Ganz schön bunt hier
Eine Augmented Reality-App holt 1200 Jahre alte Gemälde in ihrer ursprünglichen Farbenpracht vors Auge. Die App programmiert hat FHNW-Wirtschaftsinformatik-Absolventin Sarah Büttler. Bei ihrer Bachelor-Arbeit kam sie auch mal ins Schwitzen.
Es muss im Jahr 800 ergreifend gewesen sein, in die Klosterkirche St. Johann in Müstair zu treten. Den Besuchenden strahlten farbig leuchtende Wandmalereien entgegen, mit denen die Kirche von oben bis unten ausgeschmückt ist. Diese Fresken sind einzigartig, und die Klosterkirche gehört seit 1983 zum UNESCO Weltkulturerbe. Allerdings hat der Zahn der Zeit an den Gemälden genagt. Die Sujets sind kaum noch erkennbar, zurückgeblieben sind blasse Rot-, Erdtöne und Schwarz.
Das laufende Projekt des Schweizerischen Nationalfonds (SNF) «Vergessene Farben – Wiederentdeckung der ursprünglichen Polychromie frühmittelalterlicher Wandmalereien in der Region Raetia Curiensis» bringt nun Licht ins Dunkel. Es erforscht die ursprünglich verwendeten Farbpigmente und untersucht, über welche Handelsrouten diese nach Müstair gelangten.
Die Farben sollen zudem erlebbar werden. Diese Aufgabe übernahm das Institut für Wirtschaftsinformatik der Hochschule für Wirtschaft FHNW. Mehrere studentische Vorarbeiten untersuchten, wie Augmented Reality (AR) zum Einsatz kommen könnte, um die 1200 Jahre alten Wandgemälde in ihren Originalfarben virtuell wiederherzustellen. «Augmented Reality», erklärt Safak Korkut, Dozent für Wirtschaftsinformatik an der Hochschule für Wirtschaft, «ist ein wichtiger Forschungsschwerpunkt an unserem Institut und für die Vermittlung von kulturellem Erbe ein wirkungsvolles Kommunikationstool.»
Nach mehreren Vorstudien machte Wirtschaftsinformatik-Studierende Sarah Büttler schliesslich den krönenden Abschluss: Sie programmierte im Rahmen ihres Bachelors eine App für Besuchende der Klosterkirche. «Das hat mich gereizt», sagt Sarah Büttler. «Ich war aber auch recht nervös. Als KV-Absolventin habe ich zwar im Studium gelernt zu programmieren, doch hier würde ich es mit einer Programmiersprache zu tun haben, die ich bisher nicht kannte.»
Erst musste die Studierende definieren, was die Anwendung laut Auftrag alles können muss. Das ergab einen Anforderungskatalog, der technisch ins Detail geht. Zentral war eine intuitive, einfache Bedienung auf dem eigenen Smartphone. Die Farben sollten gut dargestellt werden, auch wenn es in der Kirche dunkel ist. Die App sollte rasch reagieren. Beim Bewegen des Handys sollte es keine Ladeverzögerungen geben.
Die Fresken sind in rechteckige Felder von rund 2 × 1.5 Metern Grösse unterteilt. Sarah Büttler konzentrierte sich auf eines. Die genauen Informationen zu den Originalfarben erhielt sie von den Restaurator*innen. Dann wurde es «richtig anspruchsvoll». «Mit der ersten Programmiersprache kam ich zwar zurecht, aber die Ergebnisse waren nicht gut genug. Also begann ich von vorn mit einer zweiten. Dann lief es besser.» Der Lerneffekt sei enorm. Hilfreich sei auch die Unterstützung ihres Dozenten Safak Korkut gewesen.
Nun ist die Applikation in der Klosterkirche im Einsatz. Wird ein QR-Code gescannt, startet die App. Die Besuchenden dürfen sich auf ein bildstarkes Erlebnis freuen. Denn, so Sarah Büttler: «Ich war selbst überrascht, wie intensiv, leuchtend, ja fast schon kitschig die Farben vor 1200 Jahren waren.»
In der abschliessenden Befragung vor Ort – auch sie ist Teil der Bachelor-Arbeit – fiel das Feedback auf die App in allen Altersgruppen positiv aus. Die App sei einfach zu bedienen und visuell ansprechend. Auf dem bestehenden Prototyp wird nun weiter aufgebaut, um weitere Bilder der Klosterkirche digital wiederherzustellen.