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Endlich verständlich: Behördeninformationen in leichter Sprache

Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Solothurn (KESB) bietet Informationen in leicht verständlicher Sprache an. Dies dank eines Teams der Hochschule für Soziale Arbeit FHNW. Das kommt bei den Klientinnen und Klienten gut an.

Die Broschüre der KESB Region Solothurn erscheint nun mit der Übersetzung der Texte und einem anderen Layout. (© Béatrice Roth)

Die Broschüre der KESB Region Solothurn erscheint nun mit der Übersetzung der Texte und einem anderen Layout. (© Béatrice Roth)

Beamtendeutsch ist oft verschachtelt, umständlich, unverständlich. Diese Meinung hält sich hartnäckig – wohl oft zu Recht. Wer hat nicht schon einmal einen behördlichen Brief bekommen, den er zweimal durchlesen musste, um ihn zu verstehen?

Besonders schwierig ist das für Personen, die nicht gut lesen können. Wenn sie zum Beispiel an einer Lernbehinderung oder an einer Lese-Schreib-Schwäche leiden oder fortgeschrittenen Alters sind. Rund 800'000 Personen können in der Schweiz nicht gut lesen, das zeigt die letzte Studie* zum Thema. «Diese Menschen sind bei behördlichen Massnahmen auf mündliche Informationen durch Fach- und Drittpersonen angewiesen, was ihre Selbstbestimmung einschränken kann», schreibt Gabriela Antener in einer Publikation. Sie ist Professorin an der Hochschule für Soziale Arbeit FHNW.

Selbstbestimmung dank UN-Behindertenrechtskonvention

Die Thematik der Selbstbestimmung hat seit dem Jahr 2014 an Aktualität gewonnen. Damals hat die Schweiz die UN-Behindertenrechtskonvention ratifiziert, welche eine gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigungen fordert. Hier setzt das Forschungsprojekt «Einfach leicht verständlich! Leichte Sprache am Beispiel Erwachsenenschutz» der FHNW an. Geleitet wurde es von Gabriela Antener und Anne Parpan-Blaser vom Institut Integration und Partizipation. Im Projekt wurden Texte aus der Erwachsenenschutzbehörde in einfach verständliche Sprache übersetzt, damit sie von Personen mit einer Leseschwäche verstanden werden. Unter anderem erstellte das Forschungsteam eine Informationsbroschüre zum Erwachsenenschutz. Dort wird auch das Subsidiaritätsprinzip erklärt. Vor der Übersetzung in Leichte Sprache sah dieser Text so aus: «Kann eine schutzbedürftige Person nicht ausreichend durch das private Umfeld, gemeinnützige Organisationen oder öffentliche Dienste unterstützt werden, kann sie zu ihrem Schutz von der KESB unter Beistandschaft gestellt werden.»

Auch das Layout ist wichtig

Die Übersetzung der Texte nach den Vorgaben der Leichten Sprache (Siehe Infobox) war anspruchsvoll. So mussten komplexe Sachverhalte in einfachen Worten wiedergegeben werden, ohne dabei an Informationen einzubüssen und so, dass sie juristisch korrekt sind. Am Beispiel des Subsidiaritätsprinzips sah dies anschliessend folgendermassen aus: «Zuerst schaut die KESB, können Personen im privaten Umfeld helfen, zum Beispiel Verwandte, Bekannte. Die KESB schaut auch, können Betroffene selber Hilfe suchen, zum Beispiel bei der Spitex, bei einer Beratungsstelle. Wenn keine andere Person oder Stelle helfen kann, muss die KESB eine Person bestimmen, die hilft.»

Bei der Übersetzungsarbeit ist nicht nur die Wortwahl wichtig, sondern auch das Layout. Dazu zählen die Schriftwahl, die Schriftgrösse und der Zeilenabstand. Genau diese Veränderung im Format, in der Wortwahl und der Reihenfolge der Textbausteine löste bei der KESB anfangs Irritationen aus. «Sie haben nicht damit gerechnet, dass der Text sich komplett verändert und nicht mehr wie ein üblicher Behördenbrief aussieht», sagt Antener und schmunzelt. Ihrem Team war es aber ein grosses Anliegen, dass die übersetzten Texte in der Praxis auch verwendet werden, «deshalb haben wir darauf geachtet, dass die Behörden verstehen, wieso ihr Klientel so einen Text braucht, der so ungewohnt aussieht.»

«Viele Menschen wären froh, wenn behördliche Informationen verständlicher wären.»

Prof. Gabriela Antener, Hochschule für Soziale Arbeit FHNW

Klientinnen und Klienten verstehen den Inhalt

Nachdem die übersetzten Texte von der Zielgruppe auf Verständlichkeit und von Juristinnen und Juristen auf Korrektheit überprüft wurden, ging das Forschungsprojekt in die zweite Phase. Dabei wurde untersucht, wie die Texte in Leichter Sprache von den Klientinnen und Klienten, aber auch von Behördenmitgliedern oder Abklärungsstellen wahrgenommen wurden. Das Resultat vonseiten der Klientinnen und Klienten war positiv. «Sie haben gemerkt, dass der Text gut lesbar ist und sie den Inhalt verstehen», erzählt Antener. Eine Person habe nach dem Lesen der Texte zudem Akteneinsicht verlangt. Das bedeutet, dass die Klienten aufgrund der Lektüre ihre Rechte kennen und sie auch in Anspruch nehmen. Von den Mitarbeitenden der KESB hingegen gab es verschiedene Reaktionen auf die vereinfachten Texte. Einige befürchteten, dass sie nicht ernst genommen werden, wenn sie einen Brief in Leichter Sprache versenden. Andere haben jedoch gemerkt, dass sie weniger negative Rückfragen bearbeiten müssen. Sie haben den Eindruck, die Leute fühlen sich besser informiert.

Verständliche Informationstexte lohnen sich

Aus dem Projekt sind Folgeprojekte entstanden. Das Forschungsteam erstellt zurzeit in Zusammenarbeit mit drei verschiedenen KES-Behörden eine Informationsbroschüre zum Thema Kindesschutz. Ausserdem startet im Herbst eine weitere Forschungsarbeit, in der es um die kommunikative Praxis von Erwachsenenschutzbehörden geht. Doch auch weitere öffentliche Verwaltungen oder Stellen, die nicht primär mit Menschen mit einer Behinderung zu tun haben, «sollen daran denken, dass viele Menschen froh wären, wenn die Informationen verständlicher wären», sagt Antener. Das würde sich lohnen, denn dann gäbe es weniger Erklärungsbedarf dazwischen. Antener fasst zusammen: «In der Schweiz gibt es diesbezüglich noch viel zu tun.»

*Adult Literacy and Life Skills Survey, 2006

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