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23.10.2025 | Institut Digitales Bauen

Mit Praxispartnern die Transformation gestalten

Perspektiven von Praxispartnern sind essentiell für das Geschäftsmodell Fachhochschule. Peter Scherer, Leiter Weiterbildung Institut Digitales Bauen FHNW, diskutiert in der zweiten Folge der Miniserie «mit Praxispartner die Transformation gestalten» mit Andy Gut von Mensch und Maschine sieben Thesen zum Gelingen der digitalen Transformation und dazu, welche Rolle die Weiterbildung darin spielt.

Die digitale Transformation der Baubranche: Eine Frage der Methodik und Kultur

Die Digitalisierung ist zu einem zentralen Thema in der Schweizer Bau- und Immobilienwirtschaft geworden. Viele Herausforderungen können schlicht nicht mit Papier und Bleistift angepackt werden. Es braucht adäquate Werkzeuge, die auch eine Veränderung der Arbeitsweise mit sich bringen. Die Weiterbildung am Institut Digitales Bauen der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) hat zu diesen Veränderungen sechs Thesen formuliert, die als Leitfaden für die Herausforderungen und Chancen der digitalen Transformation dienen. Im Rahmen dieses Interviews werden diese Thesen mit Andy Gut, Mensch und Maschine Schweiz AG, gemeinsam beleuchtet. Andy gibt Einblicke, in seine Denkweise und sein Verständnis für eine systemische Veränderung der Baubranche und wie man diese nachhaltig transformieren kann. Ausserdem werfen wir einen Blick auf eine siebte These, die von ihm selbst formuliert wurde.

These 1: Digitalisierung braucht ein methodisches Vorgehen, damit ein gesellschaftlicher Fortschritt entsteht

Peter: Die erste These besagt, dass die Digitalisierung der Schweizer Baubranche eine strategische Notwendigkeit für den gesellschaftlichen Fortschritt ist. Es braucht neben digitalen Bauwerksmodellen auch angepasste Arbeitsprozesse und Formen der Zusammenarbeit, um repetitive und manuelle Aufgaben zu automatisieren, die Produktivität zu steigern und die Fachkräfte zu entlasten, sodass sie sich auf kreative Tätigkeiten konzentrieren können. Andy, wie siehst du das?

Andy: Das ist eine sehr gute Frage. Ich beobachte, dass viele Bauherren und Planer mit grosser Euphorie in BIM-Projekte eingestiegen sind, dabei jedoch die dahinterliegende Methodik unterschätzt haben. Die eigentliche Herausforderung besteht darin, dass BIM häufig als komplizierter empfunden wird, weil die Methode nicht konsequent durchdacht und gelebt wird. Zu selten reflektiert man die Auswirkungen des eigenen Handelns – dabei ist die BIM-Methodik im Kern nichts anderes als die Compliance innerhalb eines Projekts. Geprägt wird sie stark durch buildingSMART, was für eine einheitliche Basis sorgt, aber nicht automatisch zu gelebter Praxis führt. Entscheidend ist daher, dass das gemeinsam Vereinbarte nicht nur definiert, sondern konsequent im Alltag umgesetzt wird – indem man sich bei jedem Schritt fragt: Welche Auswirkungen hat es, wenn ich diesen Schritt gehe – und was passiert, wenn ich ihn nicht gehe? 

These 2: Das methodische Vorgehen als «Enabler» für Ökologie und Kreislaufwirtschaft

Peter: Die zweite These argumentiert, dass angepasste Prozesse es ermöglichen, die ökologischen Herausforderungen der Baubranche, wie den hohen Ressourcenverbrauch, direkt anzugehen. Digitale Modelle können genutzt werden, um Bauprojekte zu optimieren, Materialabfälle zu reduzieren und Kreislaufwirtschaftsstrategien bereits in frühen Planungsphasen zu integrieren.

Andy: Ich halte es für entscheidend, auf qualitativ hochwertige und wiederverwertbare Produkte zu setzen. Die Herausforderung der Kreislaufwirtschaft besteht jedoch darin, die Auswirkungen umfassend zu erfassen – weit über den CO₂-Fussabdruck hinaus. Ein Beispiel: Wenn für die Betonherstellung Sand aus einem See entnommen wird, lässt sich zwar berechnen, wie viele Lastwagenladungen transportiert werden und welche CO₂-Einsparungen durch kürzere Wege möglich sind. Doch die eigentliche Frage ist: Welche Folgen hat der Eingriff auf die Biodiversität, wenn das Seebecken verändert wird? Solche Auswirkungen sind oft gravierender als die reine CO₂-Bilanz. Deshalb müssen wir den Datenaustausch deutlich früher ansetzen und den Fokus auf belastbare Daten legen, um gesellschaftliche, ökologische und ökonomische Aspekte sinnvoll miteinander zu vernetzen.

