Aktuell, Forschung, Newsletter, Projekte, Regionaler Energieverbund

Der Umweltnutzen eines Hausmanagers – Entscheidet Intelligenz oder Material über eine umweltfreundlichere elektrische Energieverteilung?

25. April 2019

In einer aktuellen Studie der FHNW wurden der Umweltnutzen und der Einfluss eines Hausmanagers für die Netzinfrastruktur untersucht und dem konventionellen Netzausbau gegenübergestellt. Das Energieszenario für das Jahr 2035 berücksichtigte nicht nur Klimaauswirkungen, sondern auch die gesamte Umweltbelastung der Schweizer Stromversorgung. Durch den Einsatz von Hausmanagern kann ein massiver Ausbau der Netzinfrastruktur insbesondere auf der Ebene Niederspannung vermieden werden.

Durch den Umstieg von fossilen und nuklearen Energieträgern, auf volatile wetter- und saisonabhängige Stromerzeugung aus Sonnenlicht und Wind, die zeitlich als Überangebot oder Defizit verfügbar sind, ändern sich die Anforderungen an die Netzinfrastruktur. Infolge zunehmender Elektromobilität werden sich auch die Lasten und die Lastspitzen in den Haushalten vergrössern. Gemäss vorherrschender Meinung kann den veränderten Anforderungen nur mit einem starken Netzausbau begegnet werden.

Intelligenz für Angebot und Nachfrage.

Ein Hausmanager (CEM, Custom Energy Manager) wird vornehmlich im Wohnungsbereich eingesetzt und ist eine dezentrale Steuereinheit, die Angebot und Nachfrage nach elektrischer Energie gemäss einer Zielvorgabe koordiniert. Dies kann bedeuten, das Angebot und die Nachfrage in Einklang zu bringen oder eine bandleistungsnahe Auslastung des Netzes zu unterstützen. Folglich werden auf dem Netz die Leistungsspitzen minimiert und der Infrastrukturausbau reduziert. Der CEM schiebt Lasten (z.B. Laden von Elektromobil und Warmwasserspeicher) auf Tageszeiten, an denen PV-Strom angeboten wird, und optimiert vorausschauend auch den Ladestand der Gebäudebatterie zur Speicherung von Strom aus hauseigener oder externer Produktion unter Berücksichtigung des momentanen Tarifs zur Optimierung der Kosten und der Netzauslastung (Abb. 1).

Abb. 1: Einfamilienhaus mit Hausmanager und farblich gekennzeichnetem Untersuchungsbereich sowie einem Teil des elektrischen Versorgungsnetzes
Abb. 1: Einfamilienhaus mit Hausmanager und farblich gekennzeichnetem Untersuchungsbereich sowie einem Teil des elektrischen Versorgungsnetzes

Ausbau der Energieerzeugung

Das progressive Energieszenario 2035, das der Studie zugrunde liegt, basiert auf einem starken Ausbau der Wasserkraft, der Photovoltaik und der Windkraft ohne zusätzlichen Bedarf an nicht erneuerbarer Energie. Einzig der nicht gedeckte Strombedarf im Winter wird durch Importe aus dem europäischen Stromnetz bereitgestellt. Durch Anreize und Vorschriften insbesondere im Gebäudebereich könnte sich der Verbrauch an elektrischer Energie bei den heutigen 60 TWh pro Jahr stabilisieren. Zudem wird in der Studie angenommen, dass der Gebäudepark bei 1,7 Millionen Gebäuden konstant bleibt und mit bidirektionaler Kommunikation ausgerüstet ist.

Einfluss auf die Infrastruktur

Im Modell O-CEM werden die Leitungen im Gebäude zwischen Hausanschlusskasten und Hauptverteilung verstärkt, während die Leitungen zwischen Hausanschlusskasten und Strassenverteiler bereits die notwendigen Querschnittsreserven aufweisen (Abb. 1). Im Modell M-CEM ist aufgrund der Energiekoordination durch den CEM keine Verstärkung notwendig. Im Modell O-CEM ist der Kupferaufwand (23’600 t) ca. 50 % höher als heute, während er im Modell MCEM gleich bleibt. Die Lebensdauer der Leitungen ist in der Studie auf 40 Jahre begrenzt. Die Modellunterscheide hinsichtlich der Leitungen aus Kupfer (Cu) sind in Tabelle 1 aufgeführt.

