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Norwegen: Tønsberg

Ein Kindheitstraum geht in Erfüllung – Nina geht für ein dreimonatiges Praktikum nach Norwegen.

Name: Nina Baumann-Hübschle
Studiengang: Schulische Heilpädagogik
Auslandssemester: Barkåker Skole, Tønsberg, Norwegen (6.4.–19.6.2021)

Vorbereitung

Ich habe schon immer davon geträumt, einmal für längere Zeit in Norwegen zu leben. Meine Mutter ist Norwegerin und deshalb habe ich meine Sommerferien während meiner Kindheit in Norwegen verbracht. Leider konnte ich diesen Traum lange nicht erfüllen. Nun sind meine Kinder alt genug, um eine Zeit alleine zu leben, und da habe ich die Chance ergriffen, nach meinem Studienabschluss für drei Monate meinen Traum zu leben.

Im Studium haben wir uns mehrmals mit Schulsystemen anderer Länder, unter anderem auch skandinavischen Ländern, beschäftigt, dies war ein weiterer Grund, weshalb ich das norwegische Schulsystem genauer kennenlernen wollte. Dass ich in der Schule von Barkåker gelandet bin, war eher ein Zufall. Eine norwegische Bekannte stellte meine Anfrage auf Facebook. Eine frühere Bekannte von ihr ist die Frau des Rektors der Barkåker Schule. Sie hat die Anfrage gesehen und dadurch ist der Kontakt entstanden. Der Rektor meldete sich bei mir im September 2020. Im Oktober verabredeten wir eine Teams-Sitzung gemeinsam mit den zwei anderen Leitern der Schule. Anschliessend telefonierte der Rektor noch mit meiner Rektorin in der Schweiz, um sich zu vergewissern, ob er mich guten Gewissens für das Praktikum einstellen kann. Da ich bereits in Basel als SHP an einer Primarschule unterrichte, musste ich für die Zeit des Praktikums frei nehmen. Einerseits habe ich dafür Überzeit abgebaut, andererseits unbezahlten Urlaub genommen.

Anreise/Ankommen

Aufgrund der Pandemie war die Anreise sehr schwierig und die Vorbereitungen dafür sehr zeitaufwändig. Ich wollte in Norwegen unabhängig sein und fuhr deshalb mit dem Auto nach Norwegen. Im Frühling 21 musste Corona-technisch alles gut geplant werden. Ich fuhr schlussendlich durch Deutschland bis nach Kiel, von dort mit der Fähre nach Göteborg (Schweden) und dann weiter nach Norwegen. An der norwegischen Grenze musste ich sämtliche Papiere vorlegen und konnte nur einreisen, weil ich einen norwegischen Pass habe.

Vor Ort musste ich zuerst sieben Tage in Quarantäne. Da ich ein eigenes Häuschen hatte, durfte ich dort wohnen und musste nicht in ein kostspieliges Quarantäne-Hotel. Meine Vermieter versorgten mich mit Lebensmittel, zudem durfte ich während der Quarantäne Spaziergänge machen und mich im Freien aufhalten.

Ich wurde vom Rektor digital willkommen geheissen. Gegen Ende der Quarantäne brachte er mit persönlich meinen Schullaptop vorbei und zeigte mir vor dem eigentlichen Beginn die Schule.

Unterkunft & Verpflegung

Ich hatte das Glück, ein kleines Ferienhäuschen am Meer mieten zu können. Das Häuschen fand ich auf der norwegischen Plattform „finn.no“ unter den Ferienhäuschen. Der angegebene Wochenmietzins (für die Sommerferien) war viel zu hoch, aber ich schrieb den Vermietern und erklärte ihnen meine Situation. Sie kamen mir preislich sehr entgegen und somit konnte ich mir das Häuschen leisten. Es lag auf der wunderschönen Insel Nøtterøy. Zum Boots- und Badesteg brauchte ich nur eine Minute, bis in die Stadt 15 Minuten mit dem Auto. Es lag also nicht gerade ‚downtown’, dafür sehr naturnah.

Die Hochschule

Wie bereits erwähnt, habe ich erst nach meinem Masterabschluss ein Praktikum im Rahmen des Movetia Programms gemacht. Ich war also nicht an einer Hochschule, sondern habe ein Praktikum in einer Primarschule gemacht. Dabei erhielt ich einen Einblick in das norwegische Schulsystem. An der Barkåker Schule, an welcher ca. 210 Schüler sind, arbeitet zurzeit keine Schulische Heilpädagogin. Diese Aufgaben übernehmen Lehrpersonen, die dies gerne machen, sowie Assistenzen, welche die Betreuung übernehmen. Kinder, welche in der Schweiz in einer Heilpädagogischen Schule beschult würden, werden in Norwegen integrativ beschult.

