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Anpassbarkeit und Zirkularität mittels Modularität und Digitalisierung (AZMD)

Im Forschungsprojekt «AZMD» wird im Rahmen einer Innosuisse-Vorstudie untersucht, inwieweit Anpassbarkeit und Zirkularität im Bauen zusammenhängen und welchen Beitrag Modularität und Digitalisierung leisten können.

Zusammenfassung

Im Forschungsprojekt «AZMD» wird der Forschungsfrage nachgegangen, inwieweit anpassbare Bauten für die heutige und zukünftige Schweizer Baubranche interessant sind und ob Reversibilität und Zirkularität mit baulich herstellbarer Anpassbarkeit einhergehen können. Dabei wird der Zusammenhang mit Modularität sowie Digitalisierung aufgezeigt und der Fokus auf die Gebäudetechnik gelegt. Aus den vorausgehenden Gesprächen mit dem Implementierungspartner ergaben sich folgende, aus dem Bereich der Gebäudetechnik stammende Teilfragen:

1. Wie gross ist der Markt für modulare, anpassbare und zirkuläre Architektur respektive Gebäudetechnik; in welchen Bereichen, unter welchen Bedingungen und in welcher Form?

  • Was sind bestehende Produkte auf dem Markt, wodurch grenzen sie sich ab bzw. auf welche Produkte kann zurückgegriffen werden?
  • Wie lassen sich handhabbare, modulare, steckbare Systeme in der Gebäudetechnik erfolgreich umsetzen und wo liegen die Grenzen?
  • In welchen Gebäudearten wird steckbare Gebäudetechnik heute eingesetzt? Welche Gebäudearten haben Potenzial?
  • Was macht die Idee konkurrenzfähig und nachhaltig (ökologisch, ökonomisch, sozial)? Wie sind die Aspekte Vorkonfektionierung, Langlebigkeit und Verfügbarkeit zu beurteilen?

2. Wie bringt die Digitalisierung Mehrwert in die Umsetzung modularer, anpassbarer und zirkulärer Architektur respektive Gebäudetechnik?

  • Wie kann der digitale Zwilling das Marktpotenzial erhöhen? (Automatisierung, Logistik, Applikationen etc.)
  • Wie können neue Zusammenarbeitsmodelle die Umsetzung unterstützen?

Ausgangslage

Die Folgen des Klimawandels und der steigenden Ressourcenknappheit sind heutzutage omnipräsent. Auch in der Baubranche ist ein Bewusstsein für die Notwendigkeit von Veränderungen entstanden. Das Thema «Zirkuläres Bauen», sei es mittels regenerativer Materialien oder durch die Wiederverwendung von Bauteilen, hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Erste Pionierprojekte in der Schweiz, wie die Aufstockung «K118» in Winterthur, verwenden Bauteile wieder, die woanders zurückgebaut, statt abgerissen wurden (Stricker et al. 2021). Diese Bauteile werden zudem idealerweise im Sinne eines «Design for Disassembly» (DfD) so wieder eingebaut, dass ein zukünftiger Rückbau bereits mitgedacht wird.

Das Feld des «Design for Disassembly» ist nicht neu und noch heute beispielweise in nomadischen Bauweisen zu finden; ein bekanntes frühes Beispiel ist Da Vincis temporäre Jagdhütte «casa mutabile» aus den Jahren um 1510. Auch die Holzhäuser der Zentralschweiz, die bereits ab 1400 dokumentiert sind, wurden als auseinandernehmbare Blockbauten mit Eckverkämmung und Holzdübel konstruiert. Bei DfD wird das Bauwerk zum Bauteillager, in dem ein Teil der Bauteile jederzeit nach Bedarf hinzugefügt oder weggenommen werden kann. Eine Auseinandersetzung mit DfD in der Neuzeit fand seit den 1970er-Jahren statt; frühe Studien beschäftigten sich mit reparaturfähigen Konstruktionstechniken, wie etwa die des amerikanischen Ingenieurs Philip Crowther 1999, oder Potenzialen für die Nachhaltigkeit, wie die des amerikanischen Ingenieurs Charles Kibert 2003 (Thormark 2007).

Systembau und Anpassbarkeit waren viel beachtete Themen in der Architektur der 1950er- bis 70er-Jahre, sei es seitens der Planenden, Ausführenden oder Auftraggebenden (Gratz 2023). Ein Grund dafür war die Unsicherheit der Zeit, bedingt durch Wachstum, Städte- und Lebenswandel, aber auch die grosse Fortschrittseuphorie; denn Systembauten, oftmals als Komplettpaket angeboten, ermöglichten Rationalisierung, Schnelligkeit und Flexibilität (Gratz 2023). Beispiele für System- und Modulbauten in der Schweiz sind etwa das Variel-System aus Beton von Fritz Stucky (1960–70er), die Stahlsysteme Mini, Midi, Maxi von Fritz Haller (1960–80er), Züri-Modular aus Holz und Stahl von Bauart oder System- und Modulbauten von Holzbauunternehmen wie Erne (1990er bis heute). Im Ausland sind zum Beispiel die Containerbauten von Modulbauunternehmen wie Alho in Deutschland oder Selbstbauplattformen wie Wiki-House in Grossbritannien zu nennen.

