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Digitaler Zwilling eines Gebäudes – Eine interdisziplinäre Herausforderung für Forschung, Lehre und Praxis

8. Mai 2020

Das Konzept des Digitalen Zwillings nimmt in der Bauindustrie und in verwandten Forschungsbereichen eine immer wichtigere Rolle ein. Die Institute Energie am Bau, digitales Bauen und Geoinformatik haben am Beispiel des Campus Muttenz der FHNW ein Modell erstellt, um den digitalen und physischen Zwilling zu demonstrieren und für Lehr- und Studienzwecke zu nutzen.

Im Gebäudebereich ist ein digitaler Zwilling eine digitale Replika der Struktur und des Verhaltens eines Gebäudes mit interaktiven Verbindungen zu diesem. Diese Verbindungen übertragen Informationen (Status, Nutzungs- oder Analysedaten, Steuerbefehle usw.). Zudem kann ein digitaler Zwilling je nach Detaillierungsgrad, Automatisierungsgrad und Art der Verbindungen und Informationen unterschiedliche Formen annehmen. So bildet ein digitaler Zwilling die Zustände (strukturelle und betriebliche) eines realen Gebäudes im Laufe der Zeit ab. Es kann ein bestehendes oder in der Realisierung befindliches Gebäude darstellen.

Für Studien in angewandter Forschung und Wissensvermittlung in der Aus- und Weiterbildung haben die Institute Energie am Bau, digitales Bauen und Geoinformatik ein Abbild des Campus Muttenz mit dazugehörigem digitalem Zwilling erstellt. Genau wie in einem realen Bauprozess sind für die Schaffung eines digitalen Zwillings Experten aus verschiedenen Disziplinen erforderlich.Sie haben ein gemeinsames Ziel: das Gebäude zu errichten. Für diese Co-Kreation benötigen sie Planung, Organisation, Koordination und die Verantwortung, ihre Produkte korrekt zu liefern und dabei die Anforderungen anderer in komplexen Arbeitsabläufen zu berücksichtigen.

Digitale Zwillinge sind nur möglich, wenn wir verschiedene Technologien kombinieren. Darüber hinaus ist der digitale Zwilling bei bestehenden Gebäuden noch komplexer als bei neuen Gebäuden, da die physische Konstruktion digitalisiert und eine Strategie zur Analyse der vorhandenen Daten und Systeme im Gebäude festlegt werden müssen. Die wichtigsten Arbeitspakete in Bezug auf die wesentlichen Technologien zur Schaffung von digitalen Zwillingen sind:

  • Scannen und Erfassen des Istzustandes
  • Modellierung als digitales Bauwerksmodell (BIM)
  • Verbinden der realer mit virtueller Welt (Z.B. mit Internet der Dinge)
  • Datenmanagement und Visualisierung

Der Campus Muttenz wurde nicht mit digitalen Bauwerksmodellen erstellt, weshalb ein Retro-BIM-Ansatz gewählt wurde. Ein Teilbereich wurde mit einem 3D Scanner erfasst, eine Punktewolke erzeugt und in ein digitales Bauwerkmodell überführt.

Abb. 1: Überführen der Realität in ein digitales Bauwerksmodell (BIM)
Abb. 1: Überführen der Realität in ein digitales Bauwerksmodell (BIM)

Dieses Modell wurde der Realität, durch Hinzufügen von Detailinformationen, weiter angeglichen. Mit diesem digitalen Bauwerksmodell wurde ein miniaturisierter physischer Zwilling im 3D-Drucker erstellt, damit dieser das Konzept für Studierende und Interessierte überschaubar macht.

Als erstes Gewerk wurde die Helligkeitsregelung im Gebäude umgesetzt, welches in Abhängigkeit von Fremdlicht das Kunstlicht regelt. Deswegen wurde das physische Modell, wie sein physisches Pendant in Muttenz, mit Leuchtmittel (LEDs), Helligkeits- und Bewegungssensoren ausgestattet. Die Automation wird mit einem Einplatinenrechner realisiert, welcher die Verbindung zum digitalen Zwilling herstellt. Der Datenaustausch erfolgt bidirektional. Der Rechner meldet den Istzustand des physischen Zwillings zur Datenaufzeichnung und Visualisierung und der digitale Zwilling kann Einflussnehmen auf den physischen Zwilling zur manuellen Übersteuerung. Des Weiteren wurde ein Monitor für die Fremdlichteinwirkung eingesetzt, welcher die Sonneneinstrahlung emuliert.

Abb. 2: Konzept des Miniaturprototyps des digitalen und physischen Zwillings
Abb. 2: Konzept des Miniaturprototyps des digitalen und physischen Zwillings

Die Einführung von digitalen Zwillingen als Thema führt zu intensiveren heterogenen Projekten als es heute in der Baubranche ist. Der Mehrwert dieser Zwillinge kann bereits heute belegt und mit dem entwickelten Miniaturmodell des Campus Muttenz veranschaulicht und als Lehrmittel eingesetzt werden.

Abb. 3: 3D-Druckmodell eines Teils des Campus und auf dem Bildschirm das dynamisierte digitale Bauwerksmodell
Abb. 3: 3D-Druckmodell eines Teils des Campus und auf dem Bildschirm das dynamisierte digitale Bauwerksmodell

Die Einbeziehung eines projektbasierten Lernansatzes in den bestehenden Bildungsrahmen bringt neue positive Ergebnisse, die normalerweise weniger im Vordergrund stehen, wie z.B. die Koordination, Interoperabilität und den Überblick über den gesamten Prozess und die verschiedenen verfügbaren Technologien.

Für die Hochschule Architektur, Bauingenieurwesen und Geomatik ist dies ein Gewinn für zukunftsorientierte Lehrmethoden, weil die Grenzen der Disziplinen nicht mehr so klar, wie heute, gezogen werden und die Technologie während des gesamten Lebenszyklus eines Bauwerks eine grundlegende Rolle spielen wird.

Für weitere Informationen kontaktieren Sie Prof. Dominique Kunz oder Dr. Wissam Wahbeh

dominique.kunz@fhnw.ch
wissam.wahbeh@fhnw.ch

Schlagworte: Dominique Kunz, Wissam Wahbeh

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