Bachelor in Geomatik, Studierende berichten

Studierende berichten: Geomatik-Frühlingskolloquium 2025

12. Mai 2025

Radiance Fields – «Warum tut man sich das an?»

Obiger Titel auf einer der Folien von Prof. Dr. Lukas Winiwarter sowie farbenfrohe Begriffe wie Pokémon Go, Precision Agriculture und Fruit Point Clouds fielen am dritten Frühlings-Kolloquium vom Institut Geomatik FHNW besonders auf und waren Teil eines vertieften, wissenschaftlich fundierten und zugleich packenden Vortrags zum Thema Radiance Fields und deren Anwendung. Prof. Dr. Lukas Winiwarter führte mit Laserfokus durch seine jüngsten Erkenntnisse und nahm uns mit auf einen Ausflug in die Welt der künstlichen Intelligenz und die Herausforderungen moderner 3D Aufnahmeverfahren.

Der Einstieg in die Materie war keineswegs trivial: Neuronale Netze, inspiriert von biologischen Nervenzellen, bilden den Kern dieser Technologie. Neural Radiance Fields (NeRFs) nutzen diese, um 3D-Szenen nicht einfach nur als Punktwolken zu repräsentieren, sondern als dichte, richtungsabhängige Felder, die Licht und Struktur vereinen. Während klassische Photogrammetrie mühsam Pixel für Pixel berechnet, lernen NeRFs wie eine Szene als Ganzes funktioniert und rekonstruieren unbekannte Blickwinkel per geschätzter Lichtdichte. Mit dieser Art von Szenenrekonstruktion erhalten wir ein halbwegs schlaues und realistisch aussehendes 3D-Modell.

Pokémon Go trifft Geodäsie

Ein besonders unerwarteter Moment des Vortrags war die Verbindung zu Niantic, den ehemaligen Entwicklern von Pokémon Go. Diese nutzen Millionen nutzergenerierter Bildaufnahmen, um ein bildbasiertes Positionierungssystem zu schaffen – basierend auf Radiance Fields. Spielerei? Ganz und gar nicht! Es zeigt, wie tief diese Technologie bereits im Alltag verwurzelt ist und welches Potential in nutzergenerierten Bilddaten steckt. Vielleicht werden wir eines Tages mit Niantics «Map-Free Visual Relocalization» eine Google-Maps Alternative erleben.

FruitNeRF: Äpfel zählen in 3D

Doch Winiwarter ging noch weiter: Beispielsweise zeigte er uns das Projekt FruitNeRF aus dem Bereich der Precision Agriculture. Hier werden 3D-Fruchtdichtefelder trainiert, um Äpfel in Bildern zu erkennen und in einer Szene räumlich zu verorten. Das Resultat? Automatische Fruchterkennung und Zählung, aber nicht auf einem flachen Foto, sondern direkt im 3D-Raum. So wird aus Obst ein Punktwolken-Datenfeld mit Dichtegradienten – präzise, skalierbar und effizient.

Abbildung 1 Detektion von Obst mit FruitNeRF, links ein Rendering der Daten, rechts eine extrahierte Punktwolke mit dem Ergebnis (Winiwarter, Folien). Quelle: Meyer, L., Gilson, A., Schmid, U., & Stamminger, M. (2024, October). FruitNeRF: A Unified Neural Radiance Field based Fruit Counting Framework. In 2024 IEEE/RSJ International Conference on Intelligent Robots and Systems (IROS) (pp. 1-8). IEEE.

Unsicherheit als Chance

Ein Kernthema, welches für uns Geomatiker wichtig ist: Unsicherheit. Radiance Fields erlauben eine dichtebasierte Registrierung einer Punktwolke. In Kombination mit 3D Gaussian Splatting ist es möglich, eine Unsicherheit im Rauschen als Normalverteilung zu implizieren und zu schätzen. Gerade bei Szenen mit Vegetation oder in unzugänglichem Gelände zeigt sich hier ein Vorteil gegenüber der herkömmlichen Photogrammetrie:

Abbildung 2 Rekonstruktion eines Waldgebietes mit Multi View Stereo (MVS) im Vergleich mit einer Rekonstruktion durch Neural Radiance Fields (NeRF) (Winiwarter, Folien).


Bildinformationen, welche so nicht direkt sichtbar sind, werden nicht nur interpretiert und visualisiert, sondern transportieren gleichzeitig ein Mass an Unsicherheit. Dies könnte man als Chance wahrnehmen, da mit genug Optimierung und Training des Modells eine realistische Schätzung des Verborgenen stattfinden könnte. Die Visualisierungen und Vergleiche, welche uns Herr Winiwarter zeigen konnte, sind bereits beindruckend. Natürlich hat dies aktuell immer noch Grenzen: Beispielsweise sind Waldböden aktuell weiterhin besser zu erkennen mit den heutigen ALS-Methoden.

Abbildung 3 Vergleich der Punktwolken, bei einem Schnitt durch die Vegetation, mit den beiden Methoden MVS(Blau) und NeRF (Grün) (Winiwarter, Folien).

Ein weiteres Puzzlestück bei Winiwarters Forschungsteam war das Finden eines passenden Algorithmus, welcher die False-Negative Problematik löst. Denn für sein Team ist es wichtig, Unterschiede in Gletscherverschiebungen zu erkennen, also grossflächiges Monitoring. Da die internationale Forschung sehr aktiv im NeRF und 3DGS Bereich ist, gestaltete sich die Suche ausgesprochen schwer. Namentlich erwähnt im Vortrag wurde der M3C2 Algorithmus, welcher spezifisch als Signifikanztest für eine mögliche Änderungsdetektion verwendet wurde. «Wurde», weil dieser sich leider als nicht robust genug herauskristallisierte.

«Warum tut man sich das an?»

Die Antwort auf die Frage im Titel seiner Folie ist klar, nämlich der mögliche Payoff einer viel effizienteren Methode fürs Monitoring, welche die Frage beantwortet, ob sich wirklich etwas bewegt hat und wenn ja, um wieviel.

Indirekt ermöglicht dies auch das Öffnen der Türen für einen noch viel breiteren Anwendungsbereich in der Geomatik. Dem steht aber noch das Bestehen der hohen Genauigkeitsanforderungen im Weg. Denn nach aktuellem Forschungsstand sind NeRFs und 3DGS noch relativ neu sowie optimiert für visuelle Eindrücke anstelle Präzision.

Blick nach vorn

Abschliessend wagte Winiwarter einen Blick in die nahe Zukunft und schnitt folgende Themenbereiche an: Large Geospatial Models, kombinierte Verfahren, sowie mehr und mehr Anwendungsfälle mit low-cost Sensoren (z.B. bei der Aufnahme von komplexer Vegetation). Diese Bereiche könnten stark profitieren von einer robusten Anwendung von NeRFs.

Wer nun meint, dass reine Photogrammetrie bald abgelöst wird, irrt sich: Diese sei nicht wegzudenken und natürlich weiterhin ein fester Bestandteil der Vermessung, versichert uns Winiwarter. Somit darf auch Prof. Dr. Nebiker, unser Professor für Photogrammetrie, beruhigt aufatmen und sich mit uns auf eine spannende Zukunft freuen!

Die Aufzeichnung des Kolloquiums ist hier zu finden.

Autoren: Alexander Rühli und Ignaz Kuczynski, Bachelor-Studierende Geomatik im 4. Semester

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