Portrait of Andy Gut, Mensch und Maschine
Ich bin überzeugt, dass Kooperationen zwischen Fachhochschulen wie der FHNW und Unternehmen wie Mensch und Maschine enormen Mehrwert schaffen. Solche Programme befähigen Menschen, praxisnah wirklich etwas zu bewegen.
Andy Gut, Mensch und Maschine
Mensch und Maschine

These 3: Unausgeschöpftes Potenzial der Nachhaltigkeit durch falsche Anwendung der Methodik

Peter: Gemäss der dritten These nutzen wir nur einen Bruchteil des Potenzials, das der ganzheitliche Ansatz zur Förderung der Nachhaltigkeit bietet. Wenn eine holistische Methodik wie Virtual Design and Construction (VDC) nicht vollumfänglich angewendet wird, verpassen wir die Chance, ressourcenschonender zu bauen und gleichzeitig die wirtschaftliche Rentabilität und soziale Akzeptanz zu steigern.

Andy: Nachhaltigkeit wird meiner Meinung nach noch zu wenig gelebt, es ist eher ein „Muss“. Solange es nicht konkret und verbindlich wird, ist es schwierig. Das sieht man bei vielen Stakeholdern. Es ist noch nicht in der Gesellschaft angekommen. Man baut ein Eigenheim mit einer schönen Küche, aber niemand spricht darüber, wie nachhaltig das Bauwerk und dessen Nutzende sind.

These 4: Kulturelle Barrieren als Hürde für eine zukunftsfähige Branche

Peter: Die vierte These besagt, dass die grössten Hürden auf dem Weg zu einer nachhaltigen Baubranche nicht methodischer, sondern kultureller Natur sind. Starre Denkmuster und Organisationsstrukturen verhindern, dass die enormen Potenziale ausgeschöpft werden können.

Andy: Ich glaube, es ist wichtig, der ganzen Thematik offen zu begegnen und greifbare Ziele zu setzten. Wir müssen auf Augenhöhe kommunizieren und uns gegenseitig herausfordern. Also auch eine andere Sichtweise einnehmen, um Herausforderungen anzunehmen. Es geht darum, nicht nach Gründen zu suchen, etwas nicht zu tun, sondern es anders zu versuchen. Change Management ist hierbei ein wichtiger Punkt. Die anfängliche Euphorie kann schwinden, wenn man feststellt, dass es nicht so läuft wie gedacht. Dann muss man zur Methodik zurück kommen: Was und vor allem warum machen wir das? Was passiert, wenn ich diesen Schritt mache?

Weiterbildung, Widerstand und die Zukunft der Bauwirtschaft

Der erste Teil dieses Interviews mit Andy Gut von Mensch und Maschine Schweiz AG hat gezeigt, dass die Digitalisierung der Baubranche eine strategische Notwendigkeit ist. Die Thesen 1 bis 4 verdeutlichen, dass der Erfolg nicht allein von der Technologie abhängt, sondern vor allem von einer gelebten Methodik und der Überwindung kultureller Hürden. Die grössten Entlastungseffekte für Fachkräfte entstehen, wenn Prozesse durchdacht und konsequent umgesetzt werden, was die Effizienz und Qualität steigert.

Im zweiten Teil des Interviews beleuchtet Andy die Rolle der Weiterbildung sowie die Hindernisse durch den Status quo und gibt einen Ausblick auf die Zukunft der Baubranche. Als Vertreter der Mensch und Maschine Schweiz AG und Mentorsponsor des VDC Certification Programms teilt er seine Perspektive über die Dynamiken von Wandel und Widerstand in einem Sektor, der sich langsam, aber stetig verändert. Er geht dabei auch auf die siebte These ein, die er als Interviewpartner selbst formuliert hat, und die den Kern seiner Arbeit widerspiegelt.

