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IGEO Events, Bachelor in Geomatik

Geomatik-Herbst-Kolloquium: Höhensysteme und Geoidmodellierung für hochpräzise Anwendungen am CERN

14. November 2025

Julia Koch gab im Herbst‑Kolloquium Einblick in ihre Dissertation zur Geoidberechnung für den Future Circular Collider (FCC) am CERN. Der geplante unterirdische Teilchenbeschleuniger soll einen Umfang von rund 91 km haben, mehrfach die Schweizer-französische Grenze kreuzen und auch unter dem Genfersee verlaufen: Geodätisch heikler geht es kaum.

Für die initiale Ausrichtung der Magnete im Tunnel werden Referenzen im Mikrometerbereich benötigt (Richtwert: ca. 30 µm über 225 m). Die vertikale Führung im Tunnel wird sich dabei auf ein hydrostatisches Nivellementsystem (HLS) stützen. Dieses misst entlang einer Equipotentialfläche (also einer Fläche gleichen Schwerepotenzials, an der Wasser ruht), während die Ingenieur*innen eine euklidische Ebene realisieren müssen. Ein hoch aufgelöstes und genaues Geoidmodell liefert die nötige Transformation zwischen diesen beiden Bezugssysteme.

In der Region um Genf treffen verschiedene amtliche Höhensysteme aufeinander: Auf Schweizer Seite LN02 / LHN95, in Frankreich NGF-IGN69 / NGF-NIv2. Diese Systeme zeigen signifikante Differenzen (u.a. regional bis ~50 cm, zudem systematische, aber variierende Offsets zwischen Schweiz und Frankreich). Für den FCC wurde deshalb ein einheitlicher Höhenbezug über das gesamte Projektgebiet angestrebt.

Koch kombinierte terrestrische Schwerebeobachtungen, ein digitales Höhenmodell und verschiedene Schwerefeldmodelle. Ihre regionale Geoidlösung entstand mit einem Remove-Compute-Restore-Ansatz und einer Ausgleichung mit radialen Basisfunktionen. Dadurch lässt sich das Störpotential (und daraus ein Geoid/Quasigeoid) über das gesamte FCC-Gebiet konsistent schätzen.  

Für die unabhängige Kontrolle wurde ein ~40 km langes Validierungsprofil von der heutigen CERN-Fläche Richtung Annecy eingerichtet. Erhoben wurden u. a. GNSS/Nivellement-Punkte, Gravimetriemessungen und Lotabweichungen (mit Zenitkameras). In der sog. «Region of Interest» erreicht die Lösung, verglichen mit GNSS‑Nivellement, Standardabweichungen von ~7-9 mm; im Profilvergleich liegen die Modellabweichungen im Zentimeterbereich und sind auf Höhe der besten verfügbaren Referenzmodelle (z. B. RAF20).   

Was die Arbeit knifflig machte, war, dass sich zur Verfügung stehende Daten ungleich verteilten (z.B. Gravimetrie in Frankreich teils dünn). Simulationsstudien zeigen: Für ein ~1 cm-Geoid ist ~1 km Messpunktabstand eine sinnvolle Zielgrösse; bei gröberen Maschen wachsen die Abweichungen. Zudem wirken sich Topografie und getroffene Dichteannahmen im Untergrund aus. Beides wird in Folgeprojekten verfeinert: Geplant sind Verdichtungen der Gravimetrie, Untersuchungen zu lateralen Dichtemodellen sowie perspektivisch zeitabhängige Komponenten (dynamische Effekte), sofern sie im HLS messbar werden.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zeigten sich begeistert von der beeindruckenden Präzision und Detailliertheit der Arbeit und werden den spannenden und hervorragend präsentierten Vortrag von Julia Koch in sehr guter Erinnerung behalten.

Der Vortrag zum Nachschauen:

Weiterlesen:

Julia Azumi Koch, Urs Marti, Iván D. Herrera Pinzón, Daniel Willi, Benedikt Soja, Markus Rothacher (2024): Geoid Computation for the Future Circular Collider at CERN. DOI: 10.1007/1345_2024_275.

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