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dojo – vom Bachelor-Projekt zum Tech-Unternehmen

16. Februar 2022

Ein Gespräch mit Jana Kalbermatter und Louis Moser, geführt von Dr. Anita Gertiser


Vom Bachelor-Projekt, über eine Hochschul-Kollaboration, bis zur «Höhle der Löwen» im Fernsehen. FHNW-Industriedesign-Absolventin Jana Kalbermatter hat mit ihrem Geschäftspartner Louis Moser einen Stab konzipiert, der hilft, Geschichten zu erzählen. Das IoT-Produkt schafft den Sprung vom studentischen Umfeld in den kommerziellen Sektor, wobei der Studiengang Elektro- und Informationstechnik auf dem Weg dorthin eine wichtige Rolle spielt.

Jana Kalbermatter
Jana Kalbermatter

Jana Kalbermatter hat 2017 Industriedesign an der Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW abgeschlossen. Ihre Neugierde und Unternehmergeist treiben sie stets an, Projekte in die Realität umzusetzen. Sie hat Erfahrung als Projektleiterin während Planungs-, Finanzierungs-, und Realisierungsphasen sowie als Designerin im Bereich Signaletik und Produkt. Jana lebt und arbeitet seit 2013 in Basel.

Louis Moser
Louis Moser

Louis Moser ist in Allschwil, Baselland, aufgewachsen und hat in Basel, Bern und Zürich studiert und gearbeitet. Seinen BA in Prozessgestaltung und Digitaler Kommunikation hat er an der Hochschule für Gestaltung und Kunst Basel (FHNW), absolviert. Als gelernter Tontechniker und Akustiker, wie auch dank langjähriger Projektmanagement-Erfahrung im Kultursektor, bringt er ein fundiertes Fachwissen ins Team.

In der Show «Die Höhle der Löwen» werben Startups, Erfinder und Unternehmensgründer um Risikokapital und sowie Finanzmassnahmen für das Wachstum ihres Unternehmens. Wie war es für euch, bei dieser Sendung teilzunehmen?

Jana: Es war fast ein bisschen surreal. Du fährst am Morgen ins Fernsehstudio, und bis zum Mittagessen hat dir jemand seine finanzielle Beteiligung zugesichert. Entsprechend nervös waren wir. Natürlich hatten wir uns gut vorbereitet und unseren dreiminütigen Pitch mehrmals geübt. Es ist gar nicht so einfach, in so kurzer Zeit ein neues Produkt, neue Technologie sowie einen ganzen Businessplan zu präsentieren. Unser Ziel war es, das Produkt erlebbar zu machen und die Investoren nicht mit zu viel Technik zu verwirren. Dennoch haben die «Löwinnen» und «Löwen» kritische Fragen gestellt und wollten genau wissen, wie dojo funktioniert und was es so besonders macht. Als sich mehrere Investoren und Investorinnen ausklinkten, wurde uns schon etwas mulmig. Doch dann hat sich Roland Brack entschieden, mit CHF 200’000 in die dojo tech AG einzusteigen.

Wir sind glücklich, dass es geklappt hat, und dass wir mit Roland Brack, der übrigens selbst Absolvent des Studiengangs Elektrotechnik ist, eine Person mit technischem Hintergrund sowie unternehmerischer Erfahrung an Bord haben.

dojo-Stick bei "Die Höhle der Löwen"
Abbildung 1: Roland Brack, Mitte, testet dojo’s Prototyp in der TV-Sendung «Die Höhle der Löwen», links Louis und rechts Jana

Natürlich ist der ganze Prozess nicht so schnell abgelaufen, wie es im Fernsehen aussieht. Wir waren einen ganzen Morgen im TV-Studio, umgeben von Scheinwerfern, Kameras und Bodenmarkierungen, die anzeigten, wo man stehen sollte. Obwohl wir noch am selben Tag die Zusicherung erhalten haben, durften wir ein halbes Jahr nichts verraten. Das führte teilweise auch zu lustigen Situationen.

Was ist dojo und wie funktioniert es?

Louis: Der dojo-Stick ist ein Audio-Gerät, das Zusatzinformationen zu Objekten in Ausstellungen liefert. Es funktioniert mit Körperschallübertragung und muss deswegen nur an den Kopf gehalten werden, während die Ohren frei bleiben. Gleichzeitig erkennt es mit Hilfe von Beacons, wo sich der Besucher oder die Besucherin gerade aufhält. Der passende Content kann mit einer einfachen Software für das Gerät aufbereitet werden. Das gesamte System ist vernetzt. So kann der Besucher beispielsweise auch Likes setzen und nach dem Besuch mehr über seine Lieblingsthemen erfahren.

Welche Rolle spielt der Studiengang Elektro- und Informationstechnik bei der Entwicklung der Prototypen?

Jana: Der Studiengang EIT spielte auf dem Weg zum Erfolg in der «Höhle der Löwen» eine sehr wichtige Rolle. Ich habe selbst auch an der FHNW studiert, und dojo hat seine Wurzeln in meinem Abschlussarbeit-Projekt als Industriedesignerin. Zu erfahren, dass es an der gleichen Schule die Möglichkeit gibt, mit Studierenden der Technik zusammenzuarbeiten, und dass diese ihr technisches Wissen mit mir teilen, war super wertvoll. Positiv überrascht hat mich auch, wie einfach ich mit den beteiligten Dozierenden zusammensitzen und meine Ideen besprechen konnte. Sie waren spontan bereit, mein Projekt weiterzuführen.

Anfangs hatte ich viele Wünsche und Vorstellungen. Der Dozent Prof. Hans Gysin unterstützte mich als Mit-Auftraggeber dabei, die Aufgabenstellung einzugrenzen, sodass sie innerhalb des Projekts 4 (Modulbeschreibung siehe hier) realisierbar war.

