Master MSE Geomatics, Studierende berichten

Studierende berichten: Master Auslandssemester FS22 in Gävle, Schweden (Teil 2)

20. September 2022

Hej och välkommen till den andra delen av min utlandsvistelse.
(Übersetzung: Hallo und Willkommen zum zweiten Teil meines Auslandsaufenthalts)

Kurz bevor das neue Semester an der FHNW wieder startet und die vorlesungsfreie Zeit endet, kommt es wohl oder übel zum Abschluss des Schweden-Abenteuers. Zwar ist das Abenteuer schon seit Ende Juli vorbei, doch früher habe ich mich nicht wirklich bereit gefühlt diesen Blogeintrag zu verfassen. Einen Blogeintrag zu schreiben, bedeutet auch die Erlebnisse zu verarbeiten, abzuschliessen und ein neues Kapitel aufzuschlagen. Dennoch möchte ich einen «Gump» zurück machen und euch alle wenigstens für 5 Minuten an meinem ½ Jahr Schweden teilhaben lassen.

Masterstudium

Nach Abschluss der ersten Periode Ende März – kurzer Aufgriff vom letzten Mal, das Semester in Schweden ist in zwei Perioden aufgeteilt – ging es direkt weiter mit zwei neuen Modulen in der zweiten Periode. Zum einen war das ein Statistik-Modul, in welchem sehr viel mit R – einer Programmiersprache – gearbeitet wurde. Zum anderen belegte ich ein Planungs-Modul, in welchem die Geschichte und das Praktizieren der Stadtplanung in Schweden angeschaut wurde. Auf den genauen Inhalt der Module gehe ich nicht ein, viel lieber möchte ich Dinge mit euch teilen, welche ich im Kontext des Studiums auf meinen Weg mitnehme.

Die offene und diskussionsbereite Atmosphäre im Klassenraum und die sprühende Leidenschaft der Dozentinnen machte es mir noch einfacher die Vorlesungen zu besuchen und eine gute Arbeit abzuliefern. Und ja, ich verwende keinen Genderstern, weil für diese Kurse nur weibliche Lehrpersonen verantwortlich waren. Dies ist für mich ungewohnt, doch sehr erfreulich und es gibt mir Hoffnung, dass technische Gebiete immer mehr mit weiblichen Perspektiven bereichert werden. Dies gibt mir auch Motivation weiterhin meinen Weg zu gehen, um für junge Mädchen ein Vorbild zu sein.

Ich wusste bis anhin nie, auf welchem Niveau die Fachhochschule ihre Fachleute ausbildet, weil ich keine Referenz hatte und das Bachelor-Studium für mich angenehm und ohne grossen Aufwand zu bewältigen war. Nach dem Erasmus-Semester habe ich die Antwort: Es ist ein hohes Niveau. In Schweden – ein Land mit starken Fachpersonen – ist lediglich der Aufwand von Arbeiten unter dem Semester erhöht gewesen, nicht jedoch das Niveau. Einige Inhalte, die in Schweden als Masterkurse angeboten werden, sind an der Fachhochschule bereits im Bachelor übermittelt worden.

So wie es hier in der Schweiz eine kleine Klassengrösse gibt, sieht das in Schweden nicht anders aus. Zwischen drei und fünf Personen haben die Mastermodule besucht. Davon haben die meisten Human-Geografie oder Erdwissenschaften studiert, sind zu 50 % weiblich und stammen aus Schweden, der Niederlande und Nigeria. Diese Diversität hat zu spannenden Diskussionen und eindrücklichen Perspektiven geführt, die ich für meine Zukunft als sehr wertvoll ansehe. Ich bin sehr dankbar all diese Erkenntnisse gewonnen zu haben und ein anderes Schulsystem kennengelernt zu haben.

Abenteuer Fernwandern

Auch die zweite Hälfte enttäuscht mit Ausflügen und Erlebnissen nicht. Starten wir auch hier wieder Ende März. Der Schnee verschwand langsam, der Frühling liess das Braun der Wälder grün erblühen und die Tage wurden länger. Stetig nahm das Leben in Gävle mehr Fahrt auf, die Sonne holte die Leute auf die Strassen und die steigenden Temperaturen ermöglichten es die Freizeit-Aktivitäten nach draussen zu verlagern. Es wurde Fika gemacht, Sport getrieben, Feste besucht und die schwedische Landschaft zu Fuss erforscht.

Fika [fi:ka]: ein schwedischer Begriff, der «Kaffee trinken» bedeutet, oft in Verbindung mit dem Essen von etwas Süssem; einen Moment der Entschleunigung und des Genießens von Zeit allein oder mit Freunden, oft mit einer Tasse Kaffee und Gebäck

Das grösste Fest neben Midsommar ist Valborg (DE: Walpurgisnacht). Einheimische haben uns geraten dafür nach Uppsala – 40 Minuten Zugfahrt von Gävle, Katzensprung für schwedische Verhältnisse – zu reisen, da dort das grösste Valborg-Fest des Landes ist. Midsommar Ende Juni feierte ich in Leksand, ebenfalls laut Einheimischen das authentischste Midsommar-Fest mit dem höchsten Maibaum von Schweden. Beide Feste waren eindrücklich und wie aus dem Bilderbuch, wenn ihr also mal die Chance habt diese in Schweden feiern zu können, macht das.