Für Schulverweigerer und sozial auffällige Kinder gibt es alternative Schulen, in denen sie je nach Alter eine Eins-zu-eins-Betreuung erhalten oder in Gruppen Aktivitäten unternehmen. Ich konnte während zweier Wochen einen Einblick in eine solche Schule erhalten.

Einen Tag war ich an einer Primarschule einer Gemeinde, die für die Kinder mit besonderen Bedürfnissen extra Räumlichkeiten integriert hat. Es handelt sich bei diesen Kindern um Kinder mit einem sehr hohen Betreuungsbedürfnis. Sie nehmen in der Schule an den Schulfächern teil, die mit den gleichaltrigen Kindern Sinn machen oder möglich sind, wie beispielsweise Musik oder Turnen, Pausen und Ausflüge. Ansonsten werden sie separat beschult.

Weiter konnte ich mit einer Schulischen Heilpädagogin sprechen, die beim Pädagogisch-Psychologischen Dienst arbeitet. Dieser entspricht dem Schweizerischen Schulpsychologischen Dienst, wobei in Norwegen neben den Psychologen auch SHPs in diesem Dienst arbeiten.

Land & Leute

Die Menschen sind sehr nett und hilfsbereit. Grundsätzlich dachte ich, die Norweger*innen sind sehr ähnlich wie die Schweizer*innen, musste aber feststellen, dass ihre Kultur und Mentalität sich doch recht unterscheiden. Die meisten Norweger*innen haben auf mich einen sehr entspannten Eindruck gemacht. Der Leistungsdruck, den ich mir von der Schweiz gewohnt bin, habe ich kaum wahrgenommen. Vielmehr heisst das Motto „Kinder sollen Kinder sein können“ und „det går så bra“ (das wird schon gut gehen). Die Beziehung zwischen den Kindern und der Lehrperson ist sehr freundschaftlich und widerspiegelt die Mentalität „alle sind gleich“ sowie die flache Hierarchie. Die Kinder wirken deshalb aus Schweizer Sicht manchmal eher respektlos gegenüber Erwachsenen aber auch selbstbewusster.

Freizeit

Aufgrund von Corona gab es wenig organisierte Aktivitäten, zudem war Norwegen im April noch im Lockdown. Aber Norwegen bietet eine fantastische Natur, in der es unglaublich schön ist, unterwegs zu sein. Ich war viel „på tur“ (unterwegs in der Natur), konnte ein Fahrrad leihen, habe einen Kajakkurs gemacht und habe mit der Zeit auch Ausflüge mit Lehrpersonen und anderen Menschen, die ich kennengelernt habe, gemacht.

Persönliches Fazit

Für mich war dieser Aufenthalt absolut spitze. Ich würde es sofort wieder machen und jedem empfehlen. Ich habe mir selten in einer so kurzen Zeit so viele Fragen gestellt in Bezug auf Gesellschaft, Kultur, Mentalität, Schule, Pädagogik, Psychologie, Philosophie, ... weil in Norwegen doch einiges anders gemacht wird. Das Reflektieren dieser Fragen, weshalb sie dies so machen oder ich/wir es anders machen; mit den Menschen über ihre Beweggründe sprechen; das Verhalten im Kontext der Kultur und Mentalität zu sehen; zu erleben, wie es ist, wenn man eine Sprache nicht perfekt spricht; ...war unglaublich spannend und lehrreich.

Gerne möchte ich ein Stück norwegische Gelassenheit „det går så bra“ (es wird schon gut werden) in meinen Alltag mitnehmen. Den Kindern Druck wegnehmen, wo es möglich ist, und ihr Selbstvertrauen stärken.

Die Vermittlung sozialer Werte und das Stärken positiver Eigenschaften nimmt im norwegischen Schulsystem einen hohen Stellenwert ein. Dadurch wird u.a. die Fähigkeit zur Empathie gefördert, was sich im Umgang unter den Schüler zeigt. Die Stärkung der sozialen, emotionalen und personalen Kompetenzen der Kinder möchte ich in meinem Unterricht aber auch gemeinsam mit den Klassenlehrpersonen im Klassenverband verstärkt fokussieren und fördern.

Eine Lehrperson konnte ich in Bezug auf ein verhaltensauffälliges Kind sehr gewinnbringend beraten. Die Beziehung der Lehrperson zu dem Kind konnte in kurzer Zeit sichtbar verbessert werden und die Lernbereitschaft des Kindes nahm sprunghaft zu. Dies war für mich persönlich ein sehr schönes Erlebnis und ich möchte versuchen, diese Art von Beratung weiterzuführen.

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