sie stehen jedoch teilweise auch in Widerspruch zueinander, was die Handlungskoordination zu einer komplexen und spannungsgeladenen Angelegenheit werden lässt und Kompromisse zwischen den Konventionen erforderlich macht.
Forschungsdesign & Daten
Methodisch werden für die Beantwortung der Frage nach der Positionierung der FMS Experteninterviews mit wichtigen Akteuren in den beiden Sprachregionen geführt sowie Dokumente analysiert, um diesen Transformations- und Institutionalisierungsprozess der FMS in den letzten rund 20 Jahren historisch zu rekonstruieren.
Für die Frage der Profilierung werden mittels eines Case Study Designs auf der Basis einer theoriegeleiteten kontrastiven Auswahl vier Ausbildungsprogramme in den beiden Sprachregionen untersucht, und zwar die zwei quantitativ wichtigen FMS-Berufsfelder Gesundheit und Pädagogik sowie ihre jeweiligen parallelen Ausbildungswege in Berufsbildung und Gymnasium, welche zur selben Berufsausbildung auf Tertiärstufe führen. Es handelt sich dabei um die berufliche Grundbildung Fachfrau/-mann Gesundheit und die Schwerpunktfächer Philosophie/ Pädagogik/ Psychologie, Musik und Bildnerisches Gestalten im Gymnasium. Die Daten werden mittels Interviews mit Ausbildungsverantwortlichen auf strategischer und operativer Ebene, Verantwortlichen der Abnehmerhochschulen, Lehrpersonen, Schüler/innen bzw. Lernenden, Feldbegehungen, Bildmaterialien und Dokumentenanalysen (u.a. Rahmenlehrpläne) erhoben.
Ziele und Bedeutsamkeit des Projekts
Das geplante dreijährige Forschungsprojekt wird erstmals eine systematische Darstellung der Institutionalisierung der FMS ermöglichen und Hinweise dazu geben, weshalb dieses zukunftsfähige Ausbildungsmodell vor allem in der Deutschschweiz bildungspolitisch wenig Anerkennung erhält und bei Anspruchsgruppen wenig bekannt ist. Es wird zudem darstellen können, durch welche Wertigkeit sich die FMS-Ausbildung im Vergleich zu den Parallelwegen in Berufsbildung und Gymnasium auszeichnet und diese ergänzt. Nicht zuletzt soll das Projekt den skizzierten theoretischen Ansatz für den Bereich der Bildung weiterentwickeln und modifizieren.

