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Studierende berichten: Geomatik-Herbst-Kolloquium – Können Algorithmen Städte planen?

2. November 2021

Dienstag, später Nachmittag. Aufgestellt und motiviert begrüsst die junge Referentin Lisa Stähli von ESRI R&D Zürich die anwesenden und online zugeschalteten Zuschauerinnen und Zuschauer, nachdem Prof. Dr. Nebiker das zweite Herbst-Kolloquium zum Thema «Prozedurale Modellierung & Generative Design – wenn Algorithmen Städte planen (würden)» eröffnet hatte.

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Lisa Stähli präsentiert lebendig und führt direkt in die Grundbegriffe des Referates ein.

Was ist prozedurale Modellierung?
Unter prozeduraler Modellierung wird das Modellieren von dreidimensionalen Gebäuden, Strassen oder Infrastrukturen auf der Basis von Regeln verstanden. Als Regeln versteht man zum Beispiel die örtliche Bau- und Zonenordnung. Auf diese Weise können einzelne Häuser, Siedlungen oder sogar ganze Städte generiert werden.

Was ist generative Design?
Bei generativem Design werden aufgrund von Rahmenbedingungen mehrere Möglichkeiten von Modellen entwickelt, bis die optimale Lösung gefunden wird. Beim Siedlungsbau zum Beispiel kommt dies zum Einsatz.

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Abb. 2 optisches Beispiel zur Bebauungsdichte (erste Zeile) und Ausnutzungszimmer (zweite Zeile)

Doch, wofür ist das alles nützlich? Die Antwort ist einfach: viele Menschen leben in Städten und es werden immer mehr. Infolge dieses Wachstums der Städte entstehen Probleme und Konflikte. In einem Beispiel über die Bebauungsdichte und die Ausnutzungsziffer dreier grösserer Städte regt Stähli die Zuhörenden zum Nachdenken und Mitmachen an und veranschaulicht das Ganze grafisch (Abb. 2). Solche Kennzahlen wie die Bebauungsdichte und die Ausnutzungsziffer sind wichtige Grundlagen für Algorithmen. In einem weiteren Beispiel zeigt die Referentin dem Publikum Abbildungen von Strassennetzen bekannter Grossstädte (Abb. 3). Die Zuschauenden sollen erkennen, um welche Städte es sich handelt. Erkannt wurden nur die ikonischen Strassennetze von Paris und New York. Ein Algorithmus hätte jedoch keine Probleme mit dieser Aufgabe gehabt. Er hätte alle Strassennetze erkannt und das in viel kürzerer Zeit. Das ist eine von vielen Aufgaben, bei denen der Computer uns Menschen weit überlegen ist.

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Abb. 3 Erkennen Sie folgende Städte am Strassennetz?

Aber gehen wir etwas tiefer. Worum geht es dabei wirklich? Die 3D-Modelle der prozeduralen Modellierung werden auf Grund der Vorschriften der Bau- und Zonenordnung des entsprechenden Gebietes modelliert. Zuerst wird die Zonenhülle bestimmt, also die maximalen Ausmasse des zukünftigen Gebäudes und danach folgt die Gebäudeform. Dabei können auch der Baustil oder sonstige Merkmale der umliegenden Gebäude beim Modellierungsprozess berücksichtigt werden. Beim generativen Design werden diese Modelle mit Hilfe von Algorithmen optimiert. Durch die verschiedenen Schritte der Algorithmen werden nach und nach die besten Lösungen gefunden. Diese Algorithmen bewerten die Modelle nach deren Eigenschaften, wie zum Beispiel die Anzahl möglicher Bewohner:innen oder die Grösse der Grünflächen (Abb. 4). Wenn am Ende das perfekte Modell gefunden wurde, wird den Gebäuden noch eine Textur zugewiesen, um eine realistische Visualisierung zu erhalten.

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Abb. 4 Algorithmen suchen die beste Lösung zur Begrünung eines Gebäudes

Die Anwendungen dieser Methoden sind sehr vielseitig. Für Analysen, welche ein 3D-Modell benötigen – wie zum Beispiel der Berechnung des Schattenwurfs –, kann ein Modell generiert werden. Die Alternative wäre das klassische Modellieren von Hand. Das Endergebnis wäre vermutlich näher an der Realität, aber der Zeitaufwand wäre ein Vielfaches grösser. Der Vorteil liegt somit vor allem bei der Zeitersparnis. Folglich ist es ein Abwägen, welche Methode gewählt wird. Man kann die Methoden aber auch kombinieren, indem das ganze Modell zuerst generiert und danach im Detail angepasst wird. Auch in der Stadtplanung werden diese Methoden angewendet. Um ein neues Quartier zu planen, wird zuerst ein Modell generiert, welches unseren Vorstellungen entspricht und die Zonenordnung einhält. Eine Vision von ESRI ist es, dass die zukünftigen Zonenordnungen erst aufgrund dieser generierten Modelle festgelegt werden. Andere Anwendungen sind bei der Film- und Spielindustrie zu finden. Grosse Fantasiewelten werden heutzutage häufig mit prozeduraler Modellierung erschaffen. Auch Augmented- und Virtual Reality sind ein grosses Thema.
Für uns war das Kolloquium sehr interessant, da es einen zukunftsträchtigen Aspekt bietet. Lisa Stähli hat das Referat für die Zuschauenden vom Fach aber auch für diejenigen mit weniger Vorwissen spannend gestaltet. Zudem wurde während des Referats immer wieder der Kontakt mit dem Publikum gesucht, was uns persönlich zum Mitdenken angeregt hat. Deshalb empfehlen wir auch allen, die sich noch weiter mit diesem Thema befassen möchten, die Aufzeichnung des Kolloquiums auf dem YouTube Kanal des Instituts Geomatiks anzuhören und anzuschauen.

Autoren: A. Rehmert und J. Wörgau, Studierende Bachelor Geomatik im 1. Semester
Bilder: A. Rehmert und J. Wörgau, Folien der Referentin L. Stähli

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