Bauphysik-Apéro 2025 – Mit SIA 390/1:2025 übernimmt die Bauphysik eine neue Rolle in der ganzheitlichen Ökobilanzierung
Im Zentrum des diesjährigen Bauphysik-Apéro stand die neue Norm SIA 390/1:2025. Sie setzt neue Massstäbe für die Reduktion von Treibhausgasemissionen im Bauwesen und erfordert ein Umdenken in Planung und Ausführung. Die Bauphysik übernimmt damit eine zentrale Rolle in der ganzheitlichen Ökobilanzierung. Das INEB | FHNW unterstützt Fachpersonen mit gezielten Weiterbildungen, um diesen Wandel in die Praxis zu überführen.
Der bereits traditionsreiche Bauphysik-Apéro brachte auch 2025 wieder viele Fachpersonen aus Planung, Technik und Ausführung zusammen. Dieses Jahr im Fokus: die neue Norm SIA 390/1. Mit diesen Worten eröffnete Prof. Roger Blaser, Experte für Bauphysik, den diesjährigen Bauphysik-Apéro:
«Die neue Norm SIA 390/1 Klimapfad – Treibhausgasbilanz über den Lebenszyklus von Gebäuden setzt als Planungsinstrument neue und klare Ziele für den Baubereich abgestimmt mit dem Netto-Null-Ziel des Bundes. Die Rolle der Bauphysiker*innen geht somit über die Modellierung der Betriebsenergie resp. des Heizwärmebedarfs vermehrt auch in die Ökobilanzierung ganzer Gebäude.»
Wie dieser Paradigmenwechsel in der Praxis aussieht, zeigten drei Experten des Instituts Nachhaltigkeit und Energie am Bau INEB | FHNW, Dr. Edwin Zea, Prof. Daniel Kellenberger und Gregor Steinke, in ihren Fachvorträgen.
Neue Bilanzierungsgrundlagen für die Bauphysik
Die neue Norm SIA 390/1 Klimapfad – Treibhausgasbilanz über den Lebenszyklus von Gebäuden definiert quantitative Anforderungen für den Hochbau über den gesamten Lebenszyklus – von der Rohstoffentnahme über den Betrieb bis zur Entsorgung resp. Wiederverwertung und -verwendung, die direkt aus dem Netto-Null Treibhausgasemissionsziel des Bundes hergeleitet wurden. Der meist von den Bauphysiker*innen erstellte Energienachweis ist häufig eine gute Grundlage für eine schlanke Ermittlung der Grauen Treibhausgasemissionen aus der Erstellung.
In der Praxis heisst das: Bauphysiker*innen liefern entscheidende Daten aus der Betriebsmodellierung für die Lebenszyklusanalyse (LCA) und können so mit einigen wenigen Zusatzinformationen die grauen Treibhausgasemissionen eines Gebäudes ermitteln. Mit etwas Erfahrung werden sie zudem befähigt, das Planungsteam bei der Wahl von klimaverträglicheren Lösungen zu unterstützen.
In Zukunft wird ein Abwägen zwischen Investitionen zur Reduktion der Betriebsenergie und den damit verbundenen Treibhausgasemissionen immer wichtiger. Das bedeutet, dass eine Dämmstärke von über 25cm für ein Gebäude, welches mit erneuerbaren Energien betrieben wird, ökologisch nicht mehr sinnvoll ist. Die kombinierte Betrachtung von Erstellung und Betrieb in der neuen SIA 390/1 ermöglicht es, Abwägungen auf wissenschaftlicher Basis zu treffen und neue Formen interdisziplinärer Zusammenarbeit zu entwickeln.
Vom Betrieb zur Erstellung – Dr. Edwin Zea, Experte für Ökobilanzierung
Dr. Edwin Zea erläuterte, warum künftig nicht mehr nur der Energieverbrauch im Betrieb zählt: Ein grosser Teil der Emissionen entsteht bereits in der Erstellungsphase – durch Materialien, Transport und Konstruktion. Nur eine ganzheitliche Lebenszyklusperspektive ermöglicht den optimalen Kompromiss zwischen Betriebs- und grauer Energie
Einführung in die neue Norm – Prof. Daniel Kellenberger, Experte für Nachhaltiges Bauen und Ökobilanzierung
Prof. Daniel Kellenberger, Präsident der Kommission SIA 390 «Lebenszyklus von Gebäuden», stellte die neue Norm SIA 390/1 „Klimapfad - Treibhausgasbilanz über den Lebenszyklus von Gebäuden“ vor. Er betonte, dass diese Norm einen wichtigen Standard setzt, in dem er die maximalen Treibhausgasemissionen eines Gebäudes festgelegt werden, um das Netto-Null-Ziel des Bundes im Jahr 2050 zu erreichen.
Praktische Ansätze zur Optimierung – Gregor Steinke, Experte für Nachhaltiges und Zirkuläres Bauen
Gregor Steinke zeigte auf, wie die Zusatzanforderungen der Norm SIA 390/1 für Erstellung und Betrieb durch gezielte Gebäudeoptimierung erreicht werden. Er präsentierte praxisnahe Hebel von Suffizienz über Low-Carbon-Materialien bis zu Effizienz im Betrieb und erneuerbarer Anlagentechnik. Entscheidend für den Weg zum Netto-Null-Gebäude sind eine integrale Planung und das frühe Ausschöpfen aller Potenziale.
Wissenstransfer für die Praxis – Weiterbildung an der FHNW
Die rege Diskussion im Anschluss und der Austausch beim Apéro zeigten deutlich: Das Interesse und die Bereitschaft in der Branche sind vorhanden. Was es jetzt braucht, sind fundiertes Wissen, praxistaugliche Werkzeuge – und gezielte Weiterbildung.
Genau hier setzt das INEB | FHNW mit seinem breiten Angebot an: Ob im DAS Bauphysik, in einzelnen CAS oder durch angewandte Forschungsprojekte – das Institut unterstützt Fachpersonen dabei, die Anforderungen von morgen schon heute in ihre Arbeit zu integrieren.
Ein Beispiel: Das CAS Bauphysik (Start im Herbstsemester 2025) vermittelt vertieftes Know-how zu Wärme- und Feuchteschutz, thermischer Behaglichkeit und bauphysikalischen Simulationen. Diese Kompetenzen bilden die Grundlage für die Lebenszyklusanalyse und sind unerlässlich, um Anforderungen wie jene der SIA 390/1:2025 fachlich fundiert umzusetzen.