These 5: Weiterbildung als Katalysator für eine nachhaltige Zukunft

Peter: Die fünfte These besagt, dass die effektive Erschliessung des Potenzials zur Lösung von Fachkräftemangel und Nachhaltigkeit mit gezielter Weiterbildung und Kompetenzentwicklung beginnt. Das VDC Certification Program ist ein entscheidender Hebel, um das notwendige Wissen und die transformative Denkweise in die Branche zu tragen.

Andy: Ich bin überzeugt, dass Kooperationen zwischen Fachhochschulen wie der FHNW und Unternehmen wie Mensch und Maschine enormen Mehrwert schaffen. Solche Programme befähigen Menschen, praxisnah wirklich etwas zu bewegen. Besonders wertvoll ist der Austausch mit Gleichgesinnten ausserhalb des gewohnten Arbeitsalltags – hier entstehen Ideen, die zum Leben erwachen und direkt in die Praxis übertragen werden können. Entscheidend ist auch die Begleitung durch erfahrene Dozenten-/innen sowie Mentorinnen und Mentoren, die selbst aus der Praxis kommen und ihr Wissen gezielt einbringen.

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VDC Certification Program 2025
Gleichgesinnte bilden sich weiter, um sich und die Branche voranzubringen.
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These 6: Wer profitiert vom Status quo? Die grösste Barriere für Veränderung

Die sechste These besagt, dass die grösste Hürde für einen Wandel die Existenz von etablierten Interessen, Beharrungskräften und Geschäftsmodellen sein könnte, die von intransparenten und ineffizienten Prozessen profitieren. Die Digitalisierung könnte diese Machtstrukturen und etablierten Einnahmequellen bedrohen, was zu Widerstand führt.

Andy:  Den Begriff „Beharrungskräfte“ empfinde ich als etwas negativ, dennoch ist die Frage absolut berechtigt. Umdenken ist notwendig: In meinen Gesprächen höre ich Sätze wie: „Als Unternehmen haben wir es 20 Jahre lang so gemacht – und es hat gut funktioniert.“ Oder den Klassiker: „Das haben wir schon immer so gemacht.“ Trotzdem eröffnen sich jetzt neue Möglichkeiten. Der unmittelbare „Quick Win“ ist nicht immer sichtbar – genau darin liegt jedoch die Chance. Bei Mensch und Maschine kennen wir Strategien, um schnelle messbare Effizienzsteigerungen zu erzielen. Veränderung sollte man als Chance begreifen, um den Anschluss nicht zu verlieren. Ein Blick auf Nokia oder Kodak zeigt eindrücklich, was passiert, wenn man den digitalen Wandel verschläft

These 7: Die UNO-Reverse-Card: Perspektivenwechsel

Peter: Die siebte These ermöglicht einen Perspektivenwechsel, bei dem der Interviewgast eine eigene These und Frage formulieren kann. Andy, welche These führst du ins Feld?

Andy: Meine These oder vielmehr meine Frage ist: Wie geht ihr als Fachhochschule mit der Nachhaltigkeit und Digitalisierung um? Ich sehe, dass es viele Überlappungen gibt. Wie fördert ihr das? Wie geht ihr damit um?

Peter: Die FHNW hat, wie viele Organisationen, eine gewachsene Struktur mit verschiedenen Instituten. Diese spiegeln die klassischen Fachdisziplinen der Bauwirtschaft wider. Es ist spürbar, dass sich die Lösungsansätze immer mehr überlappen. Es ist aber auch eine grosse, organisatorische Aufgabe diese Silos zu überwinden. Wir sehen jedoch, dass der Wandel da ist und die Verbindung zwischen den Instituten in den letzten Jahren zugenommen hat und auch weiter zunehmen muss. Insbesondere im Rahmen unserer Weiterbildungsprogramme fördern wir diese Vernetzung. Persönlich finde ich es zentral, dass die Fachhochschulen mit ihrer Aus- und Weiterbildung dafür einstehen, dass diese Themen in der Branche ankommen.

Herzlichen Dank, Andy Gut und der Mensch und Maschine Schweiz AG für die Unterstützung unseres VDC Certification Programs. Im Interview zeigt sich dein Weitblick und dein Engagement für eine bessere Bauwelt. Besten Dank, dass du deine fundierten Einsichten mit uns geteilt hast. Es sind wertvolle Beiträge für die Weiterentwicklung der Bau- und Immobilienwirtschaft.

Weiterbildungsangebot des Insitut Digitales Bauen

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