Gratz, L.,2023. Interview Vorstudie «AZMD», 06/2023
Stricker, E., Brandi, G., Sonderegger, A. (Hg.), 2021. Bauteile wiederverwenden. Ein Kompendium zum zirkulären Bauen
Thormark, C., 2007. Motives for design for disassembly in building construction. https://www.researchgate.net/publication/289778216

Projektziele

Während «Design for Disassembly» immer präsenter wird, werden Themen wie Systembau, Modularität und Anpassbarkeit heutzutage nur marginal diskutiert. Dabei könnten sie Lösungen nicht nur mit Blick auf den Klimawandel und Ressourcenknappheit liefern – wobei der Begriff «Ressource» Material, Raum und Mensch mit einbezieht –, sondern auch hinsichtlich immer schneller wandelnder Lebens- und Nutzungsmodelle. Diese Vorstudie untersucht daher, inwieweit Modularität, Anpassbarkeit und Zirkularität zusammenhängen und geht der These nach, ob anpassbares Bauen die Wiederverwendung von Bauteilen fördern kann. Als grosser Hebel werden dabei heutige digitale Werkzeuge betrachtet, die dafür sorgen könnten, dass anpassbare Fügemechanismen (wie Schrauben oder Klemmen) auf vielen Ebenen Mehrwert generieren. Denn Studien zeigen: Anpassbarkeit bringt in der Planung und Erstellung Mehrkosten mit sich und wird im Betrieb nur genutzt, wenn sie als rentabel und praktikabel empfunden wird (Henz 1995).

Um aus der detaillierteren Betrachtung eines Teilbereichs Schlüsse für Bauwerke als Ganzes ziehen zu können, wird die Gebäudetechnik in dieser Vorstudie genauer analysiert. Obwohl es System- und Modulbauten bereits seit Jahrhunderten gibt, ist der Bereich einer modularen, anpassbaren und zirkulären Gebäudetechnik wenig erforscht und angewendet (Bürgi 2023). Dabei würde eine anpassbare Gebäudetechnik die Umnutzung von Bauten wie auch die Wiederverwendung von Gebäudetechnikeinheiten vereinfachen. Digitale Werkzeuge, die statische wie dynamische Daten eines gebauten Objektes in Echtzeit abbilden, könnten die entsprechende Logistik wie auch eine teilautomatisierte Neuverknüpfung der Gebäudetechnik praktikabel machen. Digitale Applikationen könnten für Benutzerfreundlichkeit sorgen und dafür, dass die Anpassbarkeit – anders als bisher – tatsächlich genutzt wird.

Bürgi, R., 2023, Technik als Modul, in: Modulare Gebäudetechnik. Faktor Architektur Technik Energie, Heft 59
Henz, A., Henz, H., 1995, Hefte zum Wohnen Nr. 3, Anpassbare Wohnungen, ETH Wohnforum

Umsetzung

Für eine differenzierte Analyse werden im Rahmen der Vorstudie die einzelnen Themenbereiche (Anpassbarkeit, Zirkularität, Modularität und Digitalisierung) separat betrachtet und hinsichtlich der formulierten Forschungsfragen analysiert sowie in Kontext zueinander gestellt. Als methodisches Hauptelement der Vorstudie dienen neben einer Literaturrecherche zwölf Interviews und Gespräche, die zwischen April und September 2023 geführt wurden. Interviewpartner/innen waren Fachpersonen mit Expertenwissen aus dem Bereich Gebäudetechnik, Gebäudetechnikprodukte, Bewirtschaftung, Immobilienentwicklung, Immobilienbewertung, Systembau, digitales Bauen, zirkuläres Bauen und Marktfähigkeit. In ihrer Summe sind die Interviews aufgrund ihrer Anzahl und der Auswahl der Fachpersonen zwar nicht repräsentativ, ermöglichen aber, ein Stimmungsbild der Schweizer Baubranche abzubilden.

Eckdaten des Projekts

Projektlaufzeit:

November 2022­ – November 2023

Finanzierung:

Innosuisse

Projektleitung:

Julia Hemmerling

Projektmitarbeitende

Prof. Manfred Huber

Projektpartner

Implementierungspartner:
Tobias Müller, HHM

Interviewpartner/innen:
Adrian Dömer, FHNW (Betrieb; Campusleiter FHNW Brugg-Windisch)
Christian Grünig, Halter AG (Gebäudetechnik)
Felix Baumgartner, Renggli AG (Holzsystembau, digitale Planung und Fabrikation)
Franz Barjak, FHNW (Marktfähigkeit)
Julia Selberherr, Wüest Partner (Immobilienbewertung und -beratung)
Lucia Gratz, werk, bauen + wohnen (Systembau)
Marc Angst, Zirkular GmbH (Fachplanungsbüro für das Bauen im Kreislauf)
Marco Schmuck, Maud Stein, MASCon (Gebäudetechnik)
Martin Peinsold, HHM (Elektrotechnik)
Mike Blessing, Selmoni-Gruppe (Elektrotechnik)
Peter Wicki, Zug Estates AG (Immobilienentwicklung und -bewirtschaftung)
Thomas Wehrle, ERNE AG (Holzsystemhybridbau, digitale Planung und Fabrikation)

Publikationen / Präsentationen

Veröffentlichungen folgen

Institut Digitales Bauen

Hofackerstrasse 30 4132 Muttenz
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