Projektleitung | Prof. Dr. Regula Julia Leemann
Prof. Dr. Christian Imdorf (Institut für Soziologie, Universität Hannover) |
Projektteam | Raffaella Simona Esposito, MA Sandra Hafner, MA Prof. Dr. Regula Julia Leemann Andrea Pfeifer, lic. phil. I Andrea Fischer, MA Prof. Dr. Christian Imdorf |
Finanzierung | Schweizerischer Nationalfonds, Pädagogische Hochschule FHNW |
Laufzeit | März 2016 bis August 2019 |
Was sind Lehrbetriebsverbünde?
Lehrbetriebsverbünde (LBV) sind eine neue Organisationsform der Berufsbildung, welche zur Sicherung von Ausbildungsplätzen und zu einer verbesserten Qualität der Ausbildung beitragen soll. In LBV sind mehrere Ausbildungsbetriebe zusammengeschlossen, die gemeinsam Lernende ausbilden. Die Lernenden wechseln den Betrieb meist jährlich. Sie werden von der sogenannten Leitorganisation rekrutiert und angestellt. Diese bietet den Betrieben gleichzeitig Unterstützung in der Administration und der Betreuung der Lernenden an.
Ziele der Studie
Bisher ist nur wenig Wissen vorhanden zur Frage, wie LBV funktionieren. Die Studie untersucht das Funktionieren solcher Verbünde aus Sicht der beteiligten Organisationen und Lernenden mit dem Ziel, das Potenzial und die Herausforderungen dieser Ausbildungsform für die Berufsbildung und die Lernenden zu verstehen.
Daten
Mit Hilfe von Interviews, Dokumentenanalysen, Feldbegehungen und z.T. quantitativen Befragungen werden vier LBV untersucht, die sich nach Grösse, Entstehungsgeschichte und Branchenzusammensetzung unterscheiden. Die interessierenden Beobachtungsfelder sind die Bindung von Ausbildungsbetrieben an den LBV, die Rekrutierung und Rotation der Lernenden, ihre Ausbildung und Betreuung, sowie der Übergang der Ausgebildeten in das Beschäftigungssystem.
Theoretischer Rahmen
Die Soziologie der Konventionen bietet einen geeigneten Rahmen, um die Komplexität von LBV aus organisationssoziologischer Perspektive zu untersuchen. Die Theorie unterscheidet verschiedene kulturelle Ordnungs- und Funktionsprinzipien (Konventionen), die den sozialen Zusammenhalt in Arbeits- und Ausbildungsorganisationen und das Urteilen und Handeln der involvierten Akteure ermöglichen: Gemeinschaft, Effizienz, Markt, Gleichheit, Inspiration. Die netzwerkförmigen LBV legen es nahe, zudem die sog. Netzwerkkonvention zu berücksichtigen, in der Flexibilität und Mobilität in einer projektförmigen Umwelt von besonderer Bedeutung sind. Diese verschiedenen Prinzipien können in Widerspruch zueinander stehen, so dass Kompromisse zwischen Konventionen nötig werden. Die Studie untersucht, welche Kompromisse in LBV erforderlich sind, damit die Akteure Entscheide fällen, Probleme lösen, und Handlungen koordinieren können. Im Weiteren werden die Erfahrungen und Bewältigungsmuster der Lernenden in dieser Ausbildungsform mithilfe des ungleichheitssoziologischen Ansatzes von P. Bourdieu analysiert. Zentral sind die habituellen Anforderungen an die Lernenden für eine erfolgreiche Ausbildung.

Projektleitung | Prof. Dr. Regula Julia Leemann Prof. Dr. Christian Imdorf (Institut für Soziologie, Universität Basel)
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Projektteam | Rebekka Sagelsdorff, lic. phil. (Doktorandin) Lorraine Birr, Mag. phil. (Doktorandin) Nicolette Seiterle, M.A. (Doktorandin) Sandra Da Rin, lic. phil. (wissenschaftliche Mitarbeiterin) Melitta Gohrbandt, B.A. (studentische Mitarbeiterin) Sandra Hafner, M.A. (wissenschaftliche Assistentin) |
Finanzierung | Schweizerischer Nationalfonds, beteiligte Lehrbetriebsverbünde, Kanton Solothurn und PH FHNW |
Laufzeit | Juni 2011 bis November 2014 |
In Weiterentwicklung des sogenannten nationalen Tochtertages (ab 2010: Zukunftstag) hat das Amt für Volksschulen (AVS) BL, gemeinsam mit der Fachstelle für Gleichstellung, in der Sekundarschule ab dem Jahre 2007 ein eigenes Umsetzungskonzept Gendertag eingeführt.
Aufsteigend von der 6. bis zur 9. Klasse werden in den Schulen am 2. Donnerstag im November folgende thematischen Programme durchgeführt: Tochtertag nach nationalem Konzept / Berufe haben ein Geschlecht: Atypische Berufswahl / Haushalttag: Bezahlte und unbezahlte Arbeit / Lebensperspektiven: Lebens- und Berufslaufbahnplanung.
Studie
Die Studie im Auftrag des Amtes für Volksschulen BL und der Fachstelle für Gleichstellung von Frau und Mann, BL untersucht mittels Fragebogenerhebung und Interviews in den basellandschaftlichen Schulen die Implementierung des Gendertages auf der Ebene des Unterrichts, der Schulen, der Betriebe und des Kantons. Sie macht Aussagen zu der Qualität der Umsetzung und dem Institutionalisierungsgrad des Gendertages und der Genderthematik in den Schulen.

Projektleitung | Prof. Dr. Regula Julia Leemann |
Projektteam | lic. phil. Regina Scherrer und M.A. Andrea Fischer |
Finanzierung | Amt für Volksschulen BL und Fachstelle für Gleichstellung von Frau und Mann, BL. |
Laufzeit | September 2010 bis März 2011 |