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CO2 Minderung im ÖV: Zugsysteme – Newsletter Februar

28. Februar 2019

Energieeinsparung und CO2 Minderung sind wichtige Themen im öffentlichen Verkehr, auch wenn dieser jetzt schon deutlich klimafreundlicher ist als der motorisierte Individualverkehr. Da es in vielen EU-Staaten noch «Dieselstrecken» gibt, besteht durch den Einsatz neuer, klimafreundlicher Antriebstechnologien grosses Potential, um die Umweltbelastung zu reduzieren. 2016 ergab eine Machbarkeitsstudie, dass der Ersatz von dieselbetriebenen Zügen durch batteriegestützte elektrische Züge entlang des Bodenseeufers technisch möglich und wirtschaftlich ist. Detaillierte Simulationen mit Beladungszuständen und Wetterdaten ergaben Batterielebensdauern, die grösser sind als der Break-even bezüglich des Baus von Oberleitungen. Nun werden solche Züge in Baden-Württemberg getestet.

Der öffentliche Verkehr ist deutlich klimafreundlicher als der motorisierte Individualverkehr. Trotzdem bestehen von der Flottenoptimierung bis zu Infrastrukturbauten noch zahlreiche Potentiale zur Reduktion der CO2-Emissionen. In verschiedenen Studien des Studienganges «Energie- und Umwelttechnik» der FHNW wurden Massnahmen zur Steigerung der Umweltleistung des öffentlichen Verkehrs analysiert und bewertet. Diese Resultate zur stellen wir Ihnen hier vor.

Batterien anstatt Diesel

In vielen Staaten der EU existieren noch Zugstrecken, die noch nicht elektrifiziert sind. Ein grosser Teil betrifft regionale Strecken mit einer Streckenlänge von bis zu 70 Kilometern (Allianz pro Schiene, 2012). Für diese dieselbetriebenen Strecken existieren verschiedene technische Möglichkeiten CO2 und Energie einzusparen: zum Beispiel die Elektrifizierung durch Oberleitungen oder der Einsatz von Zügen mit Batteriespeichern, Brennstoffzellen oder diesel-elektrischen Hybridantrieben. Ein Studierendenprojekt konnte 2016 die Machbarkeit und die Wirtschaftlichkeit des Ersatzes von Dieselzügen durch batteriegestützte Elektrozüge für die Strecke entlang des Bodensees von Radolfzell nach Friedrichshafen nachweisen. Für die Analyse wurde ein Simulationsprogramm entwickelt, welches die technischen Daten der Diesel-Zugskompositionen und die Fahrdaten der Züge auf der Strecke mittels GPS-Messfahrten als Eingangsgrössen verwendet. Mit den Fahrsimulationen ermittelten die Studierenden den Energieverbrauch und die Batteriegrösse für die Züge (Abb: 1-3).

Fig. 1: Fahrprofil und Energieverbrauch von Radolfzell nach Friedrichshafen
Fig. 1: Fahrprofil und Energieverbrauch von Radolfzell nach Friedrichshafen
Fig. 2: Batterieladezustand der RB mit Aufladung in Friedrichshafen (Radolfzell -Friedrichshafen – Radolfzell) für die maximalen Belastungen durch Beladung und Klima.
Fig. 2: Batterieladezustand der RB mit Aufladung in Friedrichshafen (Radolfzell -Friedrichshafen – Radolfzell) für die maximalen Belastungen durch Beladung und Klima.
Fig. 3: Kostenvergleich vom “Batteriezug” zur Oberleitung: Break even ist der Zeitraum bei dem gleiche Kosten für den Batteriebetrieb bzw. Oberleitungsbetrieb auftreten.
Fig. 3: Kostenvergleich vom “Batteriezug” zur Oberleitung: Break even ist der Zeitraum bei dem gleiche Kosten für den Batteriebetrieb bzw. Oberleitungsbetrieb auftreten.