Interessant für mich war auch mein Rollenwechsel, von der Studentin zum Mitglied der Jury. Im Juni 2017 habe ich selbst meine Bachelor-Arbeit abgeschlossen, und im Juni 2018 haben die Projekt-4-Teams bereits ihre Projektarbeiten präsentiert.

Louis: Als Auftraggeber waren wir kaum älter als die Studierenden selbst, und die Gespräche haben auf Augenhöhe stattgefunden. Diesen Austausch haben wir sehr geschätzt. Und es war aufregend mitzuerleben, wie sechs Teams gleichzeitig an der Aufgabe gearbeitet haben und parallel unterschiedliche Lösungswege entwickeln konnten.

Eine der Challenges war der Formfaktor des Gerätes: dojo hat die Dimensionen eines dünnen Stabes, der Durchmesser liegt bei knapp 22 mm, für die Elektronik stand somit wenig Platz zur Verfügung. Umso erfreuter waren wir, als es einem Team gelang, ein formechtes Funktionsmuster zu präsentieren.

Eines der Funktionsmuster aus dem Projekt 4 im Frühlingssemester 2018
Abbidung 2: Eines der Funktionsmuster aus dem Projekt 4 im Frühlingssemester 2018
Jan-Timon Beck demonstriert die UWB-Sensoren. Projekt5/6 Herbstsemester 2020
Abbildung 3: Jan-Timon Beck demonstriert die UWB-Sensoren. Projekt 5/6 Herbstsemester 2020

Während es im Projekt 4 darum ging, eine Lösung für Elektronik zu entwickeln, lag der Fokus im Projekt 5/6 (Modulbeschreibungen hier und hier) auf der Sensortechnologie: Ultra-wideband. Im Rahmen ihres Diplomjahres haben sich die zwei Studierenden Jan-Timon Beck und Thomas Keller eingehend mit dieser Technologie auseinandergesetzt und deren Möglichkeiten untersucht. Auf praktischer Ebene konnte das Anwendungsszenario von dojo in Ausstellungsräumen simuliert und ausgiebig getestet werden.

Die Kollaborationen mit der FHNW waren somit sehr unterschiedlich: Die erste deckte mit vielseitiger Workforce ein breites Themenfeld ab und zeigte uns unterschiedliche Lösungsansätze, während bei der Kollaboration im Projekt 5/6 das Team sehr selbstständig analysierte und in die Tiefe ging, was für die Weiterentwicklung von dojo enorm wertvoll war. Auf diesem Wissensstand konnten wir gut aufbauen und die Sensortechnologie anschliessend validieren.

Jana: Wie wichtig die Projekte für den Erfolg von dojo waren, hat auch der Prototyp eines Projekt-4-Teams bewiesen, der uns dabei half, 2020 die erste Finanzierungsrunde abzuschliessen.

Welche Entwicklungsschritte/Arbeiten waren danach nötig, bis dojo in der «Höhle der Löwen» präsentiert werden konnte?

Jana: Wir haben dojo in jedem Stadium präsentiert. Doch der Weg bis zur «Höhle» war ziemlich weit und bestand aus mehreren Entwicklungsschritten wie auch Finanzierungsphasen.

Klar mussten wir nach dem Studium zuerst Jobs suchen, um die Miete zu bezahlen. Denn zu Beginn war es ein Nebenprojekt, das aber immer mehr Platz beanspruchte. Durch die vielen Feedbacks – ob im Privaten, bei Startup Events oder bei Wettbewerben – haben wir realisiert, dass es sich lohnt, dranzubleiben. Seit Herbst 2019 arbeiten wir Vollzeit daran, und im Winter 2020 haben wir die Firma «dojo tech AG» als Aktiengesellschaft gegründet. So konnten wir das erforderliche Fremd- und Eigenkapital aufnehmen.

Die EIT-Projekte waren nötig, um die Machbarkeit aufzuzeigen. Darauf aufbauend wurde ein nächster Prototyp gebaut, den wir in der Sendung präsentiert haben.

Wir staunen selbst, welch langen Atem es gebraucht hat. Wenn man bedenkt, dass der erste präsentierbare Prototyp erst im Frühling 2021 bereit war. Bis dahin haben wir jeweils anhand von Bildern präsentiert. Doch es braucht eben nicht nur eine Idee. Auch wir haben uns in dieser Zeit entwickelt, mussten nicht nur hartnäckig dranbleiben, sondern praktisch auch Geschäftsleute werden. Zuerst haben wir geglaubt, der Erfolg hänge allein von der Qualität der Produktidee ab. Doch dann realisierten wir, das ist nur ein Teil davon.

Louis: Das Geschäftliche ist genauso wichtig. Wer nicht Wirtschaft studiert hat, ist nicht sensibilisiert für diesen Bereich. Man sollte gewillt sein, auch in dieser Hinsicht zu lernen, um kluge Entscheide treffen zu können.

Was bedeutet die Investition? Wie geht es nun weiter?

Louis: Im Grunde haben wir einen Teil unserer Firma verkauft, um einerseits Kapital zu erhalten und andererseits vom Know-how, dem Netzwerk und den Erfahrungen des Investors bezüglich Geschäftsaufbau zu profitieren.

Dank dieser Finanzierungsrunde kann das Projekt im Frühling live gehen, bzw. es geht in die Null-Serie. Getestet wird diese unter anderem im Museum für Kommunikation in Bern. Im Frühling 2022 steht dann die nächste Investitionsrunde an, welche die Serienproduktion und den offiziellen Launch ermöglichen soll.

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