Es formte sich bereits zu Beginn mit einer Gruppe ein Gedanke den Kungsleden – eine Fernwanderung in Nordschweden – zu laufen. Dieser Gedanke festigte sich, sowie es unsere Freundschaft tat. Zu sechst nahmen wir uns dem Abenteuer K[ü]ngsleden entgegen und trainierten für die 109 km inkl. höchsten Berg Schwedens, Kebnekaise 2096 m.ü.M. Mittels PowerPoint beim wöchentlichen Porridge informierten wir uns gegenseitig über die nötigen Informationen und Reisedetails. Mit kürzeren Fernwanderungen und Abendspaziergängen trainierten wir für das grosse Ziel. Anfang Juni war es so weit, Prüfungen abgeschlossen, Rucksack gepackt, nach Abisko aufgebrochen und der Mitternachtssonne entgegenkommend, machten wir uns auf die 16-stündige Zugreise.

Eine Woche in der Wildnis von Nordschweden erlaubte es mir mit fünf Personen ab von der Zivilisation zu sein und einfach zu (über)leben. Das beeindruckendste Erlebnis war Anfang Juni an einem Donnerstagmorgen um 2 Uhr in der Früh. Draussen war es so kalt, dass sich Tau auf der äusseren Zeltwand gebildet hat. Die Blase ruft und man hört das Zippen eines Reissverschlusses. Den Kopf geneigt, aus der sitzenden in die stehende Position taumeln, so leise wie möglich sein. Den Blick erhebt sich auf die gegenüberliegende Flussseite. Alles ist in orange getaucht, der Wald und die flachen Berge im Hintergrund der Kulisse. Den Kopf 180 Grad drehen und dabei in die orange, knapp über den Horizont kommende, runde Sonne zu schauen. Mundwinkel erheben sich zu einem Lächeln und das Gesicht wird von den orangen Strahlen geküsst. Die Augen knipsen Bilder, die für immer in der Erlebnis-Schublade verstaut werden. Das muss das Leben sein, nach welchem wir streben.

Auf den Wanderungen war nicht alles rund gelaufen. Von Unternull bis Hitzewelle, von Mücken in Nordschweden bis Zecken in Westschweden, von Fussschmerzen bis Blattern war alles vorhanden. Doch genau diese unangenehmen Momente zeigen, wie wunderbar die schönen Momente sind. Man muss nur aufmerksam hinschauen und die Ohren spitzen.

Es ist nicht bei dieser einen Fernwanderung in Nordschweden geblieben, doch alles zu erzählen würde hier den Rahmen sprengen, deshalb überlasse ich das den Bildern und Fakten: 5 Fernwanderungen, >400 Kilometer, 25 Wandertage, 7 Blattern, -2° C bis 30° C, 20 kg Gepäck, 24 h Sonne, 8 Freundschaften, 6 Zecken und unzählige unvergessliche Momente.

Seit ich zurück bin, ist mir von verschiedenen Personen – Bekannte, Freunde, Familie –dieselbe Frage gestellt worden: «Kannst du dir vorstellen nach Schweden auszuwandern?»;

Die Antwort darauf hat sich im Verlaufe der Zeit geformt und hat sich lediglich in ihrer Prägnanz, nicht jedoch in der Aussage geändert: Ja, ich kann mir vorstellen auszuwandern, aber nein, ich will nicht auswandern und meine Komfortzone Schweiz verlassen. Mir gefällt es hier zu gut, um meiner Heimat den Rücken zu kehren. Dennoch rate ich allen die eigene Komfortzone wenigstens einmal zu verlassen, um zu wissen, wie es sich da draussen anfühlt. Für mich ist die Abenteuerlust gerade gestillt und ich freue mich auf den Alltag in meiner Komfortzone. Wenn es mich wieder packt, weiss ich wie ich mir den Wunsch erfüllen kann – mit viel Geduld und Persistenz.

An dieser Stelle möchte ich mich bei allen bedanken, die es mir ermöglicht haben nach Schweden zu reisen und eine unvergessliche Zeit zu erleben. Danke an das Institut Geomatik für die Kulanz und das Vertrauen während den Monaten im Ausland, ich konnte selten so flexibel und ohne Erwartungen arbeiten. Danke an die beiden Fachhochschulen FHNW und Gävle für die Partnerschaft und das Ermöglichen des Erasmus. Danke an alle Personen, die meinen Weg gekreuzt haben, ihr habt mir gezeigt, wie wertvoll unterschiedliche Perspektiven und Ansichten sind. Diese Zeit werde ich immer in guter Erinnerung behalten und bin mir selbst gegenüber dankbar, dass ich den Schritt gewagt habe und mich in das Erasmus-Abenteuer in einem fremden Land gestürzt habe.

Tack så mycket och ha en trevlig vecka.
(Übersetzung: Vielen Dank und eine schöne Woche.)

Autorin: Fiona Tiefenbacher, MSE-Studentin

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