Für die Wirtschaftlichkeitsberechnungen verglichen die Studierenden die Kosten des batteriegestützten Elektrozuges mit dem Bau einer Oberleitung von Radolfzell bis Friedrichshafen. Als zentraler Einflussfaktor für die Wirtschaftlichkeit stellte sich die Batterielebensdauer heraus. Bereits nach rund 3 Jahren rechnen sich Batteriezüge, die Lebenserwartung einer Batterie liegt jedoch deutlich über 3 Jahren (Abb. 4). Diese Machbarkeitsstudie der Studierenden ist aufgrund der aufschlussreichen Resultate in den politischen Entscheidungsprozess der regionalen Interessenverbände und Politiker eingeflossen.

Fig. 4: Häufigkeitsverteilung der Entladetiefen DoD für die RB pro Jahr (Batteriekapazität 525 kWh, 4559 Fahrten) für Belastungen mit realer Beladung und realen Wetterdaten.
Fig. 4: Häufigkeitsverteilung der Entladetiefen DoD für die RB pro Jahr (Batteriekapazität 525 kWh, 4559 Fahrten) für Belastungen mit realer Beladung und realen Wetterdaten.

In einer nachfolgenden Bachelorarbeit erstellte ein Studierender Prognosen zur Batterielebensdauer mit aktualisierten technischen Angaben eines kommerziellen Batteriezuges. Die Lebensdauer von Batterien hängt hauptsächlich von der Ent- und Ladegeschwindigkeit sowie der Entladetiefe und der Zyklenzahl ab. Aus diesem Grund verwendete der Studierende die entsprechenden Daten der bestehenden Zugsverbindungen der Regionalbahn Baden-Württemberg (BW). Die Regionalbahn BW stellte die vollständigen Daten für die Zugsbelegungen und die zukünftigen Fahrprofile für die Simulationen zur Verfügung.

Der Energieverbrauch der Nebenenergien wie zum Beispiel Licht und Heizung sowie Lüftung betragen bis 50% Anteil des Gesamtverbrauchs. Deshalb wurden für die Berechnung die entsprechenden Wetterdaten mit einer Auflösung von Stunden eines durchschnittlichen Jahres herangezogen. Erstmals konnte so ein komplettes Zugjahr unter Berücksichtigung der Beladung und des Wetters abgebildet werden.

Ein RB Zug erreicht 4559 und ein IRE-Zug 1721 Fahrten pro Jahr. Mit einer Batteriekapazität von 525 kWh kann ein Häufigkeitsdiagramm der relativen Entladung erstellt werden, welches als Grundlage für die Batterielebensdauer dient. Für die Regionalbahn und den Interregion-Express ergab sich eine Batterielebensdauer von 4.7 resp. 16.4 Jahren. Die Batterie ist jedoch bereits ab 3 Jahren wirtschaftlich.

Ausblick

Die Regionalbahn BW testet den Batteriezug ab Herbst 2019 auf einer Strecke bei Ulm. Auch ein Zug mit Brennstoffzellenantrieb wird ab Februar 2019 auf einer Strecke bei Offenburg getestet. Die FHNW-Studien haben nachgewiesen, dass mit batteriegestützten Zügen eine Elektrifizierung ohne Oberleitungen bereits heute möglich und wirtschaftlich ist. Da sich die Technologien kontinuierlich weiterentwickeln, ist mit einem zahlreichen Einsatz solcher Züge zu rechnen. Bis heute sind rund 40% aller Strecken in Europa noch nicht elektrifiziert.

Verdankung

Der Dank gilt allen beteiligten Studierenden A. Fricker, D. Graf, L. Waldburger und P. Häfliger. Insbesondere gilt der Dank Herrn Häfliger, der die Bachelorarbeit verfasste, und dessen Betreuer R. Fischer. Ebenfalls gilt der Dank der Gemeinde Sipplingen, der Regionalbahn BW, der SMA, der ABB und Bombardier.

Weitere Informationen finden Sie auf dem Blog des Studienganges Energie- und Umwelttechnik:

Schlagworte: Klaus Eisele, Michael Bösch, Yvonne Zickermann

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