Tab. 1: Cu-Mengen für die Leitungen zwischen Hausanschlusskästen und Hauptverteilungen in den Modellen
Tab. 1: Cu-Mengen für die Leitungen zwischen Hausanschlusskästen und Hauptverteilungen in den Modellen

Das Modell O-CEM geht davon aus, dass der Leiterquerschnitt gemäss EN50160 um den Faktor 3 verstärkt werden muss und sich damit auch die Anzahl Transformatoren verdoppelt, während das Modell M-CEM keine Netzverstärkung benötigt. Für die beiden Modelle ergeben sich dadurch die Annahmen in Tabelle 2: Der Kupferanteil im Niederspannungsnetz (NS) und für Hausanschlüsse bleibt im Model M-CEM gegenüber heute unverändert bei rund 285 000 t. Im Modell O-CEM steigt er auf das 2,8-fache (803 000 t).

Tab. 2: Cu-Mengen für NS-Versorgung
Tab. 2: Cu-Mengen für NS-Versorgung

Batteriespeicher bringen Vorteile

Im Modell O-CEM sind keine 2nd-Life-Batterien zur Speicherung des PV-Stroms aus Eigenproduktion berücksichtigt. Anstatt die Überproduktion in Batterien zu speichern, wird sie auf Hochspannungsebene (HS) in Pumpspeicherseen gespeichert. Dazu werden 2,0 TWh/a PV-Strom in das NS eingespeist, auf die HS-Ebene übertragen, dort als Pumpenstrom verwendet, gespeichert und wieder von der Ebene HS auf die Ebene NS zu den Verbrauchern übertragen. Um für die Ebene NS dieselbe Menge Energie bereitzustellen, die im Modell M-CEM in Batterien für Netz verfügbar ist, vergrössert sich im Modell O-CEM die Produktion der Pumpspeicher um ca. 3 TWh. Die Verluste müssen durch zusätzliche Kraftwerke ausgeglichen werden.

Heute beträgt die Umweltbelastung durchschnittlich 264 UBP/kWh. Im Modell O-CEM reduziert sie sich auf 102 UBP/kWh, bzw. um rund 60 %, und im Modell M-CEM auf 80 UBP/kWh (Abb. 2). Das sind rund 70 % weniger als heute. Bezüglich der Zusammensetzung der Umweltbelastung (UBP/kWh) kann Folgendes festgehalten werden:

  • Die grösste Reduktion (55 %) wird durch die Vermeidung radioaktiver Abfälle («radioactive waste to deposit») aus der Atomenergie erzielt.
  • Der CO2-Anteil («global warming») reduziert sich gegenüber heute im Modell M-CEM um 67 und im Modell O-CEM um 63 %.
  • Der Verbrauch energetischer Ressourcen reduziert sich um ca. 85 % und ist in den beiden Modellen etwa gleich gross.

Das Modell O-CEM weist für mineralische Ressourcen («mineral resources ») gegenüber heute doppelt so viele und das Modell M-CEM 60 % mehr UBPs aus. Dies ergibt sich aus dem Bedarf an Cu, Stahl, Blei, Zink, Kies, Sand usw. für den Ausbau der Netzinfrastruktur. In der Kategorie Schwermetallbelastung der Luft («heavy metals into air) weist das Modell O-CEM gegenüber heute 170 und das Modell MCEM 50 % mehr UBPs aus. Die Belastung entsteht insbesondere bei der Gewinnung von Cu. Das Modell M-CEM kommt ohne Ausbau des NS-Netzes und Verstärkung der Hausanschlüsse aus und weist ca. 20 % weniger UBPs aus als das Modell O-CEM. Gegenüber heute verringern sich die UBPs des Schweizer Stroms um rund 70 % im Modell M-CEM und um rund 60 %im Modell O-CEM.

Fazit

In der Ökobilanz zum progressiven Energieszenario 2035 konnte ein grosses Umweltentlastungs-Potenzial für das Schweizer Stromnetz abgeschätzt werden. Dezentrale Hausmanager in Kombination mit 2nd-Life-Batterien in Gebäuden können den Netzausbaumeindämmen und dazu beitragen, die Umwelt zu schonen.

Schlagworte: Christoph Hugi, Dirk Hengevoss, Dominique Kunz

zurück zu allen Beiträgen
×