SNF-Projekt «Unterstützung des Leseverstehens im Fach Geschichte» (2021-2024)
Ausgebaute Lesekompetenzen sind gemäss verschiedener Studien ein wesentlicher Faktor für schulischen Erfolg bzw. Misserfolg. Dies gilt besonders im Fach Geschichte, in dem historisches Wissen in hohem Mass mithilfe von Texten vermittelt und angeeignet wird. Die Anforderungen, die die Geschichtstexte an die Jugendlichen stellen, übersteigen jedoch häufig die vorhandenen Lesekompetenzen. Mit diesem Projekt soll diese Lücke geschlossen und das historische Lernen mit Texten für alle Lernende verbessert werden.
Denn: Schüler und Schülerinnen, die nicht über ausgebaute Lesekompetenzen verfügen, sind im fachlichen Lernen benachteiligt: Sie können Texte weder zur Repetition – z.B. für Prüfungen – noch als Informationsmaterial – z.B. beim Stationenlernen oder bei Recherchearbeiten nutzen. Von dieser Benachteiligung sind gemäss Studien vor allem Schüler und Schülerinnen aus bildungsfernen Familien betroffen.
Ziel dieses SNF-Projektes ist es, empirisch fundiertes Wissen darüber zu generieren, welche lesedidaktischen Massnahmen dazu führen, dass auch sprachschwächere Schüler und Schülerinnen der Sekundarstufe I Zugang zum historischen Lernen aus Texten erhalten.
In vier Phasen wurde untersucht, wie sich das Verstehen von Geschichtslehrmitteltexten mithilfe von lesedidaktischen Massnahmen (text- und aufgabenseitig) bei Achtklässler*innen so anleiten lässt, dass das historische Lernen mit diesen Texten besser gelingt? In Phase I wurde ein gut verständlicher Geschichtslehrmitteltext mit textseitigen lesedidaktisch orientierten Kohärenzbildungshilfen entwickelt. In Phase II wurde in qualitativen Leseprozessbeobachtungen untersucht, welche Verstehensschwierigkeiten bei der Bearbeitung dieses Textes bei Achtklässler*innen auftauchten. Aufgrund der Ergebnisse dieser Problemanalyse zur Textverständlichkeit wurde in Phase III eine aufgabenseitige Leseverstehensprozesssteuerung entwickelt, welche den Leseverstehensprozess zu diesem Text anleitet und strukturiert. In der letzten Projektphase IV wurden die lesedidaktischen Massnahmen (textseitige Kohärenzbildungshilfen und aufgabenseitige Leseverstehensprozesssteuerung) mithilfe einer quantitativen Interventionsstudie auf ihre Wirksamkeit hin untersucht.
Insgesamt erwiesen sich die lesedidaktischen Massnahmen als wirksam. Allerdings profitierten aber eher lesestarke Schüler*innen von den lesedidaktischen Massnahmen. In der Gruppe der lesestärksten Schüler*innen (oberstes Terzil) konnte zudem noch bestätigt werden, dass sich die Kombination aus leseprozesssteuernden Aufgaben und textseitigen Kohärenzbildungshilfen am wirksamsten erwies. Diese Gruppe Schüler*innen konnte mit Hilfe dieser Kombination lesedidaktischer Massnahmen den Text selbstständig bearbeiten und die im Text vorkommenden Inhalte verstehen, miteinander verknüpfen und fachliche Lernziele erreichen. Für mittelstarke Leser*innen (mittleres Terzil) wirkten textseitige Kohärenzbildungshilfen am effektivsten. Auch ihnen gelang ein profunder Wissensaufbau bei der selbstständigen Textbearbeitung, wenn ihnen diese lesedidaktische Massnahme zur Verfügung stand. Leider gelten diese Ergebnisse nicht für leseschwächere Achtklässler*innen (unterstes Terzil). Sie konnten ihr Textverstehen weder mit textseitigen Kohärenzbildungshilfen noch mit leseverstehensprozesssteuernden Aufgaben verbessern. Trotzdem konnte auch bei dieser Gruppe von Schüler*innen beobachtet werden, dass sich bei ihnen dank der lesedidaktischen Massnahmen das lokale Textverstehen, also das Auffinden und Verstehen einzelner Informationen im Text, verbesserte, so dass die lesedidaktischen Massnahmen auch für leseschwächere Schüler*innen das Potential bergen, sich kurze Texte selbstständig zu erarbeiten, um mit anschliessender Unterstützung durch Lehrpersonen und / oder Peers die Inhalte zu verknüpfen und in den fachlichen Kontext einzuordnen.

